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Wirtschaft: Wunder dauern etwas länger

Der frühere Aventis-Chef Jürgen Dormann kommt bei der Sanierung von ABB langsamer voranals geplant

Zürich (oli/HB). Auch Jürgen Dormann kann nicht zaubern. Der Chef des Schweizer Industriekonzerns ABB musste am Donnerstag nach wie vor tiefrote Zahlen für sein Unternehmen vorlegen. Mit einem Konzernverlust von 767 Millionen Dollar (rund 614 Millionen Euro) hat sich ABB nur unwesentlich gegenüber dem schlechten Vorjahresergebnis verbessert. Dass dennoch von Katastrophenstimmung nichts zu spüren war, lag an den niedrig gesteckten Erwartungen der Analysten und an einem deutlichen Stimmungsaufheller: Im operativen Geschäft ist der Konzern wieder auf Kurs. Die beiden Kernbereiche Energie und Automationstechnik konnten den Betriebsgewinn, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit), gegenüber dem Vorquartal fast verdoppeln.

Dormann, der erst vor anderthalb Jahren nach seinem Abgang bei Aventis den Chefsessel bei ABB übernommen hat, kommt mit der Sanierung des Konzerns offenbar voran – wenn auch langsam. „Die Batterie ist geladen, jetzt müssen wir das ganze in Schwung bekommen“, sagte der Vorstandschef. Um sich wieder zu positionieren, hat der Konzern im Jahr 2003 die Kosten gesenkt und Sparten, die nicht zum Kerngeschäft gehörten, verkauft. 655 Millionen Dollar brachten die Sparbemühungen, sagte Garry Steel. Damit hat der Personalchef bereits mehr als zwei Drittel der angepeilten 900 Millionen Dollar erreicht, um die die Kosten bis zum kommenden Jahr reduziert werden sollen.

23000 Mitarbeiter mussten gehen, ein Großteil von ihnen allerdings wurde „verkauft“: Sie gehörten zu Geschäftsbereichen, von denen sich ABB getrennt hat. Im kommenden Quartal will der Konzern den Verkauf seines Rückversicherungsgeschäfts über die Bühne gebracht haben. Die Export- Bank und die Windenergietechnik sind die Schweizer bereits los. Dass die Gebäudetechnik sowie Teile des Öl- und Gasgeschäfts noch immer keinen Käufer gefunden haben, gehört ebenso zu den Schönheitsfehlern wie das nach wie vor schwebende Asbestverfahren. In den 70er Jahren hatte eine Tochtergesellschaft in den USA das krebsauslösende Asbest in Heizkesseln verbaut. Obwohl ABB bei den anhängigen Schadenersatzverfahren in den USA viel versprechende Vorentscheidungen erreicht hat, sind noch immer nicht alle Ansprüche von Asbestopfern befriedigt. Der letzte Gerichtstermin in den USA Anfang Februar wurde erneut verschoben.

Immerhin erzielte der Konzern im Geschäftsjahr 2003 einen Barerlös von 1,1 Milliarden Dollar aus seinen Verkäufen. Finanzchef Peter Voser glaubt, dass die jetzt noch zum Verkauf stehenden Bereiche attraktiv genug seien, um auf Interesse zu stoßen. „Wir haben die Leichen im Keller ausgebuddelt“, sagte er. Eine Prognose, wann das Thema Verkäufe erledigt sei, gab er nicht.

Die Einnahmen will er benutzen, um die Schulden weiter abzubauen. Hier gibt es noch jede Menge zu tun: Auf knapp 7,9 Milliarden Dollar belaufen sich die Gesamtschulden des Konzerns, die Dormanns Vorgänger angehäuft haben. Das Ziel, die Schulden schon 2003 deutlich zu senken, hat ABB damit verfehlt. Immerhin konnte Voser das lange Zeit viel zu niedrige Eigenkapital jetzt auf knapp drei Milliarden Dollar steigern.

Auch deshalb sprach Dormann von einem Jahr der Wende. Für ihn zählt vor allem der Erfolg der beiden Kernbereiche des Konzerns. Sie erwirtschafteten im vierten Quartal einen Bargeldstrom von 969 Millionen Dollar, 34 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Beide Bereiche profitierten vom starken Wachstum auf dem asiatischen Markt. Peter Smits, Chef der Energietechnik-Sparte glaubt, dass dies auch so bleibt. Angesichts der gewaltigen Energieversorgungsprobleme, vor denen China stehe, sieht er ABB als Marktführer in diesem Bereich gut im Geschäft.

An der Börse erwies sich Dormanns Stärke, die guten Nachrichten hervorzuheben und die schlechten als nicht weiter schlimm darzustellen, als erfolgreich. Die tadellose Bilanz der Kernbereiche sei überzeugend, sagte ein Analyst der Zürcher Kantonalbank. Händler sahen das offenbar genauso, der Kurs stieg zeitweise um mehr als sieben Prozent. Weder die Aussicht, dass ABB auch 2004 voraussichtlich keine Dividende zahlen wird, noch der unpräzise Ausblick, wonach 2004 endlich schwarze Zahlen bringen soll, kann offenbar das Vertrauen der Anteilseigner erschüttern.

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