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Wirtschaft: „Wir bleiben sehr wachsam“

Der designierte EZB-Chef Mario Draghi wirbt beim CDU-Wirtschaftsrat in Berlin für Stabilität

Berlin - Das wichtigste Wort kommt zunächst unscheinbar daher. Von „social market economy“ spricht Mario Draghi gleich zu Beginn und benutzt damit die wörtliche Übersetzung des Begriffs der sozialen Marktwirtschaft, die allerdings eher ungebräuchlich ist. Gegen Ende meistert der designierte EZB-Präsident dann sogar die deutsche Aussprache des Schlüsselworts, als er an seine Teilnahme an einer Veranstaltung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft erinnert. Die rund 1000 Delegierten des CDU- Wirtschaftstags im Saal applaudieren herzlich. Aber eigentlich hätte es den deutschen Zungenbrecher nicht mehr gebraucht, um sie zu überzeugen, dass er in Haltung und Denken ganz einer der ihren ist.

Daran hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel lange Zweifel gehabt. Denn ausgerechnet aus dem hoch verschuldeten Italien kommt der künftige Hüter der Währungsstabilität. In Ermangelung eines eigenen Kandidaten – nachdem ihr Bundesbankpräsident Axel Weber abhanden gekommen war – schwenkte sie ein und folgte dem Votum Italiens und Frankreichs. Doch auch wenn sie am Mittwoch erst später zu den Delegierten stößt, weiß der 63-jährige Professor im schmal geschnittenen dunkelblauen Anzug doch genau, was er zu sagen hat. Wie Amtsinhaber Jean-Claude Trichet versteht er es, über gewichtige Dinge zu reden und doch so zweideutig zu bleiben, dass die Reaktionen an den Finanzmärkten und in der Politik nicht allzu stark ausfallen. „Zweitrundeneffekte müssen vermieden werden“, sagt Draghi etwa, um vor zu schnell steigenden Löhnen als Folge höherer Verbraucherpreise zu warnen. Und: „Wir bleiben sehr wachsam.“

Inflation und Staatsverschuldung – ausdrücklich nennt er Italien – drohten, das Wachstum in Europa zu hemmen. „Um den Wachstumspfad fortzusetzen, brauchen wir auf der einen Seite Haushaltsdisziplin und auf der anderen Seite eine Politik, die Wachstum hervorbringt.“ Hier habe Deutschland den Weg gewiesen, sagt Draghi in Berlin – und vergisst doch auch nicht, die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte zu erwähnen, an denen sich vor allem die USA und Frankreich angesichts der Handelsüberschüsse von Deutschland und anderen Exportnationen stören. Applaus bekommt er, als er seine kritische Sicht auf die Bankenbranche schildert. Künftig müssten marode Institute so gerettet oder abgewickelt werden können, dass die Finanzmärkte nicht in Turbulenzen gerieten und die Steuerzahler nicht zur Kasse gebeten würden.

Sein Fazit fällt positiv aus: „Wir sind heute in einer viel besseren Lage als vor einem Jahr oder auch vor zwei Jahren.“ Ebenso ist sein Blick auf den Euro von großer Zuversicht geprägt. „Der Erfolg der europäischen Währungsunion hat unsere optimistischsten Prognosen übertroffen.“ Andere Redner des Wirtschaftstages zeigen sich skeptischer. Friedrich Merz, dem die Konservativen in der CDU stets mit Wehmut zuhören, wirbt zwar auch für Solidarität mit Griechenland, Portugal und Co., aber er fügt hinzu: „Täuschen wir uns nicht: Relativ nimmt die Bedeutung Europas auf dieser Welt nicht zu, sondern ab.“ Moritz Döbler

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