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Wirtschaft: Viele Mindestlöhne

Arbeitsminister Müntefering will keine einheitliche Regelung und setzt auf die Tarifparteien – in der SPD sehen das viele anders

Berlin – Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hat sich gegen die Einführung eines bundeseinheitlichen Mindestlohns ausgesprochen. Er sei skeptisch gegenüber flächendeckenden Mindestlöhnen, sagte Müntefering am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK). Er könne sich nicht vorstellen, dass in allen Branchen und Regionen der gleiche Lohn gezahlt werde. „Mir wäre es lieber, wir hätten tarifliche Mindestlöhne“, sagte Müntefering. Er sprach sich dafür aus, die Löhne der untersten Tarifgruppe in den jeweiligen Branchen für allgemeinverbindlich zu erklären.

Damit stellt sich Müntefering gegen den gemeinsamen Vorschlag von SPD-Abgeordneten und Gewerkschaften, der am kommendem Montag dem SPD-Gewerkschaftsrat vorgelegt werden soll - einer gemeinsamen Runde von Parteipräsidium und Gewerkschaftschefs. Der Vorschlag der von der Parteilinken Andrea Nahles geführten Arbeitsgruppe sieht vor, einen Mindestlohn in zwei Stufen einzuführen. Zunächst sollen sich auch hier die Tarifparteien über eine Lohnuntergrenze einigen und diese in ein Entsendegesetz überführen, wie es bereits im Baugewerbe gilt und für Gebäudereiniger beschlossen ist. In einem zweiten Schritt soll ein einheitlicher gesetzlichen Mindestlohn kommen, der überall dort gelten soll, wo die Tarifregelungen nicht greifen oder zu niedrig angesetzt wurden. Was die Höhe anbetrifft, hat sich die Arbeitsgruppe noch nicht festgelegt. Die Gewerkschaften fordern 7,50 Euro – für den Anfang.

Vizekanzler Müntefering ging am Donnerstag nicht auf den Vorschlag aus der eigenen Fraktion ein, betonte aber, generell die Notwendigkeit von Lohnuntergrenzen. „Wir werden in Europa bald eine Zeit haben, wo die Löhne von denen bestimmt werden, die von außen kommen“, sagte der Vizekanzler. In einigen Branchen würden bereits Löhne von 3,50 Euro pro Stunde gezahlt. Das habe mit Produktivität nichts mehr zu tun. „Da müssen wir ran“, sagte der Minister. „Das Normale muss ein Lohn sein, von dem man vernünftig leben kann.“ Kombilohnpläne, wie sie von CDU und CSU diskutiert werden, bezeichnete Müntefering als „Planwirtschaft“.

Auch Wirtschaft und Union sprachen sich gegen einen flächendeckenden Mindestlohn aus. Ein solcher gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohn helfe nicht, Arbeitsplätze in Deutschland zu halten, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel dem NDR. Unions-Fraktionsvize Ilse Falk sagte, auch die Ausdehnungen des Entsendegesetzes auf weitere Branchen wolle man „restriktiv handhaben“. Details müsse eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Koalition klären.

„Wir sind massiv gegen jede Form eines gesetzlichen Mindestlohnes“, sagte Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), dem Tagesspiegel. Eine solche Regelung könne den unterschiedlichen Branchen und Regionen nicht Rechnung tragen. Ein zu niedriger Lohn nutze nichts, ein zu hoher vernichte Arbeitsplätze. Wenn die Tarifvertragspartner allerdings der Auffassung seien, dass sie in ihrem Bereich solche Regelungen brauchen, dann werde er dem nicht widersprechen. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, betonte, mit Mindestlöhnen würde die Langzeitarbeitslosigkeit zementiert.

Stefan Kaiser

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