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Zu Hause. In Berlin wurde Siemens einst gegründet, nach dem Krieg zog die Zentrale nach München. Die Stadt prägt der Konzern bis heute.

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Update

Wohin steuert der Elektrokonzern?: Wie Joe Kaeser Siemens umbauen will

Es geht zur Sache bei Siemens: An diesem Dienstag berät der Aufsichtsrat über den Umbau des Elektrokonzerns. Der schon länger geplante Verkauf des Logistik-Geschäfts soll derweil vor dem Abschluss stehen.

Wohin geht die Reise bei Siemens? Wenn Konzernchef Joe Kaeser am Mittwoch seine Vision für Siemens vorstellt, wird ihm Rivale Alstom einen Teil der Show stehlen. Die Chefs der beiden Technologiefirmen treten fast zeitgleich in Berlin und Paris vor die Presse - hier wie dort werden sich viele Fragen um das Angebot drehen, das die Deutschen für die Franzosen abgeben und mit dem sie den US-Konkurrenten General Electric
(GE) ausstechen wollen. Dabei war Alstom eigentlich nicht Teil der runderneuerten Strategie, die der Siemens-Chef präsentiert. Kaeser will zeigen, welchen Weg der Münchener Industrieriese mit seinem Angebot von Zügen über Medizintechnik und Windturbinen bis hin zu Kraftwerken unter seiner Führung einschlägt. Der Erwartungsdruck ist immens.

Offenbar fordert der Konzernumbau ein weiteres prominentes Opfer. Der für die Energietechnik des Konzerns zuständige Vorstand Michael Süß müsse seinen Posten räumen, hieß es am Dienstag von zwei mit dem Vorgang vertrauten Personen. Seine Nachfolge solle eine amerikanische Managerin antreten. Zuvor hatte das “Handelsblatt“ ebenfalls über Süß' Abgang berichtet. Siemens wollte sich zu den Angaben nicht äußern. Intern werde Süß zur Last gelegt, er habe den Bereich dezentrale Energieerzeugung vernachlässigt. Zudem trage er als früherer Divisionschef eine Mitverantwortung für das kostspielige Ende der Partnerschaft mit dem französischen Atomkonzern Areva, sagten die Insider zu den Gründen.

Die Übernahmepläne für Alstom sehen vor, dass Siemens die Energiesparte von Alstom übernimmt und im Gegenzug die eigene ICE-Produktion an den TGV-Hersteller abgibt. Ob Kaeser sich den Konkurrenten nur einverleiben will, um GE auszustechen, oder ob er lediglich dem Ansinnen der französischen Regierung nachkommt, die eine europäische Lösung favorisiert - darüber wird spekuliert. Die Rivalität zwischen den beiden Branchengiganten war in den vergangenen Jahren groß. Die Regierung in Paris forderte unterdessen General Electric zu Nachbesserungen auf. In der jetzigen Form sei das Angebot der Amerikaner nicht akzeptabel, sagte Präsident Francois Hollande am Dienstag dem Radiosender RMC. Auch Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg machte in einem Brief an GE-Chef Jeff Immelt deutlich, dass der vorliegende Vorschlag nicht die Zustimmung der Regierung erhalten werde.

Der Alstom-Deal - die erste Bewährungsprobe

Einige Siemens-Aufsichtsräte stehen nach einem Bericht des “Spiegel“ dem geplanten Zukauf reserviert gegenüber. Bringt Vorstandschef Kaeser den Deal tatsächlich unter Dach und Fach, müsse das niet- und nagelfest sein, warnt Fondsmanager Christoph Niesel von Union Investment. “Es ist seine erste große Handlung, seine erste große Akquisition. Wenn die schief läuft, kann er es nicht wieder auf seinen Vorgänger schieben. Es ist jetzt seine Verantwortung.“

Fondsmanager Tim Albrecht von DWS Investment wäre eine risikoärmere Strategie des Wachstums aus eigener Kraft lieber. “Wir hatten uns gewünscht, dass sich der Konzern auf die profitablen Bereiche konzentriert, margenschwache Geschäfte verkauft und die freiwerdenden Mittel dann an die Aktionäre zurückgibt, entweder über einen Aktienrückkauf oder eine Ausschüttung“, sagt Albrecht. Eine milliardenschwere Übernahme passt da nicht ins Bild.

