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Wirtschaft: „Wir haben noch weiße Flecken auf der Landkarte“

Der neue Chef der Berliner Volksbank kündigt 20 neue Filialen an und warnt vor Preiskämpfen / Auch ohne Berliner Bank sind 15 Prozent Marktanteil geplant

Herr Dr. Hatje, Sie sind seit Jahresbeginn Vorstandsvorsitzender der Berliner Volksbank. Was haben Sie in dieser Zeit bewegt?

Vor allem habe ich mich selbst bewegt. Ich habe mich in den Filialen und bei den Mitarbeitern umgesehen, habe sehr viele Kunden besucht und versucht, einen Eindruck von ihnen zu bekommen und vor allem von den Wettbewerbsbedingungen am Berliner Markt. Als eine der ersten Maßnahmen haben wir mit dem Betriebsrat vereinbart, dass wir künftig 100 Auszubildende einstellen werden. Das ist mir wichtig, ich habe selbst drei Kinder. Gegenwärtig sind 81 Auszubildende im ersten Lehrjahr. Es ist nicht einfach, ausreichend qualifizierte Bewerber zu finden.

Wie ist ihr Eindruck von der Volksbank?

Mir war klar, dass ein Institut, das aus vier Vorgängerinstituten hervorgegangen ist, die alle ihre Schwierigkeiten hatten, keine einfache Aufgabe sein würde. Den Berliner und Brandenburgischen Markt kannte ich, weil ich bereits früher in der Stadt gearbeitet habe. Natürlich gab es die eine oder andere kleine Überraschung, aber von der Herausforderung insgesamt war ich nicht überrascht.

Was sind die kleinen Überraschungen?

Ich war zuletzt in einer börsennotierten Aktiengesellschaft tätig. Die Berliner Volksbank ist eine Genossenschaft. Sie hat beispielsweise äußerst selbstbewusste Vertreter. Die Abstimmungsprozesse laufen etwas anders. Die positivste Überraschung aber war: Die Verbundenheit unserer Kunden mit ihrer Bank ist sehr, sehr ausgeprägt.

Sie haben den Berliner Bankenmarkt angesprochen. Wie sieht er in fünf Jahren aus?

Es wird weniger Regionalinstitute in Berlin geben. Wir werden auf jeden Fall ein größeres sein. Es wird selbstverständlich die Berliner Sparkasse geben – in welcher Form auch immer. Aber sie wird nicht mehr dem Land gehören. Fraglich wird sein, wie ausländische Investoren reagieren, wenn sie bei Berliner Bank oder Bankgesellschaft nicht zum Zuge kommen. Werden sie Kampfpreise machen, oder werden sie auf Berlin verzichten? Die Chancen, durch Zukäufe zu wachsen, sind dann aus heutiger Sicht sehr gering.

Haben sie Furcht vor Kampfpreisen?

Wenn die Preise die Kosten nicht decken, dann ist das für mich als Betriebswirt kein vernünftiges Geschäftsgebaren. Das kann den Markt durcheinander bringen oder kaputt machen. Das bringt keinem etwas, auch nicht dem Kunden.

Wie positionieren Sie die Volksbank?

Wir wollen wachsen und zusätzliche Filialen eröffnen. Je mehr Filialen wir haben, desto mehr Kunden gewinnen wir.

Wie viele Filialen wollen sie eröffnen?

Gegenwärtig denken wir an etwa 20 zusätzliche Filialen in Berlin und Brandenburg. Wir haben noch weiße Flecken auf unserer Landkarte – vor allem um Berlin herum, aber auch in Ost-Berlin, wo sich die Attraktivität vieler Kieze erhöht hat. Insgesamt wollen wir unseren Marktanteil in der Region von gegenwärtig rund elf Prozent bis zum Jahr 2010 auf etwa 15 Prozent steigern.

Zu wessen Lasten?

Bei den Privatkunden könnte es zu Lasten der Sparkasse gelingen, bei den gewerblichen Kunden eher zu Lasten der privaten Banken.

Auch durch den Kauf der Berliner Bank?

Die 15 Prozent wollen wir auf jeden Fall aus eigener Kraft erreichen. Natürlich sind wir auch an der Berliner Bank interessiert. Aber wir haben Vertraulichkeit vereinbart. Deshalb nur so viel: Es ist ein Plan. Ob er gelingt, wird sich zeigen.

Dennoch die Frage: Wie wollen Sie die Berliner Bank bezahlen?

Wenn wir sie denn kaufen wollen. Wir würden dann aktiv an der Gestaltung des Berliner Bankenmarktes teilnehmen. Das wäre Plan A. Daneben gibt es natürlich noch Plan B: Wir können die Veränderung auch selber gestalten. Beides kostet Geld. Die Finanzierung ist nicht so sehr das Thema, da haben wir genügend Möglichkeiten.

