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Wirtschaft: Zu wenig Mut im Westen für den Osten

Die Treuhand privatisierte die DDR, wurde als Jobkiller angegriffen und war letztlich erfolgreich – sagt Birgit Breuel

Der Job muss ihr Spaß gemacht haben, obwohl sie damals die „verhassteste Institution ganz Deutschlands“ leitete, wie Birgit Breuel sagt. Als Präsidentin der Berliner Treuhandanstalt war sie nach der Wiedervereinigung für das größte Privatisierungsprogramm der Wirtschaftsgeschichte verantwortlich. „Wir wurden von vielen angefeindet, aber auch wenn von allen Seiten auf uns geschossen wurde, hat uns unser Teamgeist vor Einflussnahme von außen bewahrt“, erinnert sie sich. Am Montag war Breuel erste Rednerin im Rahmen einer Vorlesungsreihe der Humboldt-Universität, die die Arbeit der Treuhand bilanzieren will.

„Die Politik hat kein Interesse daran, die Folgen der wirtschaftlichen Vereinigung aufzuarbeiten“, sagt Michael Burda, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, der die Ringvorlesung organisiert hat. Das zeige sich etwa daran, dass nicht einmal die statistischen Ämter genaue Zahlen über den Gesamttransfer von West nach Ost erarbeitet hätten. Für die Wissenschaft sei es daher nicht leicht, eine Analyse zu erstellen. Die Vorträge von Zeitzeugen über die Treuhand sollen dazu nun einen Beitrag leisten.

Die Treuhand war für 8000 volkseigene Betriebe sowie 30000 Einzelhandelsgeschäfte, Hotels, Gaststätten und Liegenschaften verantwortlich. Vier Millionen Menschen arbeiteten in Treuhand-Unternehmen. Bis zur Auflösung der Treuhand im Dezember 1994 privatisierte sie über 6300 Firmen, fast 1600 wurden an die früheren Eigentümer übertragen. Doch für Aufmerksamkeit sorgten nicht die Erfolge, sondern vor allem die 3718 Liquidationen, die zu hunderttausenden Entlassungen führten und der Treuhand den Ruf eines Jobkillers einbrachte. Hauptgrund für die Stilllegungen war Breuel zufolge der Zusammenbruch der Absatzmärkte in Osteuropa. Am Ende stand die Treuhand mit Schulden in Höhe von 256 Milliarden Mark da.

Der größte Mangel des Transformationsprozesses war für Breuel, dass auch die westdeutschen Systemfehler auf die ehemalige DDR übertragen wurden. „Die Mängel des Gesundheitssystems oder der Hochschulen waren bekannt, aber man hatte nicht den Mut oder die Kraft, in Ostdeutschland andere Wege zu gehen“, sagt Breuel. Auch habe sie angeregt, in den neuen Ländern Steuervorteile und weniger Bürokratie zuzulassen, worauf sich die Bundesregierung nicht eingelassen habe.

Größter Vorzug der Treuhand sei ihre Unabhängigkeit gewesen. Hätten die Privatisierer einem Ministerium unterstanden, wären viele unpopuläre Entscheidungen nur vertagt worden. Betriebsstilllegungen seien schmerzhaft, aber meist unvermeidlich gewesen. „Trotz aller kleinen und großen Fehler stehe ich zu dem, was wir damals gemacht haben“, resümiert Birgit Breuel.

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