Sollten die Münchner den Zuschlag bekommen, fordert IG-Metall-Finanzchef Jürgen Kerner, dass Siemens entscheidenden Einfluss auf das im Rahmen der Übernahme avisierte Verkehrstechnik-Gemeinschaftsunternehmen unter Führung von Alstom behält. “Schließlich produziert Siemens auch Antriebe oder Automatisierungssysteme für Schienenfahrzeuge“, sagte Kerner, der im Siemens-Aufsichtsrat sitzt, dem “Spiegel“. Andernfalls könnte Alstom solche Zulieferteile auch von Wettbewerbern kaufen. Dem Magazin zufolge bietet Siemens den Franzosen neuerdings an, auf Wunsch ein Joint Venture für die Bahn-Signaltechnik zu gründen - damit wäre auch Berlin massiv von dem Deal betroffen. Mehr als 800 Beschäftigte arbeiten in dieser Sparte in Treptow.

“Bei Siemens muss Siemens wieder über allem stehen“

Der seit Sommer im Chefsessel sitzende Kaeser will die Struktur des Konzerns mit 360000 Mitarbeitern ändern und Entscheidungsprozesse vereinfachen. Die Großsektoren Energie, Industrie, Medizintechnik und Infrastruktur sollen abgeschafft werden, ist aus dem Unternehmen zu hören. Künftig soll es eine Hierarchieebene weniger geben - und damit weniger Leute, die reinreden und mitentscheiden können. Kaeser ließ bereits durchblicken, dass ihn die vielen Alleingänge vom mittleren Management an aufwärts nerven: “Bei Siemens muss Siemens wieder über allem stehen“, schärfte er seiner Mannschaft ein. Die Zentrale schnitt er bereits
stärker auf seine Person und seinen engsten Stab zu. Die Verschlankung des Konzerns, so wird in Medienberichten spekuliert, werde die Streichung Tausender Stellen mit sich bringen.

Zu- und Verkäufe gehören ebenfalls zu Kaesers neuer Strategie: Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg steht der Verkauf der Sparte für Logistik- und Flughafen-Lösungen unmittelbar bevor. Das Geschäftsfeld, das unter anderem Briefsortieranlagen und Gepäckbänder herstellt, solle an eine Gruppe um den US-Investor Wilbur Ross gehen. Die österreichische Anlagenbau-Tochter Siemens VAI soll an den japanischen Konkurrenten Mitsubishi Heavy Industries verkauft werden, wie es in Finanzkreisen heißt. Zudem wird über die Energiesparte des britischen Rolls-Royce-Konzerns verhandelt. Siemens interessiert sich laut Insidern vor allem für die Ausrüstung für die Gas- und Ölindustrie sowie die Produktion von Notstromaggregaten und wäre bereit, knapp eine Milliarde Euro zu bezahlen.

Kaeser erntet Löschers Früchte

Mit seinem Kurs will Kaeser nach Jahren der Stagnation den Umsatz von zuletzt 76 Milliarden Euro wieder steigern. Das Renditeziel von zwölf Prozent hatte schon sein Vorgänger Peter Löscher über den Haufen geworfen, bevor er im vergangenen Sommer nach einer Schlammschlacht Siemens verließ und Kaeser vom Finanz- zum Konzernchef aufstieg. Vor einem Jahr hatten hohe Kosten für verspätete Zuglieferungen etwa an die Deutsche Bahn und für Probleme beim Anschluss von Windparks auf hoher See den Gewinn um rund 245 Millionen Euro gedrückt Für das abgelaufene zweite Quartal erwarten Analysten beim Umsatz keine großen Sprünge, aber sie rechnen mit einem kräftigen Gewinnanstieg. Schon in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres 2013/14 erntete Kaeser die Früchte des Umbaus, den Löscher auf den Weg gebracht hatte. (Reuters)

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