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Wirtschaft: „Wir brauchen mindestens die 40-Stunden-Woche“

Christian Stelzer, Vizechef der BSH-Sparte Wäschepflege, über die Schließung des Berliner Werks, Abfindungen und Arbeitskosten

Herr Stelzer, Ihr Mutterkonzern Siemens stellt den Beschäftigten seiner ehemaligen Handysparte 35 Millionen Euro zur Verfügung, um das BenQ-Fiasko abzufedern. Können die 570 BSH-Leute, die ihren Job verlieren, auch mit Hilfe rechnen?

Wir sollten abwarten, was die von uns beantragte Einigungsstelle beim Arbeitsgericht wird regeln können. Im Übrigen möchte ich bemerken, dass es keinen Zusammenhang zwischen den aktuellen Themen der Siemens AG und den Entscheidungen der BSH gibt. Die BSH ist rechtlich eigenständig.

Warum konnten Sie die Fertigung im Berliner Waschmaschinenwerk nicht retten?

Weil wir uns nicht auf eine ausreichende Senkung der Arbeitskosten einigen konnten. Alles, was wir tun, muss auf Dauer wirtschaftlich sein.

Die IG Metall wirft Ihnen vor, Sie hätten sich in den monatelangen Verhandlungen keinen Millimeter bewegt.

Das stimmt nicht. Wir sind den Arbeitnehmern weit entgegengekommen und hätten uns eine Fortführung viel kosten lassen. BSH war bereit, von den 570 Leuten bis zu 350 weiter zu beschäftigen – mit einer Garantie für drei Jahre. Und statt der von uns ursprünglich geforderten Senkung der Arbeitskosten um zehn Millionen Euro hätten uns 8,5 Millionen gereicht. Aber die Gewerkschaft hat nur sieben Millionen angeboten, und sie wollte mehr als 400 Jobs erhalten – da war kein Kompromiss möglich.

Die IG Metall war zu unbeweglich?

So wie bisher konnte es nicht weitergehen. In Berlin fertigt ein Mitarbeiter 700 Geräte pro Jahr – der Schnitt bei BSH sind 2000. Selbst beim neuen Fertigungskonzept, das wir vorgeschlagen hatten, wären es nur 1000 gewesen. Das hat die IG Metall ausgeblendet. An anderen Standorten, etwa in Gingen, haben die Leute mehr getan, um ihre Jobs zu sichern.

Die Arbeiter sind im Schnitt über 45 – da wird es schwer, etwas Neues zu finden.

Stellenabbau ist immer schmerzlich, er ist auch nicht Ziel des Unternehmens. Der Preisverfall am Markt setzt uns aber unter Druck, in Deutschland verdienen wir mit unseren Wäschepflegegeräten nichts. Die Konkurrenz aus Asien oder der Türkei bietet Waschmaschinen für 129 Euro an. Und der Kunde greift zu – die Preise können wir mit einer Produktion in Berlin nicht schaffen.

Was ist mit den rund 400 Stellen in Entwicklung und Service?

Diese Bereiche standen nie zur Disposition, die gibt es auch in fünf Jahren noch.

Jetzt streiken die BSH-Beschäftigten. Was bieten Sie ihnen an?

Es wird adäquate Abfindungen geben. Und wir wollen einige Mitarbeiter aus der Fertigung mit speziellen Kenntnissen halten. Wir bieten zudem an, an BSH-Standorte in Süddeutschland mit offenen Stellen zu wechseln, Traunreuth am Chiemsee etwa. In Nauen/Brandenburg gibt es leider keine Möglichkeit – wenn es dort neue Arbeit gibt, stellen wir zunächst diejenigen ein, die im Zuge eines Jobabbaus vor Kurzem gehen mussten.

Schadet der Streik dem Image von BSH?

Die Mitarbeiter müssen ihrem Ärger Luft machen, das kann ich verstehen. Der Streik nutzt uns nicht gerade, aber Konsequenzen von Seiten der Verbraucher erwarten wir nicht.

AEG hat nach der Schließung des Werks Nürnberg erheblich Marktanteile verloren.

Dort war die Situation eine ganz andere. Die Mutter Electrolux wollte die Produktion nach Polen verlagern, obwohl Nürnberg mit Gewinn arbeitete. Das ist beim Werk Berlin gerade nicht der Fall.

Sie sind schon in Osteuropa und China.

Das müssen wir, um in diesen Wachstumsmärkten präsent zu sein. Um die Verlagerung von Produktion geht es dabei nicht.

In Ihrem Jahresbericht schreiben Sie unter der Überschrift: „Globalisierung gerecht gestalten“: „Wir wollen Wachstumschancen nutzen durch Produktion vor Ort, die Arbeitsplätze schafft und den in Deutschland bewährten und etablierten Standards folgt.“ Der Bericht ist acht Monate alt.

Er gilt immer noch. In Deutschland haben wir sieben Werke und 14000 Beschäftigte. Derzeit stellen wir Personal ein. In Nauen haben wir gerade in eine neue Produktreihe investiert. Und in Berlin haben wir seit 2000 die Zahl der Mitarbeiter in der Entwicklung verdoppelt.

Warum konnten Sie 53 Jahre lang hier fertigen – und jetzt nicht mehr?

Das Werk war schon lange defizitär. Es hat sich sehr viel verändert in den vergangenen Jahren: Seit der Wende gibt es keine Subventionen mehr, und wir haben mehr Konkurrenz. Außerdem hat der Fortschritt die Waschmaschinenfertigung verändert: Heute haben die Geräte 30 Prozent weniger Teile als noch vor zehn Jahren. Das bedeutet auch 30 Prozent weniger Personalbedarf. Mit jeder neuen Gerätereihe wird die Herstellung effizienter.

Unter welchen Bedingungen wäre Berlin konkurrenzfähig?

Wir brauchen mindestens 40 Stunden Wochenarbeitszeit. Die Leute müssen so flexibel sein, dass wir von einem Tag auf den anderen mehr produzieren können, auch mal am Wochenende. Das ist in Nauen kein Problem, in Berlin schon. Hier geht es nicht ohne lange Planung und hohe Zuschläge für Sonderschichten. In Nauen sind die Arbeitskosten auch deshalb um fast 40 Prozent geringer.

Parallel zum Aus in Berlin bauen Sie Nauen mit fünf Millionen Euro staatlicher Subventionen aus. Schickt sich das?

Das sind Investitionshilfen, die in Europa völlig normal sind. Jedes andere Unternehmen darf dies nutzen und tut es auch. Die Förderung hat jedenfalls nicht den Ausschlag gegeben, Nauen auszubauen und Berlin zu schließen.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

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