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Wirtschaft: Warum hat es die Expo so schwer?

BREUEL: Die Expo ist wie eine Wundertüte, von der - um es salopp auszudrücken - niemand weiß, was drinnen ist. Aber jetzt geht es los.

BREUEL: Die Expo ist wie eine Wundertüte, von der - um es salopp auszudrücken - niemand weiß, was drinnen ist. Aber jetzt geht es los. Wir haben den Auftrag vergeben für den Themenpark, das Herzstück der Weltausstellung. Jeden Tag wird sichtbarer, was an der Expo 2000 faszinierend sein und die Menschen anziehen wird. Warum lassen wir uns von dem Versprechen nicht einfangen, daß Sie uns zum Staunen bringen werden? BREUEL: Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Jetzt kann man die Expo anfassen. Es gibt Futter für die Phantasie. Wir haben die ersten Modelle, die ersten Länder haben mit dem Bau ihrer Projekte begonnen. Für Fußballweltmeisterschaften sind alle Spiele ausverkauft, bevor man überhaupt weiß, wer spielen wird. SCHRÖDER: Eine Olympiade oder eine Weltmeisterschaft haben es einfacher, weil jeder weiß, daß und nach welchen Regeln dort Sport betrieben wird. Aber sogar vor den Sommerspielen 1972 in München gab es ein Gezerre um das Geld und die Finanzierung. Es ist normal, daß so ein Projekt erstmal auf Skepsis stößt. Aber wir wissen, wenn es erstmal soweit ist, klappt es. Nehmen Sie doch den Reichstag: Zuerst gab es Streit, ob man die Kuppel will oder nicht. Und jetzt gehen alle hin und staunen. So ist es eben, wenn man etwas wagt. Die Expo ist etwas anderes als alle anderen Weltausstellungen zuvor. Es ist eine Ausstellung zu einem klaren Gedanken. Die Expo wird die Gedanken der Welt zum Thema Mensch - Natur - Technik darstellen und die Zukunft. Das klingt ziemlich sperrig. SCHRÖDER: Sie können auch im Theater das Stück nicht vor der Premiere ansehen. BREUEL: Beim Thema Zukunft der Arbeit werden wir ein riesiges ovales Theater haben, das den ganzen Tag über bespielt wird. In den Wänden gibt es bis zu 40 Kabinette, wo Schauspieler live die Berufe der Zukunft und die Arbeitswelt der Zukunft darstellen. Es wird lebendig sein und die Menschen können handfeste praktische Tips mit nachhause nehmen. Sie werden sehen, wie das Büro des nächsten Jahrhunderts aussieht, wo die Berufe der Zukunft für junge Leute entstehen. Wenn man 40 Millionen Menschen begeistern will, so wie Sie das vorhaben, wäre es da nicht einfacher, den höchsten Turm der Welt zu bauen? BREUEL: Unser Thema ist Mensch - Natur - Technik. Nichts Utopisches, sondern etwas Handfestes. Wieso dürfen wir auf der Expo keine Utopien erfahren? BREUEL: Weil wir keine bunten Bilder an die Wand werfen wollen, die unverbindlich bleiben. Wir zeigen die Zukunft, nicht etwas, was nie Wirklichkeit wird. Es wird also anstrengend? SCHRÖDER: Man muß ja nicht alles ansehen, was die Expo bietet. Mancher wird sich nur einen Überblick verschaffen, mancher wird tiefer ins Detail gehen. BREUEL: Natürlich werden die Menschen auch eine Menge Spaß auf der Expo haben. Es ist die Mischung aus Spaß, Erholung und Vision für die Zukunft der Welt, die die Besucher bei uns und nur bei uns und nur für einen sehr beschränkten Zeitraum bekommen. Wir haben ein Besucherzentrum, in dem Besucher ihr eigenes Programm für den Tag zusammenstellen können und ihre persönliche Route durch das 160 Hektar große Expo-Gelände finden. Und sich dann alle in derselben Warteschlange vor der besonders tollen Attraktion wiederfinden? BREUEL: Wahrscheinlich wird es Warteschlangen geben. Aber Warteschlange ist nicht Warteschlange. Bei uns kann man sie als Pause erleben, sieht dabei Paraden, oder hört Livemusik. Sie wollen die Zukunft zeigen und bedienen sich dafür einer altertümlichen Weltausstellung mit Wartezeiten und Besucherkassen. SCHRÖDER: Es ist eine Illusion zu glauben, eine Informationsreise durch das Internet könnte den Besuch einer Weltausstellung ersetzen. Die Menschen wollen irgendwo hingehen, sie suchen das sinnliche Erlebnis, etwas anfassen, ansehen und tasten zu können, das Gemeinschaftsgefühl, andere Menschen dort zu treffen. Ausstellungen werden massenhaft besucht, tausende pilgern zum Reichstag. Das Internet ist etwas anderes. Das ist, als würde man Geschmackspillen statt einer echten Mahlzeit nehmen. BREUEL: Die Expo zeigt Dinge aus der ganzen Welt, die man sonst nicht so leicht zu sehen bekommt. Dafür lohnt sich der Weg nach Hannover. Da, wo sie modern sein wollen, geht es schief. Zum Beispiel beim Expo-Jingle, der 400 000 Mark gekostet hat und den niemand hören will. Die einen mögen Mozart, die anderen Henze oder Stockhausen. Die Expo will kreative und innovative Wege für das Leben im 21. Jahrhundert zeigen. Musik gehört dazu. Der Expo-Jingle ist ein solcher Versuch. Das dies nicht allen gefallen würde, war uns klar. Wir wollen ja auch die Diskussion und den Meinungsstreit. 