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Wirtschaft: Zwischen Kochtopf und Schreibtisch

Für Köche ist eine Weiterbildung zum Küchenmeister oft Voraussetzung für eine Führungsposition.

Zur praktischen Prüfung erhielt Mark Tiedau einen Warenkorb mit Lebensmitteln, mit dem er innerhalb von zwei Stunden ein fünfgängiges Menü planen sollte. Die Regel beim Praxisteil der IHK-Prüfung zum Küchenmeister lautet: Alles muss selbst gemacht sein, von der Nudel bis zum filetierten Fisch. Dann ging es mit dem Arbeitsplan in die Küche. Die Prüfer achten dabei auch auf ökonomischen Umgang mit den Lebensmitteln, Hygiene und den Einsatz des Hilfskochs. „Fast die ganze Zeit steht jemand neben einem und guckt genau zu“, erinnert sich Tiedau.

2011 legte der heute 28-Jährige aus Pankow seine Küchenmeister-Prüfung erfolgreich ab. Insgesamt acht Monate hatte der Lehrgang bei der IHK Berlin gedauert, mit dem er sich vorbereitet hatte. Die Lehrgänge der verschiedenen Anbieter sind heute fast ausschließlich berufsbegleitend, mit einer großen Spannbreite an Gesamtdauer und Präsenzphasen.

Besonders gründlich ist die Vorbereitung auf den wirtschaftlichen Teil: Anders als der Meisterkoch, der sich durch die Fähigkeiten in der Küche qualifiziert, geht es beim Küchenmeister auch um die Qualifikation in wirtschaftlichen Belangen. Der Meister dient damit Köchen, die sich selbstständig machen wollen oder Führungspositionen anstreben. Dabei gilt: je größer der Betrieb, desto wichtiger die wirtschaftlichen Kenntnisse. Auch angehende Fachpraxislehrer und Lebensmittelkontrolleure müssen den Küchenmeister machen.

Wenn sich die Weiterbildung lohnen soll, sollte also auch die Bereitschaft vorhanden sein, vom Herd an den Bürotisch zu wechseln. Mark Tiedau wollte langfristig Küchendirektor werden – in größeren Betrieben wie etwa Hotels der Vorgesetzte des Küchenchefs. Sein Ziel hat er schneller erreicht, als er erwartet hatte: Inzwischen ist Tiedau Küchendirektor im Hotel Pullman Berlin Schweizerhof und leitet dort ein Team mit 20 Köchen. In der Küche ist er immer wieder, probiert mal hier, richtet etwas dort. Doch dann geht es gleich wieder ins Büro: Etwa 80 Prozent der Zeit verbringt er mit Organisation, Planung, schreibt Dienstpläne und Speisekarten. „Die ganze Küche läuft, weil ich sie so plane, wie ich sie plane. Das ist das, was mir Spaß macht“, sagt Tiedau.

Auf dem Weg zum Küchenmeister war er in der Prüfungsvorbereitung vor allem im wirtschaftlichen Teil häufig auf Fragen gestoßen, die ihn überraschten. „Bei vielen hätte ich nicht gedacht, dass ein Küchenmeister das wissen muss.“ Etwa: Wie wirkt es sich auf private Haushalte aus, wenn die Europäische Zentralbank den Leitzins hebt oder senkt? Doch heute ist er dankbar für die intensive Schulung. „Dadurch habe ich eine gewisse Sicherheit bekommen, auch was meine Entscheidungen für die Küche betrifft.“

Auch bei der IHK Berlin weiß man, wie herausfordernd die Lernstoffe sind – gerade auch im Selbststudium. Neben VWL, BWL und Rechnungswesen geht es auch um Themen wie Recht, Speisetechnologie, Mitarbeiterführung. Daher beginnt der Lehrgang mit einer Einführung: Wie gehe ich mit dem Material um? Wie teile ich meine Zeit ein? Welcher Lerntyp bin ich? Astrid von Kempski aus der IHK-Weiterbildungsabteilung sagt: „Für viele, die jahrelang in der Küche gearbeitet haben, ist das nicht selbstverständlich.“

