zum Hauptinhalt

AhA: Warum erlebt man ein Déjà-vu?

Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“ beginnt mit einer unwillkürlichen Erinnerung: Durch eine in Tee eingetauchte Madeleine wird er in seine Kindheit zurückversetzt. Der Geschmack des Gebäcks entrückt ihn der Gegenwart, er durchlebt eine ihm vertraute Konstellation.

Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“ beginnt mit einer unwillkürlichen Erinnerung: Durch eine in Tee eingetauchte Madeleine wird er in seine Kindheit zurückversetzt. Der Geschmack des Gebäcks entrückt ihn der Gegenwart, er durchlebt eine ihm vertraute Konstellation. Immer wieder läuft der 3000-Seiten-Roman auf jene unverhofften Glückserlebnisse zu, in denen die Distanz zwischen Gegenwart und Vergangenheit aufgehoben wird.

Während Proust genau wusste, mit welcher Situation der Madeleine-Geschmack assoziiert war, kommt ein Déjà-vu unvermittelt. Es hinterlässt den Eindruck, eine Situation genau so schon einmal erlebt zu haben. „Beim Déjà-vu ist man verwundert darüber, dass einem das Umfeld vollkommen vertraut vorkommt, obschon man noch nie an diesem Ort war“, sagt Uwe Wolfradt vom Institut für Psychologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „Für einen Moment zweifelt man an der Wirklichkeit.“

Die meisten Menschen, Frauen wie Männer, können sich an mindestens ein Déjà-vu-Erlebnis erinnern. Doch bis heute gibt das Phänomen den Forschern Rätsel auf. Manche vermuten, dass es sich um eine kurzzeitige Störung im Gehirn handelt, ähnlich einer Halluzination. Für diese These sprechen Wolfradt zufolge Untersuchungen an Patienten mit Schäden im Schläfenlappen. Sie berichteten häufig von Déjà-vu-Erlebnissen.

Denkbar ist aber auch, dass es dafür eine reale, uns verborgene Grundlage gibt. Augen, Ohren, Haut, Geschmacks- und Geruchssinn leiten unzählige Signale an das Gehirn. Nur ein Bruchteil davon wird uns bewusst. Dieses Bewusstsein ragt wie die Spitze eines Eisbergs aus dem Meer des Unbewussten heraus. Vielleicht lässt ein unbewusst gespeicherter Geschmack oder Laut bisweilen ein Vertrautheitsgefühl in uns aufsteigen, das auf die gesamte Szenerie übertragen wird.

Sigmund Freud hingegen sah eine enge Verbindung zwischen Déjà-vus, frühkindlichen Erinnerungen und Traumatisierungen. Wolfradt erläutert dies am Beispiel eines schweren Verkehrsunfalls. „Nach einem solchen Unfall kann schon ein Licht oder der Geruch nach Benzin genügen, um das ganze Unfallgeschehen wieder voll zu inszenieren.“Thomas de Padova

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false