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Der Gründer. Jens Begemann ist in Detmold geboren und hat in Berlin Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik studiert. Von 2001 bis 2008 arbeitete er bei der Klingeltonfirma Jamba.

© Mike Wolff

Wooga-Chef Begemann: "Ich will etwas Großes schaffen"

Jens Begemann, Gründer und Chef von World of Gaming, über das Bedürfnis zu spielen, die Partnerschaft mit Facebook und den attraktiven Standort Berlin.

Jens Begemann (34) wollte schon als Jugendlicher ein Unternehmen gründen. Anfang 2009 war es so weit: Gemeinsam mit zwei Partnern und 160 000 Euro Startkapital gründete er World of Gaming, kurz: Wooga. Die Berliner Firma entwickelt Computerspiele, die man zunächst nur auf dem sozialen Netzwerk Facebook spielen konnte und die deshalb Social Games heißen. Im Sommer 2009 sammelte Wooga fünf Millionen Euro Risikokapital ein, im Mai 2011 gaben Investoren noch einmal 24 Millionen Dollar. Inzwischen ist Wooga der größte Anbieter von Social Games in Europa und weltweit Nummer zwei.

Herr Begemann, wie viel wiegt Ihr Gehirn?

Bei unserem Gedächtnistrainer Brain Buddies wiegt es etwa drei Kilogramm. Aber im Spiel kann man sein Gehirngewicht – im Gegensatz zum eigenen biologischen Gehirngewicht – durch Übung steigern.

Woher kam die Idee zu Ihrem ersten Spiel?

Es gab 2008 mehrere recht erfolgreiche Gehirnjoggingspiele. Aber es gab nichts im Internet und nichts kostenlos. Meine Vision bei der Gründung von Wooga war, Spiele für jedermann zu machen. Die Spieleindustrie hat in den letzten Jahrzehnten Spiele für Spieler perfektioniert. Es sind vielleicht zehn Prozent der Bevölkerung, die sich als Gamer verstehen – meist männlich und zwischen 15 und 25 Jahren alt. Spielen ist aber ein menschliches Grundbedürfnis. Wir haben beschlossen, den Einstieg in die Spiele möglichst einfach zu machen und soziale Netzwerke als Plattform zu nutzen.

Ist die Vision aufgegangen?

Ja. In den letzten 30 Tagen haben weltweit 35 Millionen Menschen unsere inzwischen fünf Spiele gespielt. Das ist ein starkes Indiz, finde ich. Seit Donnerstagnacht sind drei unserer Spiele auch auf Google plus verfügbar.

Wie verdienen Sie Geld?

Alle unsere Spiele sind kostenlos. Wir haben keine Werbung. Die einzige Erlösquelle sind digitale Güter, also Zusatzfunktionen in den Spielen, die Nutzer kaufen können, wenn sie schneller vorankommen wollen.

Wie viele Spieler kaufen nichts?

Weit mehr als 95 Prozent aller Nutzer spielen komplett kostenlos. Bei unserem wichtigsten Spiel Monster World, bei dem man einen fantastischen Garten zum Blühen bringen kann, geben zwei bis drei Prozent der Nutzer Geld aus. Nur wer vom Spiel begeistert ist und das entsprechende Einkommen hat, bezahlt für virtuelle Güter und finanziert das Spiel für alle mit. Wir sind mit der Geschäftsentwicklung sehr zufrieden. Zynga, die jetzt an die Börse gehen werden, zeigen ja, wie viel Geld man damit verdienen kann.

Die US-Firma Zynga ist mit 230 Millionen Nutzern Marktführer und wird derzeit mit mindestens zehn Milliarden Dollar bewertet. 2010 lag der Umsatz bei knapp 600 Millionen und der Gewinn bei 90 Millionen Dollar. Wie steht es bei Ihnen?