Voraussetzung für die Anmeldung zur Prüfung ist eine drei- bis vierjährige Berufserfahrung. „Dabei sollten die Kandidaten in der Küche auch schon andere Aufgaben als Kochen übernommen haben“, sagt von Kempski – wie das Planen von Veranstaltungen oder Einkauf. „Wer in einer kleinen Küche arbeitet, die immer dasselbe kocht, für den wird es schwierig.“

Zwischen 15 und 20 Köche melden sich pro Jahr in Berlin für den Küchenmeister an. Beim Lehrgang der IHK Berlin selbst gibt es zusätzlich zu den Unterrichtsmaterialien drei Präsenzphasen mit insgesamt 260 Unterrichtsstunden. Für die acht Monate des Lehrgangs verließ Mark Tiedau seine Stelle als Postenchef im Hotel Adlon und arbeitete als Aushilfe im Hotel Intercontinental – so konnte er die Lernphasen entspannt angehen und musste dennoch nicht gänzlich auf sein Gehalt verzichten.

Die Kosten der Lehrgänge unterschiedlicher Anbieter liegen je nach Gesamtdauer und Anteil von Unterrichtsstunden bei etwa 3000 Euro, die Anmeldung zur Prüfung kostet 700 Euro. Oft kann ein Meisterbafög beantragt werden. Hin und wieder finanzieren auch die Betriebe den Meister ihrer Köche und stellen sie für die Präsenzphasen frei – ansonsten müssen sie dafür Urlaub nehmen.

Die Auswahl für den Lehrgang treffen die angehenden Küchenmeister nach Zeit und Lebenssituation. In der Deutschen Hotelakademie (DHA) etwa dauert der Lehrgang zum Küchenmeister 20 Monate, mit insgesamt 17 Tagen Präsenzphasen mit variablen Terminen. Für den Selbstlernanteil gibt es regelmäßige Studienbriefe und Webinare. Die DHA setze auf ein multimediales Lernarrangement und hohe Flexibilität, sagt Geschäftsführerin Merle Losem. „Wir wollen die Köche nicht belasten, wir wollen begleiten.“

Auch Nicholas Yackell, 46, macht die Küchenmeister-Weiterbildung bei der DHA. Nächstes Jahr stehen seine Prüfungen an. Zurzeit arbeitet er als Küchenleiter für ein großes Catering-Unternehmen in Karlsruhe. Mit dem Schritt zum Meister hat er lange gewartet. „Es war immer relativ teuer und ich konnte auch nicht aus dem Job raus“, sagt er. Jetzt hält er die Zeit für gekommen, sich nach anderen Funktionen im Betrieb umzusehen. „Ab einem gewissen Alter ist es gut, mal aus dem Kochstress herauszukommen. Und trotzdem kann man ja noch mitkochen“, sagt er. Für Stellenbewerbungen auf Betriebsleiterebene gehöre der Küchenmeister meist zu den Grundvoraussetzungen.

Die Aussichten für Köche und Küchenmeister seien derzeit ausgesprochen gut, sagt Merle Losem. Das liege auch daran, dass immer weniger Menschen bereit seien, sich auf die unregelmäßigen Arbeitszeiten einzulassen. „Man arbeitet, wenn andere frei haben: an Wochenenden, an Feiertagen, an Weihnachten“, sagt Losem. Das gelte meist auch für den Küchenmeister in Führungsposition. Auch wenn er kaum noch in der Küche steht – ansprechbar muss er trotzdem sein.

Was Mark Tiedau heute als Küchendirektor im Hotel organisiert – vom Dienstplan bis zur Speisekarte – muss sitzen. Dabei kreativ zu sein und am Ende das Ergebnis vor Augen zu haben, ist das, was ihm Freude bereitet. Jetzt steckt er sich ein neues Ziel: Nach dem Küchendirektor soll der F&B-Manager kommen, der im Hotel für den gesamten Speise- und Getränkebereich zuständig ist. Dann kann er weiter dafür sorgen, dass der Laden läuft und das Essen schmeckt.

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