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Wirtschaft: Wien attackiert die Etat-Sünder in der EU

Finanzminister Grasser fordert von Währungskommissar Solbes einen strengen Kurs gegen Berlin und Paris

Berlin (fw). Die kleinen Länder der Eurozone wollen die laxe Finanzpolitik von Deutschland und Frankreich nicht mehr akzeptieren und fordern von der Kommission einen strikten Kurs. „Es ist nicht akzeptabel, dass Frankreich zum dritten Mal in Folge die Regeln verletzt. Wenn Pedro Solbes nächste Woche vorschlägt, dass dies toleriert werden soll, schädigt er der Glaubwürdigkeit des Stabilitätspaktes“, sagte der österreichische Finanzminister, KarlHeinz Grasser, dem Tagesspiegel am Mittwoch. Auch der niederländische Finanzminister Gerrit Zalm spricht sich gegen Solbes versöhnlichen Kurs gegenüber Frankreich aus: „Wir werden dies nicht unterstützen“, sagte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel.

Am Dienstag wird die Europäische Kommission verbindliche Empfehlungen für die Defizitverringerung in Frankreich vorlegen. Die Finanzminister müssen dann Anfang November bei ihrem nächsten Treffen darüber abstimmen. Die Franzosen haben der Kommission bereits gemeldet, dass ihr Haushaltsloch 2004 bei 3,6 Prozent liegen wird. Das wäre das dritte Mal in Folge, dass Frankreich die erlaubten drei Prozent Neuverschuldung des Bruttoinlandproduktes überschreitet – eigentlich müsste die EU-Kommission Paris dann mit Sanktionen drohen.

Währungshüter Pedro Solbes hat jedoch am vergangenen Samstag überraschend in einem Zeitungsinterview angekündigt, dass er tolerieren will, dass Paris sich 2004 noch nicht an die Regeln hält. Auch Berlin wird mit großer Wahrscheinlichkeit die gemeinsamen Regeln im nächsten Jahr verletzen – hat dies aber noch nicht offiziell zugegeben. Die meisten kleineren Länder haben jedoch schmerzhafte Reformen hinter sich gebracht, um den Anforderungen des Stabilitätspaktes zu genügen.

Neben den Niederlanden und Österreich haben auch die Finnen vor, sich Anfang November gegen die Akzeptanz der Sünder auszusprechen. „Die Regeln gelten für alle, auch die Großen“, sagte Anne Brunila, Abteilungsleiterin im finnischen Finanzministerium, dieser Zeitung. Die Drei-Prozent-Grenze sei unabdingbar für die Zukunft das Paktes.

Der österreichische Finanzminister Grasser forderte auch die anderen Mitgliedsländer der Währungsunion dazu auf, im Ministerrat auf den Pakt zu bestehen. „Auch die anderen Finanzminister müssten in logischer Konsequenz auf den Drei Prozent bestehen“, sagte er. „Wenn jetzt die anderen Finanzminister sagen: der verletzt ja ganz bewusst die Spielregeln, und wir drücken beide Augen zu, dann sind die Regeln wenig wert.“

Die schwache Konjunktur sei keine Entschuldigung für Frankreich und Deutschland. „Wir kennen die Spielregeln ja nicht erst seit gestern. Besondere Verhältnisse gibt es meiner Meinung nach nicht. Das einzig Besondere ist, dass Frankreich lange nicht genug getan hat, um dem Defizit entgegenzusteuern“, sagte Grasser. Das Beispiel Österreich zeige, dass Wachstum und Konsolidierung kein Widerspruch seien. Die Alpenrepublik habe im vergangenen Jahr ein Defizit von 0,1 Prozent gehabt und gleichzeitig 1,4 Prozent Wachstum verzeichnet.

Grasser findet es besonders schlimm, dass Frankreich schon jetzt offen zugibt, im folgenden Jahr gar nicht erst anzustreben, unter die drei Prozent zu kommen. „Das ist für mich eine neue Dimension. Deutschland will wenigstens noch versuchen, sich an die Regeln zu halten.“, sagte Grasser.

Kein flexibler Pakt

Aber auch von Berlin erwartet der Österreicher, dass genügend gespart wird. Hans Eichel habe beim letzten Treffen der Finanzminister im Oktober versprochen, alles zu tun, um nächstes Jahr das Defizit unter die Drei-Prozent-Grenze zu drücken. „Ich nehme ihn beim Wort und hoffe sehr, dass Deutschland das schafft. Der Pakt verlangt das auch von Berlin ganz eindeutig.“

Grasser kritisiert die gemeinsamen Forderungen von Bundeskanzler Schröder und dem französischen Präsidenten Jaques Chirac nach einem flexibleren Pakt. „Davon halte ich sehr wenig“, sagte der Finanzminister. Deutschland und Frankreich seien schließlich die beiden Länder, die den Pakt maßgeblich gestaltet hätten. Außerdem habe der Pakt bisher gut funktioniert. Die meisten Länder hätten ihre Defizite in den vergangenen zehn Jahren massiv abgebaut.

„Und das nicht, weil die Finanzminister herausragende Musterschüler sein wollten, sondern weil die Volkswirtschaften davon profitieren.“, sagte Grasser. Die kleinen Länder hätten ihre Hausaufgaben gemacht und müssten jetzt die Rechnung für die unsolide Finanzpolitik der Großen zahlen – denn die übersteigerten Zinsen dämpften das Wachstum in der gesamten Eurozone.

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