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Die Abbildung zeigt, wie die von Carbon Engineering entworfenen CO2-Abscheider aussehen könnten. Diese Einheit wäre eine von mehreren, die im Verbund etwa eine Million Tonnen Kohlendioxid pro Jahr aus der Luft entfernen könnten.

© Carbon Engineering

Menschengemachter Klimawandel: Ab 94 Dollar pro Tonne: günstiger Kohlendioxid aus der Luft entfernen

Immer wieder wird das Entfernen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre diskutiert, um die Effekte des Klimawandels abzumildern. Für die Technik gibt es nun einen kostengünstigeren Ansatz.

Ein optimierter technischer Prozess kann das Entfernen des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) aus der Luft deutlich günstiger machen. Anhand einer Pilotanlage und Simulationen für größere Anlagen errechneten David Keith von der Harvard University in Cambridge (Massachusetts, USA) und sein Team Kosten von 94 bis 232 Dollar für eine Tonne abgeschiedenes CO2. Bisher seien Schätzungen von bis zu 1000 Dollar pro Tonne CO2 ausgegangen, schreiben die Forscher im Fachmagazin "Joule". Die Abscheidung von CO2 direkt hinter einem industriellen Prozess sei allerdings erheblich günstiger, merkt Thomas Leisner vom Karlsruher Institut für Technologie an.

Ausbeute des Verfahrens: Dreiviertel des CO2

Harvard-Professor Keith ist zugleich wissenschaftlicher Leiter von Carbon Engineering, einem kanadischen Unternehmen für CO2-Abscheidung und saubere Brennstoffe. Er nutzt die jahrelange Forschung und die praktische Erfahrung, um die Prozesse genau zu beschreiben und Kostenschätzungen daraus abzuleiten. Kostensenkend wirkt sich beispielsweise aus, dass Keith und Kollegen für viele Teilbereiche technische Lösungen verwendet haben, die bereits auf dem Markt sind. Sie müssen lediglich mit überschaubarem Aufwand angepasst werden.

Das chemisch-technische Verfahren an sich ist bekannt: Luft strömt an einer wässrigen Lösung vorbei, das CO2 verbindet sich mit dem Kaliumhydroxid in der Lösung zu Kaliumkarbonat, auch Pottasche genannt. Rund 75 Prozent des CO2 kann damit der durchströmenden Luft entzogen werden. Im nächsten Schritt findet eine Reaktion mit Kalziumhydroxid statt, wobei wieder Kaliumhydroxid sowie Kalziumkarbonat entsteht. Aus diesem entweicht in einem Kalzinierofen das CO2, während das übrig bleibende Kalziumoxid mit Wasser zu Kalziumhydroxid reagiert und wieder in den Kreislauf eingespeist wird.

Das Foto zeigt Carbon Engineerings Pilotgerät zum Abscheiden von CO2. Bauteile und Design unterscheiden sich nicht von den Anlagen, die das Unternehmen kommerziell bauen will.

© Carbon Engineering

Das Abscheiden benötigt viel Energie und Wasser

Die Kontakteinheit zwischen der Luft und der Kaliumhydroxid-Lösung bezeichnen die Wissenschaftler als das "Herz" der Technologie: "Es ist die Einheit, die am weitesten vom industriellen Vorgänger entfernt ist", schreiben sie. Die Lösung läuft in einem nur 50 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dicken Film von oben nach unten, während die Luft horizontal strömt. Bei vergleichbaren Prozessen ist eine gegenläufige Strömung von Gas und Flüssigkeit üblich.

Trotz aller Optimierung ist der Prozess aufwendig: Um eine Tonne CO2 aus der Luft abzuscheiden, werden unter anderem 4,7 Tonnen Wasser und 8,8 Gigajoule Erdgas benötigt. Dennoch sehen die Forscher das Verfahren als umweltschonend an, etwa in Verbindung mit erneuerbaren Energien: "Wir können diese Energie direkt aus großen Solar- oder Windanlagen an großen Standorten beziehen, wo sie billig sind, und sie für die Rückgewinnung und Wiederverwertung von Kohlendioxid in neuen Kraftstoffen verwenden", wird Keith in einer Mitteilung des Fachmagazins zitiert. Auf diese Weise könnten kohlendioxidneutrale Kraftstoffe hergestellt werden.

Besser wäre, das CO2 gar nicht erst zu erzeugen

Thomas Leisner vom Karlsruher Institut für Technologie erkennt den technischen Fortschritt des dargestellten Verfahrens an. Er weist jedoch darauf hin, dass die Abscheidung von CO2 direkt nach dessen Entstehung in Deutschland nur etwa 30 Dollar pro Tonne CO2 koste. Andererseits sei das Verfahren für einige Anwendungen "nicht uninteressant". Allerdings gingen Keith und Kollegen von sehr niedrigen Energiepreisen aus, Kosten für das Grundstück oder Steuern seien nicht berücksichtigt. Die Kostenberechnung an sich sei aber plausibel.

Dem stimmt Matthias Jahn vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden zu. Utopisch sei das Verfahren keinesfalls, das Schweizer Unternehmen Climeworks verwende ein ähnliches. Dennoch sei es derzeit noch weitaus wirtschaftlicher, den CO2-Ausstoß bei industriellen Prozessen zu vermeiden. So nutze IKTS bei der Stahlerzeugung ein Verfahren, bei dem Kohle durch Erdgas und regenerativ erzeugten Wasserstoff für die Reduktion von Eisenoxid ersetzt wird. Dies führe zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen bis zu 95 Prozent, sagt Jahn. "Unser Ziel ist es, CO2 so gut es geht zu vermeiden und da, wo es nicht vermieden werden kann, zu nutzen."

Stefan Parsch, dpa

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