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Wirtschaft: „Was ist besser – gesetzlich oder privat?“

Tagesspiegel-Telefonaktion: Wo versichere ich mich am besten? Zahlen die Kassen für Akupunktur? Wie schaue ich meinem Arzt auf die Finger?

Das deutsche Gesundheitssystem steht vor gravierenden Veränderungen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt will in diesem Jahr eine umfassende Reform auf den Weg bringen und hat bereits Eckpunkte vorgelegt. In Kürze sollen auch die Experten der RürupKommission ihre Vorschläge bekannt geben, wie man die Finanzierung der Krankenkassen ändern und die Kassenbeiträge senken kann. Viele Kassen haben zum Jahreswechsel ihre Beitragssätze noch einmal kräftig erhöht. Was kommt auf die Versicherten zu, und welche Krankenversicherung ist für mich die richtige – Fragen, die Tagesspiegel-Leser den Experten bei unserer jüngsten Telefonaktion stellen konnten. Am Telefon für Sie: Andreas Kniesche vom Verband der Angestellten-Krankenkassen, Karl-Heinz Knüfermann vom privaten Krankenversicherer Debeka, der Berliner Arzt Michael Misgeld und Peter Schütt von der Verbraucherzentrale Berlin.

Wird die Krankenkasse künftig kein Krankengeld für Arbeitnehmer mehr zahlen?

Dieser Vorschlag ist im Gespräch. Dahinter steckt die Idee, die Krankenkassen von Leistungen zu befreien, die nicht zur unmittelbaren Gesundheitsvorsorge gehören. Statt dessen sollen sich die Bürger entweder selbst absichern, oder Leistungen sollen nicht mehr über Kassenbeiträge, sondern über Steuern finanziert werden. Die privaten Krankenversicherer haben bereits angekündigt, Zusatzversicherungen für die Lohnfortzahlung anzubieten, wenn diese Leistung tatsächlich aus dem Katalog der gesetzlichen Kassen gestrichen wird. Für einen Übergangszeitraum soll es eine Aufnahme zu Sonderkonditionen geben, etwa mit einer deutlich vereinfachten Gesundheitsprüfung.

Für wen lohnt sich der Abschluss einer privaten Krankenversicherung?

Auf jeden Fall für Beamte und Beamtenanwärter. Denn bei Staatsdienern beteiligt sich der Staat an den Gesundheitskosten und zahlt Beihilfe. Je nach Familienstand liegt die Beihilfe zwischen 50 Prozent für kinderlose Beamte und 70 Prozent, wenn man zwei Kinder hat. Diese Beihilfe wird aber nur für privat Versicherte gezahlt, wer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, bekommt überhaupt keinen Zuschuss. Selbst die ansonsten übliche hälftige Aufteilung der Krankenkassenbeiträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer trifft auf Beamte nicht zu.

Ich habe Kinder. Bin ich in der gesetzlichen Krankenkasse nicht besser aufgehoben?

Wer privat versichert ist, muss für seine Kinder eine eigene private Krankenversicherung abschließen und bezahlen. In der gesetzlichen Krankenkasse sind die Kinder dagegen kostenlos mitversichert. Das ist natürlich ein Vorteil. Bevor man sich entscheidet, in die private Krankenversicherung einzutreten, sollte man sich daher Gedanken über seine persönliche Lebensplanung machen. Für Alleinverdiener mit Kindern dürfte die gesetzliche Krankenkasse günstiger sein.

Ich bin privat versichert. Muss ich damit rechnen, dass im Alter die Kosten für meine Krankenversicherung explodieren?

Seit dem Jahr 2000 müssen die privaten Versicherer 10 Prozent des Versicherungsbeitrags verwenden, um Altersrisiken zu bekämpfen. Allerdings ist damit nicht automatisch ausgeschlossen, dass die Beiträge später steigen. Wenn die Gesundheits- und Verwaltungskosten steigen, sind Prämienerhöhungen möglich.

