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Wirtschaft: Zahnersatz bleibt in der gesetzlichen Krankenkasse

Pflichtversicherte dürfen ihr Gebiss nun doch nicht privat versichern. Wer schon eine Police hat, wird kulant behandelt

Berlin – Im Hick-Hack um die Herauslösung des Zahnersatzes aus der gesetzlichen Krankenversicherung kommen die privaten Krankenversicherer ihren Kunden entgegen. Wer bereits jetzt eine private Zahnersatz-Versicherung abgeschlossen hat, weil er davon ausgegangen ist, dass die Kassen ab dem kommenden Jahr den Zahnersatz nicht mehr zahlen, kann auf Kulanz der Versicherer hoffen, sagte der Vorsitzende des Verbandes der privaten Krankenversicherer (PKV), Reinhold Schulte, dem Tagesspiegel. Schulte kündigte „kundenfreundliche Regelungen“ an, über die die Versicherten individuell entscheiden müssten. Oft werde sich die Umwandlung der Police in eine höherwertige Zahnzusatzversicherung anbieten. Sollten Kunden das aber ablehnen und lieber aus den Verträgen aussteigen wollen, würden sich die Unternehmen „nicht verweigern“.

Anders als ursprünglich vereinbart will die Bundesregierung den Zahnersatz jetzt doch in der gesetzlichen Krankenversicherung belassen, die Kosten sollen aber von Juli 2005 an allein von den Arbeitnehmern getragen werden. Das Gesundheitsministerium hat am Freitag der Union und den Koalitionsfraktionen einen entsprechenden Gesetzentwurf zugestellt (siehe Kasten). Ursprünglich sollten gesetzlich Versicherte von Januar 2005 an für den Zahnersatz einen Pauschalbeitrag zahlen und wählen können, ob sie den Zahnersatz bei einer privaten oder einer gesetzlichen Kasse versichern. Diese gemeinsam von Regierung und Opposition beschlossene Lösung ist nun vom Tisch. Die Union hatte sich zuletzt grundsätzlich zu Gesprächen bereit erklärt, aber als Verhandlungsgrundlage einen konkreten Gesetzentwurf gefordert. Die SPD-Fraktion will sich Montag mit den Vorschlägen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) befassen. Nach Angaben aus Regierungskreisen ist der Gesetzentwurf zwar zustimmungspflichtig, die wesentlichen Änderungen beim Zahnersatz könnte Rot-Grün jedoch allein durchsetzen. Man strebe aber ein gemeinsames Vorgehen an.

Für die privaten Versicherer ist das Hin und Her um den Zahnersatz mit enormen Kosten verbunden. Die Unternehmen haben bereits eine halbe Million Zahnersatz-Versicherungen abgeschlossen. Die Investitionen in die Tarifentwicklung, die EDV und den Vertrieb wären wertlos, wenn der Zahnersatz jetzt doch Kassenleistung bliebe. Am Freitag hat der Verbandschef daher kritische Briefe an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Gesundheitsministerin Schmidt geschrieben. „Wir brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit“, fordert Schulte. Man könne nicht ein bereits beschlossenes Gesetz einfach vier Monate vor seinem Inkrafttreten verändern, rügte Schulte, der auch Vorstandschef der Signal-Iduna-Versicherung ist, das Durcheinander.

Auch die Zahnärzteverbände kritisierten den Kurswechsel beim Zahnersatz. Wilfried Beckmann, Bundesvorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte, sagte zu den Vorschlägen Schmidts: „Das ist die Kombination aller erdenklichen Nachteile.“ Versicherte müssten künftig mehr als das Doppelte für den Zahnersatz bezahlen, ohne den Umfang ihrer Leistungen bestimmen zu können. Jürgen Weitkamp, Präsident der Bundeszahnärztekammer, sagte, der Vorschlag beinhalte „maximale Nachteile“ für die gesetzlich Versicherten, da das Wahlrecht, den Zahnersatz bei einer privaten oder gesetzlichen Kasse zu versichern, entfalle.

Schon jetzt treibt die Unsicherheit über die künftige Finanzierung der Kronen und Brücken Patienten in die Praxen. Im ersten Halbjahr stiegen die Ausgaben der Kassen für den Zahnersatz nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum an. „Wir erwarten, dass aufgrund der Verunsicherung der Patienten die Nachfrage im vierten Quartal weiter steigen wird“, sagte Beckmann.

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