Wir haben mit Brain Buddies keinen Euro Umsatz gemacht und nur auf Nutzerwachstum gesetzt. Außerdem haben wir uns darauf konzentriert, sehr gute Spiele zu entwickeln. Das war aus heutiger Sicht eine kluge Entscheidung. Inzwischen haben wir fünf Spiele online – und seit Mitte 2010 machen wir auch Umsatz. Auf der Computermesse Gamescom stellen wir unser sechstes Spiel vor.

Und wie hoch ist der Umsatz?

Zu Umsatz und Gewinn sagen wir nichts.

Wegen eines Blitzeinschlags war Monster World offline. Wie schlimm war das?

Monster World ist unser wichtigstes Spiel. Es wird in einem Rechenzentrum von Amazon in Irland betrieben. Der Blitz ist dort am vorletzten Sonntag so eingeschlagen, dass nicht nur der Strom ausgefallen ist, sondern auch alle Daten in Mitleidenschaft gezogen wurden. Wir hatten natürlich ein Back-up. Aber es hat 24 Stunden gedauert, bis das Spiel wieder erreichbar war. Bei mehr als acht Millionen aktiven Nutzern, von denen viele täglich spielen, ist das dramatisch. Wir hatten Sorge, dass unsere Spieler uns das übel nehmen.

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

So etwas passiert nur alle 15 oder 20 Jahre einmal. Alle Schutzsysteme waren gleichzeitig betroffen. Man kann Maßnahmen treffen, um in so einem Fall die Ausfallzeit auf eine Stunde zu reduzieren. Aber das kostet dauerhaft viel Geld und Flexibilität. Flexibilität und Tempo sind aber wichtig für unser Geschäft.

Was hat der Blitzeinschlag gekostet?

Das beschränkt sich zum Glück auf einen sechsstelligen Betrag. Wir hatten Sorge, dass es mehr sein würde. Ein loyaler Nutzer spielt über mehrere Jahre das gleiche Spiel. Wenn so jemand abgewandert wäre, wäre das natürlich eine Katastrophe. Zum Glück ist das nicht passiert.

Was Wooga über seine Nutzer weiß

Die Spiele sind sehr simpel. Kann man sich damit wirklich jahrelang beschäftigen?

Die Spiele gehen ganz einfach los und werden immer komplexer. Wenn sie täglich zweimal fünf Minuten Monster World spielen, müssen Sie etwa neun Monate spielen, um so weit zu kommen, wie ich bin. Man hat seine virtuelle Welt, die man gestaltet, und ein Großteil der Spieler nutzt die Spiele, um mit Freunden zu kommunizieren.

Was wissen Sie über Ihre Nutzer?

Relativ wenig. Wir bekommen von Facebook den Namen, das Foto und die Information, mit wem ein Spieler befreundet ist. Was Facebook sonst noch über die Nutzer weiß, erfahren wir nicht. Aber wir können aggregierte Informationen abfragen. So wissen wir, dass 70 Prozent unserer Nutzer weiblich sind und die Kernzielgruppe zwischen 30 und 50 Jahren liegt. Unsere wichtigsten Märkte sind Westeuropa und die USA – wobei nur etwas mehr als zehn Prozent der Nutzer aus Deutschland kommen.

Was wird das große Thema auf der Computerspielemesse Gamescom sein?

Die Gamescom wird geprägt sein vom Wandel in der Spieleindustrie: Spiele waren über lange Zeit Produkte so wie Filme oder Bücher. Sie werden ausgeliefert, wenn sie fertig sind. Jetzt entwickeln Spiele sich zu Diensten, die ständig weiterentwickelt werden. Ein wesentlicher Teil davon ist das Geschäftsmodell, das mit Social Games populär wurde, nämlich das Spiel gratis anzubieten und daneben virtuelle Güter zu verkaufen. Das erreicht jetzt auch die traditionelle Spieleindustrie. Das heißt: Spiele, die bisher für 50 oder 60 Euro im Laden auf DVD verkauft wurden wandern jetzt ins Internet und werden kostenlos.

Sehen Sie in der wachsenden Sorge über das Thema Datenschutz bei Diensten wie Facebook oder Google kein Problem für Ihr Geschäftsmodell?

