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Wirtschaft: Wettrennen um die Sofa-Surfer

Die neuen Tablet-PCs bringen die Hierarchie in der Branche durcheinander

Berlin - Sie werden flacher, schneller, besser – und es werden immer mehr. Weil inzwischen eine Vielzahl von Herstellern eigene Tablet-PCs auf den Markt bringt, sinkt auch der Preis. Tablets sind die neue Generation tragbarer Computer mit berührungsempfindlichem Bildschirm, die zwischen Handy und Laptop angesiedelt sind. Apple hat im vergangenen Jahr den Markt mit seinem iPad erschlossen. Längst hat die Aufholjagd begonnen. „Als Apple das erste iPhone herausbrachte, vergingen etwa eineinhalb Jahre, bis es ernsthafte Konkurrenz bekam“, sagt Nikolaus Mohr, Geschäftsführer bei der Beratungsfirma Accenture. „Beim iPad hat es nur ein halbes Jahr gedauert.“ Auf dem Mobile World Congress in Barcelona stellten Samsung, HP, HTC und andere Hersteller gerade eine ganze Palette der flachen mobilen Rechner vor. „Auch auf der Cebit werden mobiles Internet und Tablets Topthemen sein“, sagt Mohr.

Tablets sind eine neue Geräteklasse, die den Markt verändert. „Sie werden anders genutzt als ein Laptop oder PC, die vor allem zum Arbeiten da sind“, sagt Axel Freyberg, IT-Experte von A. T. Kearney. „Mit dem Tablet surft man auf dem Sofa.“ Doch während Microsoft mit seinem Betriebssystem Windows den Markt für Bürorechner unangefochten dominiert, werden die Positionen bei Tablets neu verteilt. Hier dominieren die Anbieter von Betriebssystemen, die ursprünglich von der Seite der Smartphones herkommen, also den internetfähigen Mobiltelefonen. Da läuft Microsoft unter ferner liefen und hat sich daher gerade mit Nokia verbündet. Nokia ist immer noch der weltgrößte Handy- und Smartphonehersteller. Allerdings schrumpfen Nokias Marktanteile und das eigene Betriebsystem Symbian spricht immer weniger Kunden an. Gewonnen haben dagegen Apple und zuletzt Google. Das gilt sowohl für Smartphones als auch Tablets. „Apple hatte als Innovationsführer einen erheblichen Vorsprung“, sagt Mohr von Accenture. „Doch immer mehr Hersteller aus Asien entscheiden sich für das Betriebssystem Android von Google – und sie bedienen die Masse.“

Der Vorteil von Android: Es ist ein offenes System, jeder Hersteller kann es kostenfrei in seine Geräte einbauen und weltweit arbeiten Entwickler an immer neuen Anwendungen. Mit den kleinen Programmen (kurz: Apps), die man aus dem Netz herunterladen kann, lässt sich das Smartphone individuell gestalten. Einige 100 000 Apps gibt es im Android-Market bereits. Nur bei Apple gibt es mehr. „Ich denke, das wird sich schnell angleichen“, sagt Freyberg von A. T. Kearney. Im Gegensatz zu Android bietet Apple den Nutzern ein geschlossenes System. Der Vorteil: Geräte, Betriebssystem und Programme sind ideal aufeinander abgestimmt. Zwar können auch hier Entwickler eigene Apps anbieten. Aber Apple sagt, welche Programme in den eigenen App-Store kommen und welche nicht – und kassiert überdies 30 Prozent der Umsätze. „Als Innovationsführer konnte sich Apple das leisten“, sagt Freyberg. Bei Smartphones hat Android Apple bereits überholt.

Noch gibt es neben Nokia, Google, Apple und Microsoft weitere Anbieter mit eigenen Betriebssystemen wie etwa den Blackberry-Hersteller RIM oder HP. „Im Moment verträgt der Markt fünf bis sechs verschiedene Plattformen, denn er wächst rasant“, sagt Mohr. „Doch wenn die Dominanz einzelner Spieler zu groß wird, geraten die anderen ins Hintertreffen.“ Das sei auch der Grund, warum es höchste Zeit für die Allianz von Nokia und Microsoft gewesen sei. „Ich sehe nicht, dass das Rennen schon entschieden ist“, sagt Mohr.

Auch Freyberg hält etwa Microsoft keinesfalls für bereits geschlagen: „Microsoft hat immer eine Chance“, sagt er. „Dafür sorgen allein die vielen Geschäftskunden, die künftig auch verstärkt Tablets nutzen werden und bereits die Bürosoftware von Microsoft verwenden.“ Wenn der Markt allerdings gereift ist, werden nach Meinung der Experten nur zwei bis drei Systeme überleben. Für mehr ist dann kein Platz.

Dirk Kraus, Chef der Berliner Yoc AG, europäischer Marktführer für mobiles Marketing und mobile Vermarktung, sieht den Kampf der Betriebssysteme gelassen. Er glaubt, dass die Bedeutung von Apps schwinden wird und immer mehr Programme dann einfach wieder direkt im Netz genutzt werden. „Wir haben eine App entwickelt, die plattformübergreifend optimierte Inhalte ausliefert, egal mit welchem Endgerät ein Nutzer darauf zugreift“, sagt Kraus. „Ich glaube nicht an geschlossene Systeme, das Internet ist offen.“ So sieht Google das auch. Sogar Apple hat schon klein beigegeben und vergangene Woche die eine App von Yoc, die alle anderen Apps überflüssig machen soll, im App-Store zugelassen.

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