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Wirtschaft: Werbung für Lebensmittel soll ehrlicher werden

Verbraucherministerin Renate Künast unterstützt den EU-Entwurf, die Industrie befürchtet dagegen einen Kostenschub

Berlin (anw). „Fruchtzwerge: so wertvoll wie ein kleines Steak“ – Werbesprüche wie dieser könnten bald der Vergangenheit angehören. Denn die EU will Werbung für Lebensmittel stärker reglementieren. Dies hat die Kommission am Mittwoch auf Vorschlag von Verbraucherkommissar David Byrne beschlossen. Demnach dürfen Hersteller die gesundheitsfördernde Wirkung ihrer Produkte nur erwähnen, wenn sie wissenschaftlich belegt ist. Ziel der geplanten Verordnung ist es, die Verbraucher vor irreführender Werbung zu schützen. Eine endgültige Entscheidung fällen der EUMinisterrat und das EU-Parlament.

Bundesverbraucherministerin Renate Künast begrüßte die Byrne-Initiative. „Die Verbraucher erwarten zu Recht klare und wahre Angaben bei Lebensmitteln“, erklärte die Ministerin dem Tagesspiegel. Allerdings müsse zu viel Bürokratie vermieden werden. „Ich will mehr Klarheit und Wahrheit, ich will aber keine Werbeklassiker verbieten, die längst zu Ohrwürmern geworden sind.“

Dem Entwurf der Kommission zufolge sollen nicht nachprüfbare Werbesprüche wie „Hilft gegen Stress“, „Erhält die Jugend“ oder „Verbessert das Erinnerungsvermögen“ verboten werden. Auch Versprechen über konkrete Gewichtsabnahmen bei Diätprodukten wären untersagt. Andere Aussagen wie „Vermindert das Risiko von Herzkrankheiten“ sollen nur noch erlaubt sein, wenn sie durch unabhängige klinische Studien vor der Markteinführung überprüft wurden. Eine endgültige Auswertung nimmt dann das neue europäische Lebensmittelamt vor.

Allgemein unumstrittene Sätze dürfen in der Werbung hingegen verwendet werden. Dazu könnten Angaben zählen wie „Kalzium stärkt die Knochen“ oder „Frisches Obst ist gesund“. Eine genaue Liste der erlaubten Wendungen will die Kommission aber erst innerhalb von drei Jahren nach In-Kraft-Treten der neuen Werberegeln erarbeiten.

Für die Nährwertangaben auf Etiketten sind ebenfalls strengere Vorschriften vorgesehen. Die Verordnung der EU sieht vor, dass nur noch Produkte als „fettarm“ bezeichnet werden dürfen, die aus weniger als drei Gramm Fett je 100 Gramm bestehen. Als „kalorienarm“ soll nur noch gelten, was weniger als 40 Kilokalorien je 100 Gramm enthält. „Light“ dürfen sich nur noch Produkte nennen, bei denen einzelne Inhaltsstoffe um mindestens 30 Prozent im Vergleich zu ähnlichen Produkten reduziert sind. Der Begriff „natürliche Vitamine“ ist künftig reserviert für Produkte, die mindestens 15 Prozent der empfohlenen Tagesdosis je 100 Gramm enthalten.

In der deutschen Lebensmittelindustrie stößt der EU-Entwurf auf heftige Kritik. „Die meisten Hersteller müssten sich für ihr Produkt einen neuen Werbeslogan einfallen lassen“, schätzt Angelika Mrohs, Geschäftsführerin des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Über die Hälfte der in Deutschland beworbenen Nahrungsmittel sei davon betroffen. Die „enormen“ Kosten für neue Slogans müssten die Produzenten an die Kunden weitergeben. „Die Produkte werden damit zwangsläufig teurer“, sagte Mrohs dem Tagesspiegel. Dies gelte beispielsweise für Kaffee, der mit seiner Bekömmlichkeit wirbt, oder für Joghurt-Sorten, die als besonders gesund vermarktet werden.

Verbraucherschützer hingegen begrüßen die neue Werbeverordnung. Schließlich hätten viele Produkte statt der „Extra Portion Milch“ ehrlicherweise den Slogan „Mit der extra Portion Zucker“ verdient, sagte Edda Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Sie äußerte die Hoffnung, dass der Konsum süßer und fettreicher Nahrungsmittel bei Kindern dank der neuen Werberegeln zurückgehen werde.

Ob der Byrne-Entwurf umgesetzt wird, hängt nun am EU-Ministerrat, in dem die zuständigen Ressortchefs der Mitgliedsstaaten sitzen, und am EU-Parlament. Während die Zustimmung des verbraucherfreundlichen Parlaments als wahrscheinlich gilt, dürfte der Vorschlag im Ministerrat nach Angaben von Beobachtern auf Widerstand stoßen. Die EU-Kommission zeigt sich dennoch optimistisch. Sie geht davon aus, dass die neuen Regeln bis 2005 schrittweise in Kraft treten.

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