Ein anderer Bewerber, die Mittelbrandenburgische Sparkasse, hat bereits eine Arbeitsplatzgarantie für die Beschäftigten der Berliner Bank abgegeben, falls sie zum Zuge kommen sollte. Tun Sie das auch?

Wir haben in unserem Haus eine Vereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2008 ausschließt. Die Mitarbeiter verzichten im Gegenzug auf Lohnzuwächse. Ich täte mich schwer damit, alte und potenzielle neue Mitarbeiter unterschiedlich zu behandeln.

Wenn Sie bei der Berliner Bank nicht zum Zuge kommen, wie wollen Sie bei zunehmender Konkurrenz wachsen?

Bei uns werden Entscheidungen immer vor dem Hintergrund unserer Verantwortung für die Region gefällt und sie werden immer in unserer Zentrale hier in Berlin gefällt. Das ist so und das bleibt so. Wir sind eine Bank für und von Berlinern und Brandenburgern. Wir haben 118 000 Bankteilhaber, Tendenz steigend.

Und das wird von den Kunden auch so wahrgenommen?

Das hat sich bei den Kunden aus dem gewerblichen Mittelstand bereits herumgesprochen. Bereits heute wenden sich verstärkt Mittelständler an uns, die uns sagen: Für uns ist es wichtig, dass die Entscheidungen auch von Berlinern in Berlin getroffen werden.

Und bei den Privatkunden?

Bei den Privatkunden ist dieses Bewusstsein in dieser Form noch nicht so vorhanden. Da werden wir verstärkt Aktivitäten entwickeln. Wir werden die Privatkunden ins Auge fassen – insbesondere die gehobenen Privatkunden. Wir haben jetzt wieder mehr Kapazität, die Sanierung ist abgeschlossen. Und auch hier haben wir einen gewissen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz. 20 Prozent unserer Privatkunden sind gleichzeitig Teilhaber der Berliner Volksbank. Bei einer Aktiengesellschaft sind das im Schnitt nur ein Prozent.

Gibt es weitere Bevölkerungsgruppen, die Sie gezielt ansprechen wollen?

Jugendliche vor allem. Die wollen wir früh an uns binden. Wir haben beispielsweise seit sechs Jahren die Veranstaltung „Stars for free“. Da treten Interpreten aus den Charts in der Wuhlheide auf. Karten gibt es nur bei uns oder bei unserem Kooperationspartner, einem Radiosender. Für die Eröffnung eines Kontos erhalten die Jugendlichen zwei Karten. 20 000 bis 24 000 Besucher kommen da.

Welchen Erfolg haben solche Aktionen?

Von den Jugendlichen behalten mehr als 90 Prozent ihr Konto. Wir gewinnen real Kunden. Im Vergleich zum Anteil der Jugendlichen in Berlin haben wir inzwischen überproportional viele Jugendliche, und auch der Zuwachs ist überproportional.

Also gute Aussichten, auch für die Mitarbeiter der Volksbank?

Wir wollen weiter Arbeitsplätze durch Wachstum sichern, wir nennen das Leistungsstrategie. Wir haben jetzt rund 2800 Mitarbeiter, so viele werden es auch im Jahr 2008 sein und – aus heutiger Sicht – auch darüber hinaus. Allerdings wird es Umschichtungen geben. Aber wir schulen die Mitarbeiter auch um, wir fühlen uns hier in der sozialen Verantwortung.

Dennoch müssen Sie auf die Kosten achten. Und Ihre Cost-Income-Ratio sieht nicht besonders gut aus: Für jeden Euro, den Sie einnehmen, müssen sie erst mal 78 Cent ausgeben.

Die Zahl galt für 2004. Für 2005 wird die Quote bei etwas mehr als 76 Prozent liegen. Das ist immer noch zu hoch. Bis zum Jahr 2010 wollen wir bei 66 Prozent sein, das wissen die Mitarbeiter. Das ist harte Arbeit, wir wollen das zwar nicht mit der Brechstange, aber sehr zielstrebig erreichen. Je besser die Zahl ist, desto besser können wir Kreditrisiken tragen.

Ob Sie das Ziel erreichen, dürfte auch die Bankteilhaber interessieren. Wie hoch wird die Dividende für 2005 sein?

Wir werden der Vertreterversammlung im Juni wieder vier Prozent brutto vorschlagen. Langfristig möchten wir die Dividende erhöhen.

Das Gespräch führten Stefan Kaiser und Daniel Rhée-Piening

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