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Wirtschaft: Wie finanziert man Opernhäuser?: Oper fasziniert - gerade weil sie unbezahlbar ist

Vom Berliner Kultursenator, der angetreten ist, die drei Opernhäuser der Stadt zu reformieren, bis zu den Intendanten der großen Deutschen Musiktheaterbühnen, die ihm in der nächsten Woche bei einer Überarbeitung seines Konzepts helfen wollen, wissen es im Grunde alle: Gelohnt hat sich Oper nie. Vierhundert Jahre Musiktheater sind nicht nur die Geschichte triumphaler Uraufführungen und bejubelter Primadonnen, sondern ebenso eine Chronik von Pleiten, Schließungen und kontinuierlichen Reformversuchen einer Kulturinstitution, die nie zu retten war.

Vom Berliner Kultursenator, der angetreten ist, die drei Opernhäuser der Stadt zu reformieren, bis zu den Intendanten der großen Deutschen Musiktheaterbühnen, die ihm in der nächsten Woche bei einer Überarbeitung seines Konzepts helfen wollen, wissen es im Grunde alle: Gelohnt hat sich Oper nie. Vierhundert Jahre Musiktheater sind nicht nur die Geschichte triumphaler Uraufführungen und bejubelter Primadonnen, sondern ebenso eine Chronik von Pleiten, Schließungen und kontinuierlichen Reformversuchen einer Kulturinstitution, die nie zu retten war. Oper fasziniert, gerade weil sie unbezahlbar ist, als Verschwendungsventil, das die bürgerliche Gesellschaft aus Feudalzeiten hinübergerettet hat.

Weit mehr als das nüchtern-intellektuelle Sprechtheater drängt die Leidenschaftsangelegenheit Oper zur Grenzkalkulation: Die bestmöglichen Sänger müssen es sein, nur die prächtigsten Kulissen taugen für dreieinhalb Stunden Kollektivluxus. Daran hat sich, allen Umbrüchen der Bühnenästhetik zum Trotz, bis heute nichts geändert: Peter Greenaways bestaunte Inszenierung von Darius Milhauds "Christophe Colomb" an der Berliner Staatsoper ist genauso ökonomisch unsinnig wie es die Opernspektakel waren, die der Italo-Franzose Jean-Baptiste Lully einst für den Sonnenkönig ersann, und der magische "Tristan"-Akkord Richard Wagners setzt noch immer die Finanzdisziplin der Regierenden außer Kraft: Das Erlebnis des "Tristan" hypnotisierte schon den Bayernkönig Ludwig II. und brachte noch in der letzten Woche nach einer Staatsopern-Vorstellung Angela Merkel dazu, sich für die Staatskapelle und ihren Chef Daniel Barenboim einzusetzen. Nur an die unter ihrer Steuerlast stöhnenden Untertanen des Sonnenkönigs oder an die zahllosen Protestnoten der bayerischen Staatsräte angesichts des Wagner-Wahns ihres Souveräns denkt heute keiner mehr - geblieben sind der Ruhm und die Werke - als manifeste Aufforderung an die Nachwelt, das Treiben fortzusetzen. Die vierhundert Jahre Operngeschichte werfen freilich auch anderes Licht auf die gegenwärtige Diskussion um die Reform. Denn der opernimmanente Hang zum Bühnenleben über die eigenen Verhältnisse hat auch dazu geführt, dass fortwährend versucht wurde, die Verschwendung in kontrollierbaren Grenzen zu halten und dass zwischen den Extremen Privattheater und Staatstheater alle Rechtskonstruktionen und Mischfinanzierungen bereits einmal ausgetestet wurden. Wobei das vermutlich erfolgreichste Finanzierungsmodell aus ethischen Gründen ausscheiden dürfte: Im Neapel des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, immerhin der größten Opernmetropole des Kontinents, wurde das Problem einfach dadurch gelöst, dass dem privaten Pächter der Opernhäuser zugleich auch das Spielbank-Monopol übertragen wurde - dass jedoch im Anschluss an einen "Parsifal" oder einen "Wozzeck" im Opernfoyer die Roulettechips klimpern, wollen heute wohl weder Intendanten noch Publikum. Aus Pietätsgründen wurde dieses Modell ohnehin irgendwann fallen gelassen und durch die Direktsubventionen ersetzt.

Schaut man sich allerdings die Zustände an der Pariser Opéra im 19. Jahrhundert an, stellt man fest, dass das Unternehmen Oper auch unter privater Führung chronisch Defizit-gefährdet war. Der Subventionsanteil am Gesamtbudget der Opéra erreichte schon damals zeitweise 70 Prozent. Auf Dauer scheiterten allerdings die meisten Privat-Direktoren - auch, weil jeder kurzfristige finanzielle Erfolg prompt mit einer Subventionskürzung bestraft wurde. Die Wirtschaftsgeschichte der Oper im 19.Jahrhundert ist vor allem eine der allmählichen Übernahme der Musiktheater durch die öffentliche Hand. Nachdem sich auch das Modell einer Quasi-Aktiengesellschaft der Logenbesitzer, das am Anfang des bürgerlichen Stadttheaters gestanden hatte, als unstabil erwiesen hatte, gingen immer mehr Theater in die kommunale oder staatliche Direktverwaltung über, ein Prozess, der durch die Umwandlung der Hof- in Staatstheater noch verstärkt wurde.

Die Verstaatlichung hatte jedoch nicht nur finanzielle Gründe: Im Verlauf des 19. Jahrhunderts war die Oper, nicht zuletzt durch die Schuld Richard Wagners, zusehends zur quasi-religiösen Kulthandlung geworden und erfüllt seitdem eine Funktion, die weit über das bloße Gesellschaftsvergnügen hinausgeht. Die öffentliche Hand, allen voran das Land Berlin mit seinen drei Opernhäusern, sieht sich damit in einer Situation, die der der Landeskirchen ähnelt: Auch Gottesdienste lassen sich in ihrem Wert nicht monetär messen, allein mit den Erträgen der Klingelbeutel aber auch nicht finanzieren. Trotzdem besteht gesellschaftlicher Konsens darüber, beide Angebote aufrechtzuerhalten.

Freilich käme noch niemand auf die Idee, nach Mäzenen oder Sponsoren für die Finanzierung von Gottesdiensten zu rufen. Doch auch für die Oper kann ein solches Auftreten einzelner Gönner keine staatliche Alimentierung ersetzen. Noch weit weniger als im 19. Jahrhundert, da sich die Kosten der Institution längst von isolierten Primadonnengagen und vergoldeten Flügelhelmen auf den umfangreichen Personalapparat verlagert haben. Ein Pleitegehen überschuldeter Opernunternehmen, das zu Zeiten der Privatdirektionen regelmäßig die Defizite auflöste, ist heute allein aus sozialpolitischen Gründen nicht mehr möglich.

Bei seinem Versuch einer Opernreform bräuchte Berlins Kultursenator Christoph Stölzl, immerhin einst Direktor des Deutschen Historischen Museums, mithin nur einmal in die Operngeschichte zu schauen, um festzustellen, dass sein Unternehmen nahezu aussichtslos ist und das Defizite ebenso zur Oper gehören, wie der Rausch das Übermaß bedingt.

Allerdings sagt die Erfahrung auch noch ein Zweites, Tröstlicheres: Immer, wenn tatsächlich einmal ein Opernhaus den Spardebatten zum Opfer fiel, stellten die Menschen hinterher fest, dass ihr Leben ein Stück ärmer geworden war. Und machten schnell eine neue Oper auf.

Jörg Königsdorf

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