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Wirtschaft: Vergangenheitsbewältigung bei Kempinski

BERLIN (jhw).Die Kempinski AG hat im vorigen Jahr wieder Gewinn gemacht.

BERLIN (jhw).Die Kempinski AG hat im vorigen Jahr wieder Gewinn gemacht.Damit sei, so Vorstandsmitglied Reto Wittwer, das Unternehmen wieder endgültig konsolidiert.Zum ersten Mal seit 1992 erzielte es ein positives Ergebnis.Der Gewinn pro Aktie lag bei fast elf DM, während es im Jahr davor noch einen Verlust von fast 17 DM gegeben hatte.Zu Kempinski gehören 24 Hotels, zehn davon in Deutschland, darunter auch das Hotel Adlon.

Der Schloßsaal im Bristol Hotel ist anderes gewohnt als das Schauspiel vom Mittwoch.Das feine Ambiente mit goldenen Kronleuchtern und verspiegelten Wänden bot die Kulisse für eine unruhige Hauptversammlung.Auf der sprachen die Aktionärsvertreter fast nur über ein düsteres Kapitel in der 100jährigen Firmengeschichte des Traditionshotels.

Dabei geht es um die Jahre 1992 und 1993: Seinerzeit bestimmte der Hauptaktionärin Advanta Management AG die Geschäftspolitik von Kempinski.Dieter Bock, zum damaligen Zeitpunkt Aufsichtsratsvoritzender bei Advanta und bei Kempinski, gilt vielen Aktionären inzwischen als "Plünderer".Denn Kempinski verkaufte das Grundstück, auf dem das Hotel Bristol steht, für 235 Mill.DM an ein Unternehmen der Advanta.Zugleich verlieh Kempinski dem Käufer 35 Mill.DM.Das Besondere an dem Darlehen: Kempinski verlangte keine Zinsen - und das bis zum Ende der Laufzeit im Jahre 2012.Freilich bekam Kempinski seinerzeit nicht 200 Mill.DM: Diese Summe wurde um sieben Mill.DM gekürzt - warum, ist heute offenbar nicht mehr festzustellen.

Kempinski bekam zwar 193 Mill.DM.Aber das Unternehmen mußte nun Miete bezahlen, schließlich gehörte das Grundstück jetzt zur Advanta-Gruppe.Jeden Monat war ein Mietzins von einer Mill.DM fällig.Advanta und Kempinski trafen noch eine Vereinbarung: Falls Kempinski nach Abzug der Miete Gewinn erwirtschaftete, sollte Kempinski den zum Teil an die Advanta abführen.Auf der Hauptversammlung zitierte Walter Freitag, der die Aktionärin Metropol Vermögens-Verwaltungs-GmbH, KÖln, vertrat, aus Papieren, die zur damaligen Zeit dem Aufsichtsrat vorlagen.Demnach schätzten die Wirtschaftsprüfer von Coopers & Lybrand, die Abmachungen mit Advanta belasteten die Liquidität von Kempinski um rund 300 Mill.DM binnen zehn Jahren.Nach Angaben von Freitag warnte das damalige Aufsichtsratsmitglied Kurt Hochheuser aus dem Vorstand der Kempinski-Hausbank Commerzbank: "Diese Geschäfte können den Untergang der Kempinski AG herbeiführen." Die Verträge über die Abführung der Kempinski-Gewinne an die Advanta sind nach Angaben Freitags am Mittwoch erstmals öffentlich bekannt geworden.Sie wären ungültig, weil die Hauptversammlung einem Teilgewinn-Abführungsvertrag hätte zustimmen müssen - was nie geschehen ist.

Doch heute geht Kempinski auch gegen die anderen Transaktionen vor Gericht vor.Die Gesellschaft will alle Rechtsgeschäfte überprüfen lassen und fordert Schadenersatz.In einer Klage, die das Unternehmen im Mai vorigen Jahres gegen die Advanta eingereicht hat, ist als Höhe des entstandenen Schadens ein Betrag von 118 Mill.DM angesetzt.Die größte Belastung ist der Mietvertrag für das Hotel Bristol, der nach Ansicht des heutigen Vorstands nichtig ist.Deshalb überweist Kempinski die Miete nicht mehr an die Advanta, sondern auf ein Sonderkonto.Wie Vorstandsmitglied Wittwer mitteilte, seien die Kosten der Verfahren für den Haushalt des Unternehmens gewaltig: Seit 1996 habe Kempinski für die Verfolgung der Ansprüche fast fünf Mill.DM bezahlt.

Unterdessen hat auch die Advanta die Gerichte eingeschaltet.Sie hat vier Klagen gegen Kempinski eingereicht, darunter auch die auf Räumung und Herausgabe des Hotels Bristol.Zum Jahresschluß 1997 hatte Advanta dem Hotel fristlos gekündigt.

Kempinski verweist heute darauf, daß mehrere Gerichtsentscheide zwischen April und Juni die Nichtigkeit des ominösen und teuren Mietvertrags nahelegten.Allerdings ist eine Entscheidung des Landgerichts Berlin vom Mai noch nicht rechtskräftig.

Umstritten ist außerdem die Rolle der Lufthansa.Die langjährige Hauptgesellschafterin hat ihre Anteile an die Advanta verkauft.Aber sie wollte mögliche Fragen nicht mit dem heutigen Kempinski-Vorstand klären und mochte auch auf die Verjährung möglicher Ansprüche der Hotelkette gegenüber der Lufthansa nicht verzichten.Trotzdem verzichtete Kempinski auf rechtliche Schritte gegen die Fluggesellschaft - was einige Aktionäre erboste.Aber Kempinski hielt sich zurück, weil das Hotel auf Kunden, die über die Lufthansa Zimmer buchen, angewiesen sei.

Frank Rodloff, Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, lobte die Rolle, die der neue Großaktionär - die thailändische Siam Sindhorn - übernommen habe, um die Vorfälle aufzuklären."Es ist ziemlich einmalig, wie offen gegen alte Vorstände und Aufsichtsräte vorgegangen wird." Gegen zwei ehemalige Vorstandsmitglieder hat das Unternehmen Klage zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen eingereicht, gegen zwei ehemalige Aufsichtsrats-Mitglieder bereitet es die Klage vor.Siam Sindhorn verzichtet auf die Dividende, so daß die Kleinaktionäre, die fast 17 Prozent der Anteile halten, drei DM pro Aktie kassieren.

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