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Zwei Verkäufer sind zu viel. Pro Filiale gibt es nur noch einen Mitarbeiter – nun steigt die Zahl der Ladendiebstähle.

© Imago

Wohlthat’sche Buchhandlung: Selbstbedienung einmal anders

Die Wohlthat’sche Buchhandlung spart massiv beim Personal – dabei gehört sie zur Katholischen Kirche. In den Läden wird nun verstärkt gestohlen.

Die Flugblätter lassen keinen Zweifel daran, was die Mitarbeiter hier von ihrem Chef halten. „Böser Arbeitgeber“ prangt es gleich dutzendfach an den Scheiben der Wohlthat’schen Buchhandlung in der Schönhauser Allee. Dicke weiße Buchstaben auf grünem Grund. Die Schaufenster sind zu. Die Tür auch.

Vor ein paar Tagen war mal wieder Streiktag bei der Buchladenkette. Wo sonst rote Kisten mit Sonderangeboten stehen, verteilen demonstrierende Mitarbeiter im Nieselregen Flugblätter. Aus einer wasserdicht verpackten Musikbox bollert Popmusik. „Wir fordern, dass endlich die Tarifverhandlungen aufgenommen werden“, sagt Janet Dumann. Die Frau mit den kurzen blonden Haaren und der weißen Brille arbeitet bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und koordiniert die seit Dezember 2009 unregelmäßig stattfindenden Streiks.

Hintergrund der Aktionen: Im vergangen Herbst strich Wohlthat einen Großteil der damals bundesweit 140 Stellen. Berlin und Potsdam waren besonders stark von der Maßnahme betroffen. Die Anzahl der festen Mitarbeiter wurde in der Region von 90 auf 44 reduziert, dafür wurden 39 Aushilfen eingestellt. „Hauptsächlich ungelernte 400-Euro-Kräfte, deren Stellen auf sechs Monate befristet sind“, moniert Dumann.

Die Belegschaft protestierte. Erst sah es so aus, als würden sie Erfolg haben. Die Geschäftsführung signalisierte Verhandlungsbereitschaft, sagte dann allerdings im Januar einen angesetzten Gesprächstermin kurzfristig wieder ab. Zum Ausgleich zahlt der Buchhändler seit dem 1. April zwei Prozent mehr Lohn. Den Angestellten reicht das aber nicht. „Almosen“, steht auf den Flugblättern an den Schaufensterscheiben.

„Durch die Kündigungen haben sich die Arbeitsbedingungen deutlich verschärft“, erzählen die Mitarbeiter. Häufig seien sie alleine im Laden. Ein schlechter Witz sei das, die Arbeit kaum zu schaffen. Als der Fall im Januar zum ersten Mal hochkochte, erklärte Wohlthat-Geschäftsführer Ulrich Daniels die Politik seines Unternehmens so: Zwei Mitarbeiter pro Laden könne sich das Unternehmen schlicht nicht mehr leisten. Deshalb setze man in Zukunft verstärkt auf Selbstbedienung.

Heute sagt Daniels gar nichts mehr. Stattdessen verweist sein Büro auf die Muttergesellschaft, die Deutsche Buchhandels-Holding, die zur einen Hälfte dem Buchkonzern Hugendubel und zur anderen dem Weltbild-Verlag gehört. Der wiederum befindet sich im Besitz von 14 katholischen Diözesen. Für die Demonstranten ist die Sache klar: „Die Katholische Kirche spart mit dem Einsatz von 400-Euro-Kräften Steuern und Sozialabgaben und unterläuft das System der Solidargemeinschaft“, schimpfen sie. Die Angegriffenen schweigen. Bei der deutschen Bischofskonferenz fand sich in den vergangenen Tagen auch auf mehrfache Nachfrage niemand, der sich zu der Sache äußern wollte.

Bei Weltbild in Augsburg aber argumentiert man ähnlich wie Ulrich Daniels in Berlin. „Wir haben keine Wahl“, verteidigt eine Sprecherin die Konzernpolitik. Im vergangenen Geschäftsjahr habe Wohlthat zwei Millionen Euro Verlust gemacht. Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen ist deshalb nicht geplant.

Im Gegenteil: Wegen der wirtschaftlichen Lage sollen zum 1. Juni zwei weitere der derzeit noch 14 Berliner Filialen schließen – eine in Weißensee, eine in Pankow. Dass es in Zukunft noch weitere Geschäfte treffen könnte, schließt die Sprecherin nicht aus. Allerdings, betont sie, habe man die Marke keinesfalls bereits aufgegeben. Schließlich zeigten die Sparmaßnahmen inzwischen erste kleine Erfolge.

Dass das neue Selbstbedienungs-Konzept aufgeht, bezweifeln die Demonstranten auf dem Bürgersteig jedoch. „Seit wir alleine arbeiten, wird bei uns geklaut wie noch nie“, berichten sie. Die Weltbild-Sprecherin will das nicht bestätigen, eine Berliner Angestellte aber erzählt, dass kürzlich an einem einzelnen Tag zehn CD-Boxen für je 50 Euro verschwunden seien. Anscheinend versteht die Kundschaft unter Selbstbedienung etwas anderes als der Geschäftsführer.

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