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Wirtschaft: Warten auf den Frühling

Die Arbeitslosenzahl sinkt langsamer als sonst um diese Jahreszeit. Das beunruhigt nur die Opposition.

Berlin - Für die Bundesagentur für Arbeit ist nur der lange Winter schuld. „Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich relativ unbeeindruckt von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der letzten Monate und entwickelt sich weiter solide“, sagte Behördenchef Frank-Jürgen Weise am Gründonnerstag in Nürnberg. Der unterdurchschnittliche Rückgang der Arbeitslosenzahl im März gehe auf die anhaltend niedrigen Temperaturen zurück. „Witterungsbedingte Einschränkungen“ hätten anders als in den vergangenen Jahren bis weit in den März angehalten, sagte er. Drei Viertel der Bauunternehmen klagten über winterliche Beeinträchtigungen.

Die offizielle Zahl der Arbeitslosen verringerte sich demnach im März lediglich um 58 000 auf 3,098 Millionen, die Quote sank um 0,1 Punkte auf 7,3 Prozent. Im Vergleich zum gleichen Vorjahresmonat stieg die Zahl arbeitsloser Männer und Frauen aber sogar um 70 000. Und auch unter Herausrechnung jahreszeitlicher Schwankungen stieg sie im Monatsvergleich um 13 000, während Banken-Volkswirte im Durchschnitt einen Rückgang um 4000 erwartet hatten. Dennoch sprach Commerzbank-Analyst Bernd Weidensteiner von einer stabilen Lage. Auch Thilo Heidrich von der Postbank äußerte sich positiv: „Der Arbeitsmarkt befindet sich in einer robusten Verfassung, trotz der Konjunkturflaute.“

Die gleiche Einschätzung äußerte die Bundesregierung. „Robust und grundstabil“ nannte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Entwicklung am Arbeitsmarkt: „Er trotzt den Unsicherheiten im Euro-Raum, den internationalen Konjunkturrisiken und im Grundsatz auch dem harten Winter.“ Die Frühjahrsbelebung bleibe zwar witterungsbedingt leicht hinter der üblichen Dynamik zurück, aber die zuletzt wieder besser in Fahrt gekommene Konjunktur bringe „positive Signale für den weiteren Jahresverlauf“. Auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) betonte, der Arbeitsmarkt sei „gut in Form“. Insgesamt habe sich die Stimmung in der Wirtschaft und bei den Verbrauchern in den vergangenen Monaten spürbar aufgehellt. „Die deutsche Wirtschaft steht an der Schwelle zur Erholung.“

Dagegen hob die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer hervor, dass die Arbeitslosenzahlen saisonbereinigt gestiegen seien. „Jeder Dritte ist langzeitarbeitslos, die Arbeitskräftenachfrage ist weiter rückläufig, und Millionen Beschäftigte arbeiten unter prekären Bedingungen.“ Ministerin Leyen lege „keinen Ehrgeiz an den Tag, diese Probleme anzugehen“. Linken-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn erklärte, wer hier wie Bundesagentur und Regierung von einer „verhalten einsetzenden Frühjahrbelebung“ spreche, rede die Zahlen schön und flüchte „sich ins Warten auf besseres Wetter“.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die Entwicklung am Arbeitsmarkt vor allem für Ältere kritisch. „Anlass zur Sorge ist insbesondere die Entwicklung der Arbeitslosigkeit Älterer über 50 Jahre, die sich auf rund eine Million erhöht hat. Damit ist fast jeder dritte Arbeitslose älter als 50 Jahre“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Offensichtlich hätten sich viele Betriebe „noch nicht vom Jugendwahn verabschiedet“. Die stabile Verfassung des Arbeitsmarktes dürfe „nicht darüber hinwegtäuschen, dass mehr Menschen ihren Job verloren haben als im Vorjahr“.

In Berlin waren im März 216 103 Arbeitslose gemeldet, 1403 weniger als im Februar und 8831 weniger als ein Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote liegt damit weiterhin bei 12,3 Prozent. „Trotz frostiger Temperaturen bleibt die Dynamik auf dem Berliner Arbeitsmarkt auf Jahressicht erhalten. Besonders erfreulich ist der Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Auch im Land Brandenburg sank die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen: Mit 144 357 sind es 3589 weniger als im Februar und 4177 weniger als vor einem Jahr, die Quote liegt jetzt bei 10,8 Prozent. „Der Rückgang bleibt durch den andauernden Winter jedoch noch unter dem Niveau des Vorjahres“, sagte Dieter Wagon, Chef der gemeinsamen Regionaldirektion der Arbeitsagentur.

Dass es trotz der abgeschwächten Konjunktur auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch relativ gut läuft, hat nach Einschätzung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) vor allem einen Grund: „Die Unternehmen setzen darauf, ihre Arbeitskräfte zu halten – eine Strategie, die sich schon während der großen Rezession bewährt hat“, schreiben die Nürnberger Forscher in ihrer neuesten Arbeitsmarktprognose für dieses Jahr. Wegen des zunehmenden Fachkräftemangels trennten sich Unternehmen nur ungern von ihrem Stammpersonal. Trotzdem sei schon in den nächsten zwei bis drei Jahren mit einer Jobflaute zu rechnen, falls Bundesregierung und Bundesagentur nicht rechtzeitig gegensteuern. „Strukturelle Faktoren deuten schon länger darauf hin, dass die fundamentalen Verschiebungen am Arbeitsmarkt zu einem Ende kommen“, erklärten die Forscher. Die Effekte der Hartz-Reformen seien wohl ausgereizt. mit dpa/rtr

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