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Wirtschaft: Zahl der Arbeitslosen steigt weiter

Experten halten mehr als fünf Millionen Arbeitslose für möglich /Arbeitsämter sparen sich ABM und Umschulung

Berlin (brö/asi). Die Arbeitslosigkeit in Deutschland wird im Februar voraussichtlich auf den höchsten Stand seit dem Amtsantritt der rotgrünen Bundesregierung klettern. Forscher halten einen Anstieg auf mehr als 4,8 Millionen Erwerbslosen für möglich.

Schuld an dieser Entwicklung sind in erster Linie die Konjunkturflaute, die Verunsicherung der Wirtschaft auf Grund der Irak-Krise sowie der kalte Winter. Eine wichtige Rolle spiele aber auch die Reduzierung der Beschäftigungs- und Bildungsmaßnahmen durch die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA), erklärten die Fachleute im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Für den Fall eines länger andauernden Krieges hält das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sogar eine Zunahme der Erwerbslosenzahlen auf mehr als fünf Millionen für möglich.

Im Januar waren bei den Arbeitsämtern noch 4,623 Millionen Menschen ohne eine reguläre Beschäftigung registriert. Bereits dies war der Höchststand seit dem Regierungswechsel im September 1998. „Im Februar wird diese Zahl noch einmal um bis zu 200 000 übertroffen“, erwartet Herbert Buscher, Chef der Abteilung Arbeitsmarkt beim IWH in Halle. „Bei der Konjunktur zeigen sich nach wie vor keine Aufhellungstendenzen.“ Die Unternehmen hätten eher zusätzlich Leute entlassen, weil sie wegen der unsicheren Zukunft verunsichert seien.

Auch andere Forscher gehen von einer Zunahme der Arbeitslosigkeit aus. Rainer Schmidt vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) ist indes zuversichtlicher und geht von 4,643 Millionen Arbeitslosen aus, das wäre ein Plus von 20 000. Wolfgang Meister vom Münchener Ifo-Institut sieht erst im Herbst den Tiefpunkt am Jobmarkt erreicht. „Bereinigt um Konjunktureinflüsse wird es frühestens im September bergauf gehen, wenn der Aufschwung kommt“, sagte er.

Zusätzlich treibt offensichtlich die Neuordnung der aktiven Arbeitsmarktpolitik die Erwerbslosenzahlen in die Höhe, die Folge der Sparpolitik bei den Arbeitsämtern ist. Behördenchef Florian Gerster will in diesem Jahr ohne Zuschuss des Bundes auskommen und streicht deshalb die Mittel für Arbeitsmarktpolitik zusammen. Bereits im Januar hatte es weniger Teilnehmer der beruflichen Weiterbildung durch die Ämter gegeben, so dass 19 000 Arbeitslose mehr zu verzeichnen waren. Auch für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) sowie Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) gaben die Behörden weniger Geld aus, so dass die Zahl der Jobsuchenden um 24 000 Menschen höher lag. In den kommenden Monaten werden diese Zahlen weiter ansteigen: Anfang Januar haben 41 Prozent weniger Menschen als noch vor einem Jahr eine Weiterbildung begonnen, 24 Prozent weniger nahmen an ABM oder SAM teil.

Das hat Folgen für den Arbeitsmarkt, fürchtet IWH-Mann Buscher. „Allein auf das Konto dieser beiden Titel geht ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit um mehr als 20 000 Menschen im Februar“, fürchtet er. Davon sei besonders Ostdeutschland betroffen, wo die meisten ABM durchgeführt werden. „Die Effektivität solcher Maßnahmen war ohnehin sehr gering, die Teilnehmer hatten nachher keine besseren Chancen auf einen Job als vorher“, sagt Buscher.

Der so genannte Eingliederungstitel, das ist der Anteil im BA-Etat, aus dem die aktive Arbeitsmarktpolitik finanziert wird, ist in diesem Jahr mit 13,5 Milliarden Euro 700 Millionen Euro kleiner als noch 2002. Experten gehen davon aus, dass die BA deshalb in den kommenden Monaten weit weniger Bildungsmaßnahmen zulassen wird als bisher. Eine interne BA-Vorstandsanweisung erlaubt den Ämtern nur noch Bildungsmaßnahmen, deren Erfolgsquote bei der Vermittlung der Arbeitslosen nach der Schulung mindestens 70 Prozent beträgt. Bisher lag der Standard bei 50 Prozent. Die Anweisung aus Nürnberg wird vor allem Bildungsträger in Ostdeutschland treffen. Dort liegt die Eingliederungsquote im Schnitt bei 30 bis 40 Prozent.

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