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Wirtschaft: Versprochen, Herr Eichel?

Über den Wert von Ankündigungen und Dementis aus dem Finanzministerium

Von Antje Sirleschtov

Berlin. Juristen und Sozialwissenschaftler diskutieren im deutschen Jugendstrafrecht schon seit Jahren über die beste Form der Integration jugendlicher Täter. Hauptsächlich dreht es sich dabei um die Frage, wie groß die Wirkung der Wahrheitsfindung in Gerichtsprozessen auf diese Bevölkerungsgruppe ist.

Die deutsche Finanzpolitik schickt sich nun an, einen gewichtigen Beitrag zu dieser Debatte zu liefern. Und zwar durch ihren obersten Vertreter: Finanzminister Hans Eichel. Der nämlich überrascht jetzt die Öffentlichkeit mit einer ganz neuen Ehrlichkeitsstrategie. Ganz und gar unvermittelt gab Eichel am Donnerstag zu, dass seine Haushalte, nach dem letzten und diesem, auch im nächsten Jahr gegen den Maastricht-Vertrag der EU verstoßen werden. Und das, noch bevor die Steuerschätzer ihre Prognosen abgegeben und die Haushälter über den Etat 2004 befunden haben.

Nur ein Trick des „Ekelpakets der Regierung“, wie sich der Minister selber bezeichnete? Ein cleverer Schachzug, um politischen Druck auf die anstehende Sitzungen des Vermittlungsausschusses auszuüben? Oder darf man darin gar eine erste läuternde Wirkung des so genannten Lügenausschusses erkennen, der Eichel vor nicht allzu ferner Zeit vorwarf, das wahre Ausmaß der Staatsverschuldung 2002 lange gewusst und doch bis zur Bundestagswahl verschwiegen zu haben?

Wie auch immer: Eichel setzt jetzt offenbar auf eine neue Ehrlichkeit, will das Image vom „Versprochen - Gebrochen“ abschütteln. Dieser Ruf nämlich haftet dem obersten Kassenwart wie keinem anderen in der Regierung an. Denn immer wieder schallte es „Unfug“ oder „Spekulation“ aus seinem Haus, wenn Medien über Spar- oder Steuerpläne berichteten. Und immer wieder stellte sich später heraus, dass die Realität die Dementi dementiert hat.

Nur aus Gründen der Vollständigkeit: Vermeintliche interne Diskussion über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Stopfen der Löcher in den Haushalten und Sozialsystemen wies der Minister am Donnerstag besonders brüsk zurück. Versprochen, Herr Eichel?

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