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Wirtschaft: Wirtschaft 2000: Das vergangene Börsenjahr hat Nerven gekostet

Zwischen gut und schlecht lagen im Millenniumsjahr Welten. Wer den Jahresverlierer Deutsche Telekom die ganzen zwölf Monate im Depot hatte, verlor über 50 Prozent, der Jahresgewinner dagegen, die Berliner Schering AG, vermehrte ihren Wert um mehr als die Hälfte.

Zwischen gut und schlecht lagen im Millenniumsjahr Welten. Wer den Jahresverlierer Deutsche Telekom die ganzen zwölf Monate im Depot hatte, verlor über 50 Prozent, der Jahresgewinner dagegen, die Berliner Schering AG, vermehrte ihren Wert um mehr als die Hälfte. In einem Jahr großer Unsicherheiten - Euroschwäche, Zinserhöhungen, Ölpreiskrise - griffen die Anleger zu Werten mit viel Substanz und zu Papieren mit Zukunftsphantasie. Technologie und vor allem Telekom verloren die Gunst der Investoren.

Vor allem der Poker um das mobile Internet, die Versteigerung der sechs UMTS-Lizenzen, mutierte zum wirtschaftlichen Wahnsinn für die Telekom-Firmen. Die Auktion, Mitte August mit der Rekordsumme von knapp 100 Milliarden Mark für den Finanzminister beendet, brachte den deutschen Hauptkonkurrenten Telekom und Vodafone-Mannesmann die begehrte Lizenz zu einem sehr hohen Preis - die Kosten für den Aufbau der Infrastruktur nicht mitgerechnet. Die Aussicht auf sinkende Gewinnmargen verschreckte massenweise Investoren.

Wie feindliche Übernahmekämpfe künftig aussehen werden, machte den Anlegern bei Mannesmann in den ersten zwei Monaten des Jahres Chris Gent vor. Der Vodafone-Chef bezwang Mannesmann-Chef Klaus Esser. Am Ende kam die Summe von fast 400 Milliarden Mark und damit ein Umtauschverhältnis heraus, dem kaum ein Anleger widerstehen konnte, und Mannesmann verschwand aus dem deutschen Leitindex.

Mit Epcos kam an Stelle der Düsseldorfer ein Mitglied der Siemens- Familie, die gerade vier Monate später erneut Nachwuchs bekam: Halbleitertochter Infineon rückte drei Monate nach dem Börsengang in die erste Börsen-Bundesliga auf. Während der Mutterkonzern und Epcos aber in der zweiten Jahreshälfte zwar stark verloren, per Saldo aber immer noch zweistellig im Plus liegen, wurde der Halbleiterkonzern für die Anleger zum Alptraum: Emittiert für 35 Euro verdoppelte sich der Kurs am ersten Handelstag auf über 70 Euro, stieg weiter auf über 90, um bis Jahresende auf unter 40 abzustürzen. Den Schwächezeichen der US-Konkurrenten folgend, schwenkte die stark zyklische Branche auf Konsolidieren ein.

Banken enttäuschen

Dagegen wurden zwei neue Dax-Verbindungen nach nur kurzer Verlobungszeit wieder gelöst. Kurz vor dem Dax-Hoch im März bei 8136 Punkten platzte die Überraschungsbombe im Bankensektor: Deutsche und Dresdner Bank gaben ihre baldige Fusion zum größten Bankkonzern der Welt bekannt. Analysten und Marktbeobachter feierten mit steigenden Kursen. Die Allianz, Mutter der Dresdner Bank, sollte dabei das beste Geschäft machen. Der geplante Verkauf der Dresdner Kleinwort Benson, Investmenttochter der Dresdner Bank, ließ die Fusion wieder scheitern. Auch die zweite Fusion von Dresdner und Commerzbank wurde kurzfristig abgesagt.

Vielen Anlegern war diese Unentschlossenheit zu viel: Mit einem Minus von je einem knappen Fünftel ihres Börsenwertes führen Dresdner und Commerzbank die Minusliste bei den Banken an. Die Hypo verlor mehr als zehn Prozent, Deutsche Bank tendierte beinahe unverändert. Weil die Allianz als Minderheitsaktionärin von jeder denkbaren Verbindung nur profitieren kann, gewann sie bis Jahresende etwa 15 Prozent. Die Münchener Rück als klassischer Substanzwert und sicherer Hafen in turbulenten Börsenzeiten legte um knapp 50 Prozent zu.

Die meiste Freude aber bereitete den Anlegern die Schering AG, die um mehr als 50 Prozent zulegte. Der Berliner Konzern gilt als Übernahmekandidat, ist sehr engagiert in der Trend-Branche Biotechnologie und gilt zugleich als klassischer Substanzwert. Den Energiekonzernen sind neben dem Rückzug in sichere, schwankungsarme Standards zumindest teilweise die steigenden Ölpreise zugute gekommen. RWE-Papiere gewannen 24 Prozent, Eon, das Ergebnis der Fusion aus Veba und Viag, 32 Prozent.

Am Ende bleib aber dennoch ein Jahresminus von gut sieben Prozent - zu dem auch der zweite Börsen-Hoorortrip des Jahres ein Gutteil beigetragen hat. In Scharen flohen die Anleger aus dem einstigen Stuttgarter Vorzeigewert Daimler, seitdem seine US-Tochter Chrysler Milliardenverluste schreibt. Die Aktie verlor bis Jahresende gut 40 Prozent. BMW und VW, zu Jahresbeginn an den Märkten nicht gut gelitten, schafften im Jahresverlauf hingegen die Wende - wobei BMW die Wolfsburger Konkurrenz um Längen abgehängt hat, nachdem sich die Münchener im Mai von ihrem britischen Milliardengrab Rover trennten. Die Aktie stieg insgesamt um 20 Prozent.

Und noch eine Fusion platzte: Eigentlich wollten sich die beiden europäischen Leitmärkte Frankfurt und London zusammenschließen und damit New York Paroli bieten.Die größte europäische Börse, die London Stock Exchange, sagte die Fusion indes in letzter Minute ab. New York wird also auf absehbare Zeit der Nabel der Börsenwelt bleiben. Auch 2000 hat der Weltleitindex wieder gezeigt, wo es langgeht. Im Gegensatz zu anderen Märkten hat der Dow Jones nur leicht gehustet, während der Rest der Welt ernstlich erkrankte. 32 von 38 wichtigen Börsen der Erde verbuchten 2000 teils erhebliche Kursverluste. Am stärksten geschröpft wurden Südkorea (minus 51 Prozent), Thailand (minus 45) und Taiwan (minus 44), aber auch Japan verlor ein Viertel. Nur sechs Märkte blicken auf ein positives Jahr zurück, allen voran China mit einem satten Plus von knapp 140 Prozent. Der Dow Jones verlor mit knapp zwei Prozent nur wenig, wobei sich auch bei den 30 wichtigsten US-Werten eine ähnliche Tendenz wie in Deutschland zeigt: Telekom und Technologie beschließen das Jahr kräftig im Minus, während die ehemals als Langeweiler verschrieenen Substanz-Werte zulegen konnten.

Veronika Csizi

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