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Logis: Wenn das Müsli zum Politikum wird

Geschäftsreisende müssen Frühstück selbst zahlen. Geschäftsreisenden bleibt seit Jahresbeginn daher nur, für Kaffee und Müsli selbst zu zahlen. Sollte der Arbeitgeber doch den vollen Betrag übernehmen, muss der Arbeitnehmer dies als geldwerten Vorteil versteuern. Oder hungern.

Berlin - Spätestens Ende Februar geht es los, glaubt Jan Hein Simons, Deutschlandchef der Hotelkette NH. „Noch sind es Einzelfälle“, sagt er. Doch wenn in den nächsten Wochen die Geschäftsreisenden ihre Reisekostenabrechnung für den Januar machen, wird das Theater um das Frühstück und die Mehrwertsteuer erst so richtig anfangen. Dann, wenn vielen Geschäftsleuten aufgeht, dass es um ihr Geld geht. Für diese Gruppe hatte die Entscheidung der Bundesregierung, die Mehrwertsteuer für Übernachtungen auf sieben Prozent zu senken, nämlich einen unangenehmen Nebeneffekt – ihr Frühstück wurde teurer.

Das hat folgenden Grund: Seit dem 1. Januar müssen alle Leistungen, die nicht zur Übernachtung zählen, extra ausgewiesen werden, weil für sie der normale Mehrwertsteuersatz anfällt. Früher wurden Übernachtung und Frühstück meist pauschal als „Logis“ auf der Quittung aufgeführt. Durch das neue Gesetz fiel nun auf, dass für das Frühstück fast überall mehr verlangt wird als die 4,80 Euro, die Arbeitgeber dafür pauschal erstatten.

Geschäftsreisenden bleibt seit Jahresbeginn daher nur, für Kaffee und Müsli selbst zu zahlen. Sollte der Arbeitgeber doch den vollen Betrag übernehmen, muss der Arbeitnehmer dies als geldwerten Vorteil versteuern. Oder hungern.

Anscheinend tun nun genau das immer mehr Gäste. Die Hotelkette Maritim hat bereits festgestellt, was die Kollegen von NH erst befürchten. „Seit die Mehrwertsteuer für das Frühstück extra ausgewiesen werden muss, nehmen Geschäftsreisende das Angebot weniger in Anspruch“, berichtet eine Sprecherin.

Was Geschäftsreisende ärgert, ist für die Hotels ein Problem. Schließlich haben sie am Frühstück verdient – bei NH nutzten 83 Prozent der Kunden das Morgenbuffet. Die Quote ist jedoch rückläufig. Während NH noch eine Lösung für das Problem sucht, wagte die Maritim-Kette die Flucht nach vorn. Als Alternative zum Buffet bietet sie ab sofort ein „Continental Breakfast“ für 9,60 Euro.

Der Wirtschaft reicht das nicht. Die großen Verbände beklagten sich kürzlich per Brief beim Bundesfinanzministerium. Von „unvertretbaren Folgen für betroffene Arbeitnehmer“ schreiben sie und von einer „massiven Verkomplizierung zu Lasten von Arbeitgebern“. Es müsse dringend eine Lösung her, „die diese massive Verkomplizierung rückgängig macht“, mosert BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf.

Das Gesetz abschaffen will das Bundesfinanzministerium nicht. Man rede aber gerade mit den Ländern, um eine einheitliche Regelung zu finden, sagt ein Sprecher. Das Problem sei erkannt.

Die Gesprächsrunden beschäftigen sich aber nicht nur mit dem Vorschlag der Wirtschaft, eine Geschäftsreisen-Pauschale einzuführen, die neben Frühstück auch Internetgebühren und dergleichen abdeckt. Sondern auch mit der Frage, ob Bordelle wie das Berliner Artemis ebenfalls Anspruch auf die Mehrwertsteuersenkung haben. Die Betreiber haben den Mietpreis für ein Zimmer nicht verändert – und verbuchen die Differenz zur alten Mehrwertsteuer nun als schönen Gewinn. „Bis wir vom Finanzamt hören, dass das nicht geht, machen wir damit erst mal weiter“, sagt eine Sprecherin.

Viele Hotels machen das nicht anders. Laut den Statistischen Landesämtern sind die Preise für Übernachtungen seit Beginn des Jahres nicht gesunken. Im Gegenteil – in vielen Ländern stiegen sie sogar: in Hessen um vier, in Bayern um 2,4 und in Brandenburg um zwei Prozent.

Die FDP, auf deren Betreiben das Gesetz zustande gekommen ist, verteidigt ihr Werk. „Die Absenkung der Mehrwertsteuer für das Beherbergungsgewerbe war ein unbedingt notwendiger Schritt, um vor allem die kleinen Betriebe wettbewerbsfähig zu halten“, sagt der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Horst Meierhofer. Für die Unternehmen, die jetzt über die Probleme bei Dienstreisen klagen, hat er wenig Verständnis – aber eine Lösung parat. „Die Unternehmen sollten ihre eigene Marktmacht gegenüber den Hotels nicht unterschätzen“, sagt er. Also sollten sie verhandeln. „Dabei kann es zu reduzierten Preisen für die Übernachtungen und auch zu pragmatischen Lösungen beim dazugehörigen Frühstück kommen.“ Das heißt: erst feilschen, dann futtern. Moritz Honert

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