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Wirtschaft: Zentralbank lehnt Zinssenkung ab

EZB sieht Aufschwung nicht bedroht / Forscher: Längere Arbeitszeit würde Konjunktur stabilisieren

Berlin/Frankfurt (Main) (brö/ro). Die EUropäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen am Donnerstag unverändert gelassen. Trotz der schwächer werdenden Aufschwungsignale bleibt damit der wichtigste Preis, zu dem sich die Kreditwirtschaft Geld von der Zentralbank borgen kann, bei 2,0 Prozent. „Der beste Beitrag, den wir zur Erholung der Wirtschaft leisten können, ist der Anker der Preisstabilität. Sie ist der magnetische Norden unseres Kompasses“, sagte EZBPräsident Jean-Claude Trichet nach der Sitzung des EZB-Rates in Frankfurt (Main).

Die Leitzinsen sind eines der wichtigsten Instrumente, mit denen die Zentralbank die Wirtschaft beeinflussen kann: Sinken die Kreditzinsen, wird es für Unternehmen attraktiver, sich Geld zu leihen und es für Investitionen auszugeben. Allerdings bergen sinkende Zinsen auch die Gefahr, dass die Inflation wieder anzieht. In den letzten Wochen hatten mehrere Konjunkturdaten darauf hingedeutet, dass der Aufschwung in Deutschland und Europa weniger stark ausfallen könnte als erhofft: Frühindikatoren wie der Geschäftsklima-Index des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung hatten wieder nach unten gezeigt, zudem hatten mehrere Ökonomen ihre Wachstumsprognosen für 2004 nach unten korrigiert. Schuld waren der hohe Ölpreis und der starke Euro-Wechselkurs.

Politiker und Forscher hatten deshalb einen Zinsschritt von der EZB verlangt. Das hält die Bank für unnötig. „Wir sind nicht besorgter als Anfang März“, sagte EZB-Chef Trichet. Er gab keine Hinweise darauf, dass die Notenbank in absehbarer Zeit die Geldpolitik lockern könnte. Mit dem derzeitigen Zinsniveau lasse sich die Preisstabilität sichern. Derzeit liegt die Inflationsrate in Euroland bei 1,6 Prozent. Stabiles Geld sieht die EZB erreicht, wenn die Rate nahe oder unter zwei Prozent liegt. Auch gebe es keine Anzeichen, dass das Wachstum in der Eurozone gefährdet sei. „Die Bedingungen für eine Wirtschaftserholung haben Bestand“, versicherte Trichet. Die Terroranschläge von Madrid hätten das Vertrauen der Konsumenten in die wirtschaftliche Erholung nicht gedrückt.

Trichet räumte ein, dass die Signale für die weitere Konjunkturentwicklung gemischt seien. Ein Risiko sei insbesondere das hohe Haushalts- und Leistungsbilanz-Defizit in den USA. Auch die schwache private Nachfrage gibt der EZB zu denken.

Volkswirte reagierten mit Unverständnis auf die EZB-Entscheidung. „Ich sehe keinen Grund, der gegen eine Zinssenkung gesprochen hätte“, sagte Uwe Angenendt, Chefvolkswirt der ING BHF-Bank in Frankfurt (Main). „Die Risiken für die Konjunktur nehmen zu, und die Preisentwicklung ist sehr günstig.“ Sollte EZB-Chef Trichet nicht bald die Zinsen senken, müsse er sich womöglich vorhalten lassen, den Aufschwung abzuwürgen. Nach Meinung von Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Invesco, würde erst ein Triple-Dip, also ein dritter Abschwung in kurzer Folge, die EZB zu einem Zinsschritt bewegen.

Als Alternative zu einer Zinssenkung schlug das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine Verlängerung der Arbeitszeit vor. Wenn die effektive Arbeitszeit aller Beschäftigten in Deutschland ab sofort um eine Stunde steige, werde das Wachstum um 1,5 Prozentpunkte stärker ausfallen. Das geht aus einer IW-Berechnung hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Weil damit die Lohnstückkosten zurückgingen, könnten 2005 rund 80000 Leute zusätzlich eine Stelle finden. „Es würde helfen, die Konjunktur zu stabilisieren, wenn die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich verlängert würde“, sagte IW-Chefökonom Rolf Kroker. „Das wäre ein Signal für die Unternehmen, die so ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken könnten.“

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