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Kurz gefragt. Ketten, Kappen und Klapperhände in Deutschlandfarben. Foto: p-a/dpa

© picture-alliance/ dpa

Wirtschaft: Verkaufsschlager auf Zeit

Nach der Europameisterschaft werden aus begehrten Fanartikeln Ladenhüter. Doch so mancher verdient immer noch daran.

Berlin - Rollt der Ball bei einer Welt- oder Europameisterschaft, machen Sportartikelhersteller, Importeure und Einzelhändler das große Geschäft. Mit Fahnen, Trikots, Schminke und Accessoires verdienen sie alle zwei Jahre Millionen. Doch allzu optimistische Produktionen oder Bestellungen bergen ein Risiko. Gerade lizensierte Artikel, auf denen das offizielle Logo der UEFA Euro 2012 prangt, sind nach dem Turnier so attraktiv wie Schokonikoläuse an Neujahr – und quasi unverkäuflich.

Ein potenzieller Ladenhüter ist zum Beispiel der in Miniatur nachgebildete EM-Pokal: sieben Zentimeter hoch, auf einem quadratischen Holzpodest samt Blumenlogo des aktuellen Turniers in Polen und der Ukraine. Hergestellt wird die geschrumpfte Trophäe von der Münchner Am Ball Com GmbH. Der Verkaufspreis liegt bei 19,95 Euro – ein Preis, der nach dem Turnier kaum noch zu erzielen sein dürfte. „Wir können die Miniaturpokale abmontieren von den gebrandeten Holzpodesten und sie einlagern“, sagt eine Mitarbeiterin. Zur nächsten EM in vier Jahren könnten die Pokale dann auf ein aktuelles Podest gesetzt werden, dann mit französischem Logo.

Ob sich dieser Aufwand allerdings für die Am Ball Com GmbH lohnt, hänge von der Stückzahl der unverkauften Pokale ab. Bei Fanartikeln, bei denen dieser Aus-alt-mach-neu-Trick nicht funktioniert, hat der Münchner Hersteller dagegen keine Wahl. Der Schlüsselanhänger mit offiziellem EM-Logo etwa ist so ein hoffnungsloser Fall. „Was in einem bestimmten Zeitraum nach der EM nicht verkauft wird, muss zerstört werden“, sagt die Mitarbeiterin. So schreibe es die UEFA vor. Genaueres dürfe sie nicht sagen. Der Auflagenkatalog der UEFA für lizensierte Hersteller umfasst auch einen Maulkorb, sobald es um Details der Verträge geht.

„Üblicherweise haben die Hersteller noch ein halbes Jahr Zeit, die Lizenzprodukte mit Rabatten abzuverkaufen“, weiß Ingo Dreßen, Geschäftsführer von ID Merchandising in Warendorf bei Münster. Viele Artikel würden daher schnell zu Ramschpreisen nach Osteuropa verhökert. Bei ID Merchandising selbst bestehe dazu keine Not, versichert Dreßen. Fahnen, Trikots, Schals und Caps, die das Unternehmen herstellt, seien schlicht schwarz-rot-gold. „Das alles ist unverderbliche Ware, die auch für Olympia geeignet ist, und die nächste Biathlon-WM kommt bestimmt auch bald.“ So lange würden die Deutschland-Fanartikel eben eingelagert.

Dass kleine Einzelhändler nicht denselben langen Atem haben können, sei ihm bewusst, sagt Dreßen. „Wir empfehlen unseren Kunden, im Zweifel weniger Ware abzunehmen, weil wir ihnen im Verlauf des Turniers jederzeit noch just in time Fanartikel nachliefern können.“ Wer sich trotzdem verkalkuliert, müsse die Restmenge wohl oder übel abschreiben. Das ist laut Dreßen auch das gängige Prozedere großer Kaufhausketten, die erst Rabatte von bis zu 50 Prozent gewährten und letzte Restposten dann auch mal für eine Tombola spendeten.

Beim Handelsunternehmen Galeria Kaufhof ist dieses Thema tabu, dort redet man lieber über die eigenen tollen Tischfußballturniere während der EM und das brummende Geschäft mit den Deutschlandtrikots. Auch Intersport schwärmt von 30 Prozent Umsatzsteigerung im Bereich Fußball und Teamsport, wenn die Frage nach dem Umgang mit Ladenhütern gestellt wird.

Christian Kirschbaum von der Active International Düsseldorf GmbH hat dafür Verständnis. „Solch ein Thema ist natürlich geschäftsschädigend“, sagt der Unternehmer, der selbst eine Problemlösung anbietet. Kirschbaum kauft überschüssige Fanartikel auf und verkauft sie zum Beispiel nach Osteuropa weiter. Dem Verkäufer zahlt er den vollen Buchwert seiner Waren, jedoch nicht in bar, sondern in Gutscheinen für Werbekampagnen, Prospekte oder Hotelübernachtungen. Das Prinzip nennt sich Corporate Trading und stammt aus den USA.

Kirschbaum kauft Lagerbestände allerdings nur dann auf, wenn er beim Weiterverkauf mit mindestens 30 Prozent des Ursprungswertes rechnen kann. „Nach der WM 2010 sind zum Beispiel haufenweise Vuvuzelas liegen geblieben“, erinnert sich Kirschbaum. Dass auch diesmal wieder viele Fanartikel über ihn einen späten Abnehmer finden werden, davon ist er überzeugt. Wer seine Kunden sind, das will er jedoch nicht verraten. Arne Bensiek

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