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Die Datenlage reicht nicht aus, um klare Aussagen darüber zu treffen, wie bedeutsam Kinder als Überträger sind. 

© Ennio Leanza/KEYSTONE/dpa

Ansteckungsgefahr mit Covid-19: So ist die Datenlage zu Kindern als Treiber der Corona-Verbreitung

Wie sehr tragen Kinder zur Verbreitung des Virus bei? Eine Antwort würde helfen bei der Entscheidung, wann Kitas und Schulen wieder Normalbetrieb aufnehmen können. Ein Faktencheck. 

Wie bedeutsam sind Kinder als Überträger des Coronavirus? Und wie schnell stecken sie sich an? Die Antworten auf diese Fragen sind wichtig - besonders für die Entscheidung, wie schnell Kitas und Schulen wieder in den Normalbetrieb gehen können. Allein: Die Datenlage dazu ist weiterhin relativ dünn.

Die zentrale Frage: Stimmt die Behauptung, dass Kinder keine wesentlichen Treiber der Corona-Verbreitung sind?

Die Antwort: Das lässt sich mit den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht abschließend beurteilen.

„Das Kinderthema ist einfach im Moment ein offener Bereich, wo uns Daten fehlen und wo die wenigen und zum Teil wenig soliden Daten, die vorhanden sind, von unterschiedlichen Wissenschaftlern leicht unterschiedlich interpretiert werden.“ So beschrieb Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité, vor rund zwei Wochen die Lage im Corona-Podcast des NDR. 

Bereits Ende April hatte Drostens Team eine erste Auswertung von Daten zur Virusmenge nach Alter veröffentlicht. Die Wissenschaftler hatten in Proben von 3712 Infizierten die Menge an Sars-CoV-2-Viren bestimmt. Das Ergebnis: Im Wesentlichen gebe es keine nachweisbaren Unterschiede in der Viruslast der verschiedenen Altersgruppen. Bei der Beurteilung der Ansteckungsgefahr für Kinder müssten die gleichen Annahmen wie für Erwachsene zugrunde gelegt werden, so die Forscher. 

Studie gibt nur indirekte Hinweise

Allerdings wies Drosten im Podcast vom 30. April bereits auf mögliche Schwächen der Studie hin: „Das ist sicherlich nicht die normale Art von Studie, die man machen würde, um die Frage nach der Übertragung von und durch Kinder zu beantworten.“ Sie könne nur indirekte Hinweise geben. 

Untersuchungen zu Übertragungen von und durch Kinder direkt etwa in Schulen oder Kitas seien zu der Zeit wegen der Schließungen gar nicht möglich gewesen. Auch hätte die Zahl einbezogener Kinder noch größer sein können, so der Virologe

Mehrere andere Wissenschaftler haben inzwischen Anmerkungen zu der Studie veröffentlicht. Der Epidemiologe Leonhard Held von der Uni Zürich weist in einem Aufsatz unter anderem ebenfalls auf die relativ kleine Zahl von untersuchten Kindern und Jugendlichen hin.

Forscher der Uni Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm sehen Signale, wonach Kinder bis zehn Jahre als Überträger des Virus nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Ein Team um die Virologin Isabella Eckerle von der Uni Genf ging einen Schritt weiter als Drostens Team. Die Forscher untersuchten, wie viel tatsächlich infektiöses Virusmaterial in Proben von Neugeborenen, Kindern und Erwachsenen mit Covid-19-Symptomen nachweisbar ist. 

Kleine Kinder spielen als Überträger untergeordnete Rolle

In einer ersten Veröffentlichung beschreiben sie, dass symptomatische Kinder aller Altersstufen eine vergleichbare Virusmenge wie Erwachsene tragen und sie innerhalb des frühen Stadiums der Krankheit „infektiöses Virus ausstoßen“. Die Übertragung des Virus durch Kinder sei deshalb plausibel. 

Einen deutlichen Unterschied scheint es jedoch beim Ansteckungsrisiko von Kindern und Erwachsenen zu geben. Wie hoch dieses für verschiedene Altersgruppen ist, haben Forscher in China analysiert. Ihr in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichter Artikel legt dar, dass Kinder nur um ein Drittel so anfällig sind, sich zu infizieren, wie Erwachsene zwischen 15 und 64 Jahren. 

„Gleichzeitig muss man aber auch sagen: Kinder haben vielleicht in der gleichen Altersgruppe, in der Kita und in der Schule, mindestens dreimal so intensiven Kontakt“, ordnete Drosten diese Ergebnisse im Podcast vom 30. April ein. (Alexandra Stober, dpa)

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