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Wirtschaft: Volkswirte erwarten Zinssenkung in Europa

Der Rat der Europäischen Zentralbank wird nach Meinung von Frankfurter Volkswirten auf seiner Sitzung am Donnerstag die Zinsen senken. Die Experten der Großbanken sehen praktisch keinen anderen Weg für die Notenbanker der EZB.

Der Rat der Europäischen Zentralbank wird nach Meinung von Frankfurter Volkswirten auf seiner Sitzung am Donnerstag die Zinsen senken. Die Experten der Großbanken sehen praktisch keinen anderen Weg für die Notenbanker der EZB. "Ich erkenne überhaupt keinen Grund, diesen Schritt weiter aufzuschieben", sagt etwa Jürgen Pfister, Chef-Volkswirt der Commerzbank. Die neuesten Konjunkturindikatoren vermittelten schließlich ein zunehmend düsteres Bild. Allgemein wird in Frankfurt mit einer Lockerung um 25 Basispunkte gerechnet, so dass der maßgebliche europäische Leitzins auf 3,5 Prozent sinken würde. Ein noch größerer Schritt gilt als unwahrscheinlich.

Pfister hatte schon bei den vergangenen zwei Sitzungen des EZB-Rates mit einer Lockerung der Zinszügel gerechnet. Am 18. Oktober habe sich die EZB offenbar zurückgehalten, weil es zuvor massive Forderungen von Seiten der Politik nach Zinssenkungen gegeben habe. Dies, sagt Pfister, könne angesichts der allgemein schlechten Konjunkturdaten jetzt keine Rolle mehr spielen. Er verweist im übrigen auch darauf, dass es derzeit praktisch keinen Inflationsdruck gibt. Die Inflationsrate bewege sich auf ein Niveau von weniger als zwei Prozent zu. Damit sei das Ziel von Preisstabilität erfüllt.

Auch Claudia Henke, EZB-Expertin bei der Dresdner Bank, hält eine Zinssenkung für "sehr wahrscheinlich". Ihre Begründung: Weitere Indikatoren über die schlechten Konjunktur-Aussichten und eine deutliche Entspannung an der Preisfront. "Das gesamte internationale Konjunkturbild spricht jetzt für eine Lockerung", sagt Henke. Die EZB sollte sich dabei weder durch politischen Druck noch doch die heute anstehende Entscheidung der US-Notenbank Fed beeinflussen lassen. Eine Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt am Donnerstag hält Henke allerdings für unwahrscheinlich. Realistischer sei ein zweiter Zinsschritt bis Ende Januar oder Anfang Februar.

Ulrich Beckmann von der Deutschen Bank ist sich dagegen nicht so sicher, ob die EZB am Donnerstag wirklich die Zügel lockert. Aus mehreren Gründen: Erstens habe sie die Zinsen schon am 17. September um einen halben Prozentpunkt gesenkt. Zweitens sei die Stimmung zwar in der Tat schlecht, aber wirklich harte Fakten gebe es kaum. Erst jetzt kämen die Zahlen für die Wirtschaftsentwicklung im September. Viel wichtiger ist nach Ansicht von Beckmann aber der Oktober. Drittens könnte das viel zu hohe Geldmengen-Wachstum die EZB zur Zurückhaltung veranlassen. Die derzeitige Rate von mehr als sieben Prozent liegt deutlich über dem Referenzwert von 4,5 Prozent. Allerdings sprechen nach Ansicht von Beckmann die Preisperspektiven "ganz klar für eine Lockerung". Die sollte dann bei 25 Basispunkten liegen. Bis Mitte 2002 erwartet Beckmann eine Zinssenkung von 1,25 Prozentpunkten, so dass der europäische Leitzins dann bei 2,25 Prozent läge.

Wenig Verständnis hat der Volkswirt für die offenkundige Reaktion der EZB auf politischen Druck. Vor zwei Wochen habe die unabhängige Notenbank die Zinsen nicht gesenkt, gerade weil die Politik das zuvor von ihr gefordert hatte, meinen Experten. "Die Notenbanker sollten sich in ihren Entscheidungen nicht davon abhängig machen, was Politiker sagen oder fordern. Sie sollten weniger dünnhäutig sein", sagt Beckmann.

ro

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