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Wirtschaft: Wie hoch sind die Abgaben wirklich?

Was man über Unternehmensteuern wissen muss

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Was will die Regierung mit der Reform der Unternehmensteuern erreichen?

Die Ziele stehen im Koalitionsvertrag: Die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen soll verbessert werden, gleichzeitig aber sollen auch die Gestaltungsspielräume der Unternehmen bei der Errechnung ihrer Steuerlast eingeschränkt werden.

Welche Steuern zahlen Unternehmen eigentlich?

Das hängt von der Rechtsform ab. Kapitalgesellschaften – also Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung – zahlen Körperschaftsteuer, Personengesellschaften Einkommensteuer. Für beide werden zudem Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag fällig. Die Höhe der Gewerbesteuer variiert, weil sie im Ermessen von Städten und Gemeinden liegt. Der Körperschaftsteuersatz beträgt pauschal 25 Prozent. Zusammen mit Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag kommen Kapitalgesellschaften damit im Schnitt auf einen Satz von 38,7 Prozent. Da Personengesellschaften ihre Gewerbesteuerzahlungen mit der Einkommensteuer verrechnen können, bemisst sich ihr Steuersatz letztlich nur an der Einkommensteuer plus Solidaritätszuschlag – je nach Höhe des Einkommens zwischen 16,4 und 44,3 Prozent.

Wie viel Steuern zahlen die Unternehmen?

93,4 Milliarden Euro, so viel wie noch nie, werden die Firmen in diesem Jahr an Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und anteiligem Solidaritätszuschlag an den Fiskus abführen, prognostiziert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Doch die Zahlen basieren nur auf Schätzungen. Die aktuellste Lohnsteuerstatistik stammt aus dem Jahre 2001, die neuesten Einkommensteuerzahlen sind gar von 1998.

Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?

Mit 38,7 Prozent ist der Steuersatz für deutsche Kapitalgesellschaften so hoch wie nirgendwo sonst in der Europäischen Union (siehe Grafik links). Im Schnitt aller 25 EU-Mitgliedsländer liegt der Steuersatz bei 25,9 Prozent. Außerhalb Europas aber gibt es durchaus höhere tarifliche Belastungen.

Wie haben sich die Steuersätze in den letzten Jahren in Europa entwickelt?

In den meisten Ländern der Europäischen Union sind die Sätze in den letzten Jahren gesunken. Im Schnitt aller 25 EU-Länder nahmen die Steuersätze von 1995 bis heute um 9,2 Prozentpunkte auf 25,9 Prozent ab.

Wie weit werden die Steuersätze noch sinken?

Manche befürchten, dass der weltweite Standortwettbewerb zum so genannten Race-to-the-bottom führt, dass also die Unternehmensteuersätze immer weiter sinken. Doch dazu wird es vermutlich nicht kommen, sagen die meisten Ökonomen. Denn den Steuern, die Unternehmen an den Staat bezahlen, stehen auch Leistungen gegenüber. Der Staat baut Straßen, sorgt für Rechtssicherheit, bildet junge Menschen aus. Je weniger Steuern, desto geringer auch jene Staatsaktivitäten, von denen letztendlich auch die Unternehmen profitieren.

Die Steuersätze sind in Deutschland hoch, aber zahlen die Firmen hierzulande wirklich mehr als anderswo?

Das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hat die tatsächlichen Steuersätze von Kapitalgesellschaften berechnet, und zwar für alle Länder der Europäischen Union. Dafür wurde eine Modellinvestition angenommen. Neben den jeweiligen Steuertarifen wurden auch die wichtigsten Vorschriften der Länder zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage berücksichtigt, zum Beispiel die Abschreibungsvorschriften. Ergebnis: Auch bei der so genannten effektiven Durchschnittssteuerbelastung liegt Deutschland mit 36,8 Prozent am höchsten. Doch die ZEW-Studie hat Nachteile. Die Untersuchung basiert auf theoretischen Überlegungen, tatsächlich gezahlte Steuern wurden nicht berücksichtigt. „Im ZEW-Modell besteht keine Möglichkeit, die Steuerlast kleinzurechnen“, sagt Achim Truger von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Genau das geschehe aber in der Praxis ständig. Das Problem: Tatsächliche Zahlen sind Mangelware.

Warum fehlt es an aussagekräftigen Statistiken?

Das hat drei Gründe. Erstens: Steuern werden häufig erst mit zeitlicher Verzögerung gezahlt. Deswegen sind Statistiken über tatsächliche Steuerzahlungen häufig veraltet. Zweitens: Personengesellschaften zahlen bekanntlich Einkommensteuer. Die Aufsplittung der Einkommensteuer in jenen Teil, den Unternehmen bezahlen, und jenen, der von Privaten stammt, ist komplex. Drittens: Idealerweise müssten den Gewinnen der Unternehmen die darauf gezahlten Steuern gegenübergestellt werden. Das Problem: Es gibt für international operierende Unternehmen keine Publikationspflicht, sie müssen in ihren Bilanzen nicht ausweisen, in welchem Land die Gewinne angefallen sind und wo sie die Steuern bezahlen. Ein Blick in die Geschäftsberichte hilft also meist auch nicht weiter.

Gibt es also überhaupt keine verlässliche Statistik?

Die Europäische Kommission berechnet jedes Jahr den so genannten „impliziten Steuersatz auf Kapital“. Der aktuellste Wert stammt aus dem Jahr 2004 und weist für Deutschland einen Steuersatz von 21,7 Prozent auf. Es ist der drittniedrigste Wert innerhalb der EU. Den höchsten hat Dänemark mit 43,8 Prozent. Doch auch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, weil nicht zwischen Unternehmenseinkommen und privaten Kapitaleinkommen unterschieden wird. Es gehen also auch sämtliche Steuern auf private Kapitaleinkünfte und Vermögen ein. „Wesentlichen Anteil am sehr niedrigen Wert für Deutschland dürfte daher vor allem die notorische Ineffektivität der deutschen Kapitaleinkommenbesteuerung im Bereich der privaten Haushalte sein“, meint der Ökonom Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler- Stiftung.

Johannes Eber

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