Ich bin 40 Jahre alt. Ist es zu spät, um von der gesetzlichen in die private Versicherung zu wechseln?

Grundsätzlich gilt: Je früher Sie in die private Krankenkasse eintreten, desto größere Alterungsrückstellungen können Sie aufbauen. Diese sind wichtig, um spätere Kostensteigerungen abzufangen. Allerdings zahlen auch Versicherte, die erst mit 40 in die PKV eintreten, deutlich geringere Monatsbeiträge als gesetzlich Versicherte. Die privaten Krankenversicherer raten ihren Kunden, die monatliche Ersparnis nicht zu verprassen, sondern anzulegen, um damit spätere Prämienerhöhungen abzufedern.

Zum Jahresanfang ist die Versicherungspflichtgrenze erhöht worden. Ich bin privat krankenversichert, verdiene aber weniger als die 3825 Euro Bruttomonatsgehalt, die jetzt gelten. Muss ich die private Versicherung verlassen?

Nein. Wenn die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze der einzige Grund ist, warum sie die Kriterien für eine private Versicherung eigentlich nicht mehr erfüllen, können Sie sich von der Versicherungspflicht befreien lassen. Allerdings raten Verbraucherschützer von diesem Schritt energisch ab: Wer sich einmal hat befreien lassen, kann nicht mehr in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren. Ausnahmen bestehen nur für den Fall der Arbeitslosigkeit.

Ich möchte mich gern gegen Pocken impfen lassen. Bezahlt meine Krankenkasse das?

Nein. Impfungen gehören nicht zum gesetzlich vorgeschriebenen Leistungskatalog. Allerdings zahlen alle gesetzlichen Kassen die Impfungen, die von der Ständigen Impfkommission empfohlen werden. Reiseimpfungen werden dagegen nicht übernommen und auch Pockenschutzimpfungen nicht. Flächendeckende Pockenschutzimpfungen fallen unter die staatliche Daseinsvorsorge und werden von der öffentlichen Hand übernommen.

Zahlen die Kassen für Akupunktur?

Die gesetzlichen Kassen zahlen nur für medizinische Leistungen, deren Wirksamkeit erwiesen ist. Das wird bei der Akupunktur derzeit in zahlreichen Untersuchungen überprüft. Faktisch beteiligen sich fast alle Krankenkassen derzeit an entsprechenden Modellvorhaben, so dass die Versicherten recht gute Karten haben, die Kosten einer Akupunktur-Behandlung ersetzt zu bekommen. Allerdings sollten Sie sicherheitshalber bei Ihrer Krankenkasse nachfragen.

An wen kann ich mich wenden, wenn ich mit meinem Arzt unzufrieden bin?

Sollten Sie Ihrem Arzt Behandlungsfehler vorwerfen, ist die Ärztekammer der richtige Adressat. Wollen Sie sich gegen eine falsche Abrechnung wehren, können Sie sich an die Kassenärztliche Vereinigung wenden.

Werde ich künftig auch als gesetzlich Versicherte eine Quittung von meinem Arzt bekommen, anhand derer ich überprüfen kann, was meine Behandlung kostet?

Bundesgesundheitsministerin Schmidt will solche Patientenquittungen gern bundesweit einführen. Derzeit läuft ein Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz. Allerdings steht auf den Quittungen, die die Patienten dort bekommen, nicht, wie viel der Arzt für seine Leistungen verlangen kann, sondern nur, wann er was getan hat. Ob eine Angabe der Gebührenhöhe sinnvoll ist, ist umstritten. Die Verfechter einer solchen Lösung argumentieren, dass die Patienten nur dann auch ein Bewusstsein für die Kosten entwickeln können. Die Gegner warnen dagegen vor einem möglichen Anspruchsdenken. Die Versicherten könnten ihre Beitragszahlungen mit den von ihnen verursachten Ausgaben vergleichen. Wer mehr eingezahlt als gekostet hat, könnte versucht sein, extra hohe Kosten zu produzieren.

Fragen und Antworten wurden bearbeitet von Heike Jahberg.

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