400 000 Mark sind viel Geld für eine Diskussion. Der Jingle wird den Steuerzahler nicht nur nichts kosten, sondern bei professioneller Vermarktung sogar Geld einspielen. Es gibt aber noch keine Stimmung für die Expo, kein Gefühl, daß man an einem bestimmten Tag etwas ganz Bestimmtes nicht verpassen darf. Der Vorverkauf läuft sehr schleppend. BREUEL: Die Bekanntheit der Expo ist enorm. Die Erwartungen an die Einnahmen aus dem frühen Vorverkauf waren zu hoch. Aus allen Marktforschungen wissen wir, daß viele Leute erst unmittelbar vor dem Besuchstag ihre Karte kaufen. Gegen einen gewissen Aufschlag kann man sogar noch das Ticket am selben Tag kaufen. Wieso sagen Sie den Leuten nicht einfach, was sie erwartet? SCHRÖDER: Warum müssen wir das machen? Kommt die Konkretisierung schlichtweg zu spät, um uns alle für die Expo zu begeistern ? BREUEL: Nein, natürlich nicht. Was nutzt mir denn eine Begeisterung zwei Jahre vor dem Start. Nein, wir müssen dafür sorgen, daß die Menschen auf dem Höhepunkt begeistert sind, wenn es am 1. Juni 2000 losgeht. Bis dahin werden wir die Spannung langsam steigern. Wer entscheidet bei der Expo eigentlich, was Zukunft ist? SCHRÖDER: Wir können über die Konzeption der Expo berichten, aber nicht über die Zukunft. Das machen unsere Partner. Wir haben in Arbeitsgruppen getagt. Und die Dinge, die uns im nächsten Jahrtausend bewegen werden, liegen doch zum großen Teil schon auf dem Tisch. Zum Beispiel Bevölkerung: Die Menschen sind schon geboren, die in den kommenden Jahren aufwachsen und arbeiten werden. Da braucht man nicht zu rätseln. Wir werden Gebiete abstecken. Dann ist die Frage, wie wir sie inhaltlich füllen. Es gibt nun mal Optimisten und Pessimisten für die Welt. Ich finde, daß wir weder rosarot fröhlich malen, noch Weltuntergangsstimmung verbreiten. Aber, mit Verlaub, ist das nicht furchtbar langweilig? SCHRÖDER: Wir können Ihnen nicht die Musik des 22. Jahrhunderts bieten. Die kennen wir nicht - und wollen wir auch gar nicht wissen, wie sie ist. Zukunftsaufgaben unserer Zivilisation werden wir diskutieren, nicht Futurismus. Die Kunst des 22. Jahrhunderts vorherzusehen und zu zeigen, das können wir nicht. Aber die Extrapolation der gesellschaftlichen Probleme und wie man sie lösen könnte. Das ist die Voraussetzung dafür, daß wir uns auf das, was sich wahrscheinlich einstellt, vorbereiten. Das Vorstellen einer Utopie wäre doch ziemlich aufregend. SCHRÖDER: In einer Utopie haben die Träume freien Lauf. Denen hängt immer das Illusorische an. Eine Vision hat immer zumindest eine Chance, wenngleich auch sie keinesfalls sicher kommt. Wir wollen nur das zeigen, was sich realisieren läßt. Aber lockt das 40 Millionen Menschen nach Hannover ? BREUEL: Das haben alle unsere Marktforschungen ergeben. Wir erwarten um die 40 Millionen Tagesbesuche. Haben Sie Fehler gemacht? BREUEL: Vielleicht den, daß wir uns zu lange auf geschäftliche Daten haben reduzieren lassen. Und, daß wir zu lange an falschen Vorgaben wie beim Kartenvorverkauf und der sogenannten schwarzen Null, mit der die Expo-Gesellschaft ihr Budget abschließen sollte, festgehalten haben. Da hätten wir früher umsteuern müssen. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hat sie in der vergangenen Woche besucht, und die Nachricht nach diesem Treffen lautete, es gebe für die Expo nicht mehr Geld als bisher geplant. BREUEL: Die Botschaft war eine andere. Sie lautete, die Expo sei von den jüngsten Streichungen im Sparpaket nicht betroffen. Allerdings sei mehr Geld auch nicht drin. Aber wieso sagt Herr Müller nicht, die Expo sei eine tolle Sache. BREUEL: Doch genau das sagt er, und nicht nur er. Der Bundeskanzler hat es demonstrativ und überzeugend gerade erst auf dem Expogelände gesagt. Ich wünschte, alle Gesellschafter würden sich so öffentlich zur Expo bekennen. Ist es ein deutsches Problem, das das nicht zur Kenntnis genommen wird? SCHRÖDER: Das ist eben die Mentalität hierzulande. Da fällt es besonders schwer, die Menschen zu begeistern. Was bleibt nach der Expo 2000 in Hannover? BREUEL: Zahlreiche Gebäude werden sinnvoll nachgenutzt. Aber kein Eiffelturm. BREUEL: Uns geht es nicht um monumentale Bauwerke, sondern um praktische Beispiele für Wohnen, Arbeiten und Leben im 21. Jahrhundert. Diese Inhalte sind für Besucher attraktiv, weil sie ihr eigenes Leben dadurch verändern können. Was machen Sie nach der Expo, wenn Ihr Vertrag am 31. 12. 2000 abläuft? BREUEL: Dann kümmere ich mich endlich wieder um mein Privatleben.

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