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Rollenwechsel. Wer aus dem eigenen Team heraus aufsteigt, muss sich seiner neuen Aufgabe bewusst sein – und delegieren können.

© Viorel Sima - Fotolia

Führungskompetenz: Wenn einer der Chef wird

Gestern Kollege, heute Vorgesetzter: Das erfordert Führungskompetenz. Welche Stolperfallen drohen – und wie man sie umgeht.

Die Arbeit kann beginnen. Der neue Chef ist gespannt auf die ersten Tage und Wochen im neuen Job und freut sich darauf, endlich seine Visionen umsetzen zu können. Raus aus dem alten Muff, eine flottere Begrüßungsformel am Telefon ist längst nötig. Die Schreibtische stehen nicht optimal. Und auch die Zusammenarbeit unter den Kollegen ist verbesserungswürdig. Das alles mag berechtigt sein. Aber Achtung. Übermotivation ist ein Fallstrick für eine neue Führungskraft.

„In der ersten Woche sollte ein neuer Chef nicht gleich die Abläufe umgestalten. Dann ist vor allem eines wesentlich: Fragen und Zuhören“, sagt Führungskräfte-Coach Eva Hönnecke aus Berlin.

Die Mitarbeiter beteiligen

Sie rät: „Bevor Sie Entscheidungen treffen, bitten Sie Ihre Mitarbeiter zu einem Treffen. Erklären Sie, was sie mit den Änderungen bezwecken und bitten Sie um Anregungen, wie das Ziel erreicht werden könnte.“ So vermeidet man, die Mitarbeiter zu Schachfiguren zu degradieren.

Überhaupt sei Kommunikation von zentraler Bedeutung. Hönnecke empfiehlt: „Vereinbaren Sie innerhalb der ersten Woche Einzelgespräche mit allen Mitarbeitern.“ So kann man die Erwartungen an die Zusammenarbeit klären. Für jedes Gespräch sollte man sich mindestens 30 Minuten Zeit nehmen, so ihre Empfehlung. Sinnvoll sind Fragen wie: Was kann ich tun, damit Sie Ihre Aufgabe noch besser erledigen können? Ist Ihr Arbeitsplatz optimal ausgestattet? Welche beruflichen Perspektiven sehen Sie für sich? Was erwarten Sie von mir als Chef?

Die neue Position realisieren

Wichtig ist am ersten Tag: Auch wenn Sie alle Mitarbeiter in ihrem Team bereits kennen und alle über Ihre Beförderung informiert sind. Sorgen Sie außerdem dafür, dass Sie von Ihrem Vorgesetzten offiziell als neuer Chef vorgestellt werden. „Das macht den Rollentausch vom Kollegen zum Vorgesetzten noch einmal deutlicher“, sagt Hönnecke.

Ein weiterer Fallstrick ist die Kumpanei, also zum Beispiel den ehemaligen Kollegen zu versprechen, dass man künftig die Interessen der Gruppe, etwa bezüglich der Spesen, wesentlich nachdrücklicher nach oben hin vertreten wird. Das lässt sich oft nicht umsetzen – und dämpft dann die Motivation der Ex-Kollegen.

Zudem sollte man nicht zu sehr auf Harmonie aus sein und etwa delegierte Aufgaben doch selber erledigen, wenn Mitarbeiter versuchen, sie abzuschieben. „Es ist wichtig, loslassen zu können. Wenn Sie Führungskraft werden, müssen Sie einen Teil Ihrer bisherigen operativen Aufgaben abgeben. Denken Sie nicht ‚Das kann ich den Kollegen nicht zumuten' und versuchen Sie nicht, Ihr bisheriges Pensum weiter selber zu schaffen. Seien Sie sich Ihrer neuen Rolle bewusst“, betont Hönnecke.

„Bleiben Sie konsequent bei Ihrer Forderung nach Leistung“, rät auch die Trainerin für Führungskräfte, Dagmar Kohlmann-Scheerer, aus Aschheim bei München. „Nichts ist schlimmer als ein Vorgesetzter, der das lähmende Bedürfnis hat, von allen geliebt zu werden.“

Wie man erfolgreich führt

Wie kann man als Chef dazu beitragen, dass die Mitarbeiter nicht „Dienst nach Vorschrift“ machen? Motivation ist nicht käuflich, wie eine Studie der Online-Jobbörse Stepstone zeigt. Andere Faktoren spornen viel stärker an als eine Gehaltserhöhung. Ein starker Antrieb ist etwa ein Vorgesetzter, der seine Mitarbeiter fördert und fair behandelt. „Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter am Führungsprozess, indem Sie Ziele, aber nicht die Wege vorgeben. Formulieren Sie die Ziele positiv und konkret“, sagt Kohlmann-Scheerer. Das ist konstruktiver. Anschließend sei es wichtig, den Mitarbeitern nicht ständig zu sagen, was sie als Nächstes tun sollen. „Lassen Sie Ihnen Spielraum, wie sie diese Ziele erreichen“, rät Kohlmann-Scheerer.

Konflikte lösen

Auch der Umgang mit Konflikten gehört zu den Führungsaufgaben. „Womöglich gibt es im Team Mitarbeiter, die sich Chancen ausgerechnet hatten, Ihre Stelle zu bekommen und nun gekränkt sind oder aus anderen Gründen nicht mit Ihnen an einem Strang ziehen“, schildert Kohlmann-Scheerer einen typischen Konflikt. Wie kann man darauf reagieren?

Die Lösung besteht darin, im ersten Schritt auf der Meta-Ebene zu kommunizieren und sich darüber zu unterhalten, wie man miteinander redet: „Herr D., ich habe das Gefühl, dass unser Verhältnis nicht gerade das beste ist. Wie sehen Sie das?“ Es geht also darum, die Sichtweise des anderen kennenzulernen. Der nächste Schritt ist lösungsorientiert. Man könnte etwa sagen: „Was können wir tun, um unser Verhältnis zu verbessern?“, schildert die Trainerin den Weg zur produktiven Zusammenarbeit.

Klar kommunizieren

„Führungsarbeit ist zu 90 Prozent Kommunikation“, sagt Florian Koch. Der Berliner Coach hat viele Jahre Führungserfahrung in Agenturen und Konzernen gesammelt. Heute bietet er Trainings mit Pferden an, die auf die Übernahme von Chefaufgaben vorbereiten sollen. „Pferde reagieren vor allem auf Signale, die wir unbewusst aussenden. Bei dem Training lernt man viel über sich – und kann beruflich davon profitieren“, sagt er.

Das Training hat etwa Folgendes gezeigt: Wenn die Pferde dazu gebracht werden sollen, einen Parcours zu durchschreiten, sind kräftige Männer und zierliche Frauen gleich erfolgreich. Eine imposante Statur oder eine laute Stimme sind also nicht wichtig, um von dem Tier als Führungsperson anerkannt zu werden. „Man muss sich auf sein Gegenüber konzentrieren, aber dabei authentisch sein“, sagt Koch. Es bringe nichts, einem Führungsleitbild nachzueifern – zum Beispiel zu versuchen, als „harter Typ“ rüberzukommen – das einem selbst nicht entspricht.

Das Training macht Teilnehmern klar, dass sie sich auf das Gegenüber wirklich konzentrieren müssen, wenn sie erreichen wollen, dass es so handelt, wie es soll. Das gilt für den Trainingspartner Pferd genauso wie für den Mitarbeiter. Dieser wird zu Höchstleistungen eher motiviert, wenn er von seinem Vorgesetzten ehrliches Interesse an seiner Person und seinen Ideen spürt.

Annette Leyssner

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