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Wirtschaft: VW kündigt allen Händlern

Neue Verträge wegen „Gruppenfreistellungsverordnung“ der EU/Klare Tendenz zu größeren Handelsorganisationen

Berlin (alf). Der Volkswagen-Konzern baut sein Händlernetz in Europa um. Wie das Unternehmen am Montag mitteilte, wurde rund 8500 Händlern und Werkstätten der Marken VW, Skoda, Seat und Audi gekündigt. Davon sind in Deutschland knapp 3000 betroffen, der überwiegende Teil betrifft EU-Staaten. VW reagiert damit auf die neue „Gruppenfreistellungsverordnung“ (GVO), mit der die EU-Kommission den Autovertrieb liberalisieren will.

Vom 1. Oktober 2003 an dürfen die Autohändler mehrere Marken führen; die Hersteller können ihnen also nicht mehr vorschreiben, nur diese oder jene Marke zu verkaufen. Zum Zweiten verlieren die Händler ihr Gebietsmonopol und schließlich dürfen künftig Werkstatt und Autohandel getrennt organisiert werden. VW will nun nach diesen Vorgaben seinen Händlern „EU-weit einheitliche“ Verträge anbieten. Wie viele der 8500 betroffenen Betriebe keinen Vertrag mehr bekommen, ließ VW am Montag offen.

Für Ferdinand Dudenhöfer, Autowissenschaftler an der Fachhochschule Recklinghausen, ist allerdings klar, dass VW die GVO für eine Reduzierung des Händlernetzes nutzen wird. Denn anders als Opel, Ford, BMW und Mercedes hätten die Wolfsburger eine Straffung der Vertriebsstandorte verschlafen. Um die Vertriebskosten zu reduzieren, seien größere Händlerorganisationen aber unumgänglich, sagte Dudenhöfer dem Tagesspiegel und verwies dabei auf die USA. Dort liege der Rohertrag eines Händlers – also die Händlermarge abzüglich Rabatte – zwar bei neun Prozent und damit zwei Prozent unter dem Ertragsniveau deutscher Autohändler. Doch die Deutschen kämpfen mit einer Umsatzrendite knapp über null Prozent ums Überleben, während die amerikanischen Autohäuser auf zwei Prozent kommen. „Hier zeigt sich der Effekt der großen Einheit“, sagt Dudenhöfer. In Deutschland verkaufe ein Pkw-Händler im Schnitt 135 Neuwagen im Jahr, in den USA seien es dagegen knapp 800. In der Summe sieht der Ländervergleich dann so aus: Hier zu Lande vertreiben in diesem Jahr 22600 Autohändler knapp 3,2 Millionen Neuwagen, in den USA werden fast 17 Millionen Autos von 22000 Händlern an die Kundschaft gebracht. Zwar glaubt Dudenhöfer nicht an eine Übertragung der amerikanischen Verhältnisse auf Deutschland, aber 500 Händler für eine Marke würden vollkommen ausreichen, meint der Autoprofessor. Im letzten Jahr gab es allein für die Marke VW 2681 Händler in Deutschland, im Schnitt verkaufte jeder von ihnen 230 Volkswagen. In zehn Jahren dürften nach Dudenhöfers Schätzungen auf jedes Autohaus etwa 1000 Pkw kommen. Alles in allem begrüßt Dudenhöfer die EU-Politik: „Mit der neuen GVO werden die Autos günstiger, weil der Vertrieb günstiger wird.“

Was auf die Autohändler zukommen könnte, zeigt ein Rückblick auf die Benzinbranche. 1970 gab es in Westdeutschland 45000 Tankstellen. Heute, im vereinigten Land, sind es noch 15000 – und der Mineralölverband meint, erst bei 11000 Zapfstandorten sei eine gesunde Struktur gefunden.

Unterdessen begannen am Montag die Verhandlungen über einen Haustarif für die 105000 VW-Beschäftigten in Westdeutschland. Die IG Metall fordert 6,5 Prozent, das Unternehmen weist das als untragbar zurück. Der vor zwei Monaten erreichte Tarifabschluss für die Metallindustrie sieht vier Prozent mehr Lohn vor. Mit einer Einigung bei VW wird nicht vor Oktober gerechnet.

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