Wir hören diese Bedenken in Deutschland. Im Ausland hören wir sie kaum und auch nicht von den Nutzern. Wenn man genau hinsieht, sind es auch nicht viele Daten, die wir speichern. Wir finanzieren unsere Spiele nicht über Werbung, daher haben wir auch kein Interesse, Nutzerdaten weiterzugeben und tun es auch nicht.

Wir kritisch ist Ihre Abhängigkeit von den sozialen Netzwerken?

Wir haben eine extrem gute Partnerschaft mit Facebook. Wir brauchen Facebook so sehr, wie Facebook Spieleanbieter wie uns braucht. Knapp die Hälfte der Nutzungszeit auf Facebook sind Spiele. Aber wir entwickeln jetzt auch Angebote für Handys und andere mobile Geräte – nicht aus defensiven Gründen, sondern weil wir beobachten, dass immer mehr Nutzer mobil spielen wollen.

Facebook bekommt 30 Prozent Ihrer Umsätze. Wie wird es bei Google plus sein?

Während der Einführungsphase sind es fünf Prozent, später wird dieser Anteil steigen. Entscheidend ist aber nicht, welchen Anteil am Umsatzkuchen der Plattformbetreiber bekommt, sondern die Größe des Kuchens insgesamt.

Sind 30 Prozent nicht sehr viel?

Wir können die Plattform und das Zahlungssystem von Facebook kostenlos nutzen. Und nur wenn wir Erfolg haben und Umsatz machen, hat auch Facebook etwas davon. Wir finden dieses Modell fair.

Was Wooga mit 24 Millionen Dollar macht

Vor kurzem haben Sie 24 Millionen Dollar bekommen. Wie lange wird das reichen?

Wir haben keinerlei Pläne, in naher Zukunft eine weiter Finanzierungsrunde abzuschließen. Wir haben des Kapital aufgenommen, um zu wachsen und zu expandieren. Wir wollen das Spieleportfolio erweitern und unser Angebot mobil machen. Derzeit wachsen wir mit mehr als zwei neuen Mitarbeitern pro Woche.

Es werden hohe Summen für Spielefirmen bezahlt. Erhalten Sie Übernahmeangebote?

Jeder, der in dieser Branche aktiv ist, bekommt regelmäßig E-Mails. Aber wir führen keine Gespräche. Ich habe kein Interesse, Wooga zu verkaufen. Mein Ziel ist es ja nicht, Millionär zu werden.

Welches Ziel ist es dann?

Meine Motivation ist es, etwas Großes zu schaffen. Ich möchte eines der größten Spieleunternehmen der Welt von Berlin aus aufbauen. Da haben wir noch einen sehr langen Weg vor uns. Unsere Vision ist es, das bis 2020 zu erreichen.

Zynga plant einen Milliarden-Börsengang. Baut sich da wieder ein Blase auf?

Was ein fairer Wert ist, müssen andere entscheiden. Ich finde es bemerkenswert, dass ein Unternehmen, das so schnell wächst, so profitabel ist. Das ist relativ selten für ein vier Jahre altes Unternehmen.

Sind die Standortbedingungen in Berlin gut genug, um Ihr Ziel zu erreichen?

Berlin hat drei Dinge, die es für Start-ups unglaublich attraktiv macht: Es ist sehr international, zieht kreative Menschen an und ist im Vergleich zu anderen Weltstädten bezahlbar. Unsere Unternehmenskultur basiert stark auf dem persönlichen Austausch, deswegen ist es wichtig, alle Mitarbeiter an einem Standort zu haben.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

DIE FIRMA: Wooga hat ihren Sitz in der Backfabrik in Prenzlauer Berg. Heute arbeiten dort 100 Mitarbeiter aus 20 Nationen, bis Jahresende sollen es 150 Mitarbeiter sein. Auf der gerade stattfindenden Game Developers Conference Europe wurde Wooga als bester europäischer Publisher und das Spiel Diamond Dash als bestes Social Game ausgezeichnet.

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