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Theileria-Parasiten in Afrika: Auf den Spuren Robert Kochs

Tausende von Tieren in Ost- und Nordafrika sterben jedes Jahr an den Folgen einer Infektion mit Theileria-Parasiten. Ein deutsch-afrikanisches Forscherteam will das ändern.

Erst bekommen die Tiere Fieber, sie werden schwach und wollen nicht mehr fressen. Nach zwei bis drei Wochen qualvollen Leidens sind die meisten Rinder verendet. Gestorben an einer Krankheit, die durch winzige Einzeller verursacht wird: Theilerien heißen die Parasiten, die jedes Jahr Tausenden von Rindern in Nord- und Ostafrika das Leben kosten. „Theilerien sind trickreiche Erreger und absolut einzigartig“, sagt Professor Jabbar Ahmed von der Freien Universität Berlin.

Gemeinsam mit seinen Kollegen Professor Peter-Henning Clausen und Ard Nijhof koordiniert der Tiermediziner ein deutsch-afrikanisches Forschungsprojekt, das sich ein Ziel gesetzt hat: Die Erreger, an denen schon Robert Koch forschte, genauer untersuchen und neue Behandlungsmethoden entwickeln, um der Epidemie Herr zu werden. „Denn die Rinderkrankheit führt zu hohen wirtschaftlichen Verlusten und bedroht die Lebensgrundlage großer Teile der dortigen Bevölkerung“, sagt Ahmed.

Seit Jahren schon wütet die Tierseuche im Norden und Osten Afrikas, was ihr auch den Namen Mittelmeertheileriose oder Ostküstenfieber eingetragen hat. Das tropische und subtropische Klima dort bietet optimale Bedingungen für die Blutsauger, die der Parasit zu seiner Verbreitung braucht. Anders als die einzelligen Erreger der Malaria, mit denen die Theilerien verwandt sind, werden sie nicht durch Mücken übertragen, sondern durch den Stich einer Schildzecke. Im Rinderkörper befallen die Einzeller dann die Immunzellen des Tieres, stimulieren deren unkontrollierte Teilung und überschwemmen so das gesamte Lymphsystem des Körpers mit infizierten Zellen, bevor sie das Lungengewebe und die Zellen des Verdauungstraktes befallen. Es kommt zu hohem Fieber, Lungenödemen, Atemnot und letztlich zum Tod der Tiere.

Die Epidemie ist ein großes Problem für die Milch- und Fleischwirtschaft vor Ort, denn Vorsorgemaßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten stehen nur begrenzt zur Verfügung, und teuer sind sie obendrein. Bisher versuchen die afrikanischen Bauern und Behörden, die Tierseuche nicht nur durch Medikamente und das Sprühen von Pestiziden gegen die Zecken in den Griff zu bekommen, sondern auch durch das Impfen der Tiere. Obgleich die derzeitigen Impfkosten für Tansanias Verhältnisse astronomisch hoch seien, „können die Bauern nicht einmal sicher sein, dass die Impfung ihre Rinder vollständig schützt“, sagt Professor Paul Gwakisa, der sich in Tansania seit Jahren mit der Krankheit auseinandersetzt. Denn der zurzeit verwendete Lebendimpfstoff schütze nicht gegen alle vorkommenden Theilerien-Stämme.

Die Krankheit sei nicht nur eine massive Belastung für die Bauern vor Ort, sondern für die gesamte Volkswirtschaft, rechnet Gwakisa: „Jedes Jahr sterben allein in Tansania mehr als 40 Prozent der Nutztiere an einer Infektion mit Theileria-Parasiten. Das sind Verluste von rund 43 Millionen Dollar. Und dieses Geld fehlt dann natürlich an anderer Stelle, zum Beispiel im Bildungssektor.“

Dass man die Epidemie bislang nicht stoppen konnte, liegt an der Tücke des Parasiten, aber auch daran, dass es in den betroffenen Ländern zum Teil an Forschungsgeldern und einer entsprechenden Infrastruktur mangelt. „Bei den Recherchen für meine Abschlussarbeit über Theileria stellte ich fest, dass es kaum ägyptische Forschungsliteratur zum Thema gibt. Dabei ist der Parasit in meinem Heimatland ein großes Problem“, sagt die Immunologin Amira Alhosari von der Assiut University in Ägypten. Entmutigen lässt sich die junge Forscherin davon aber nicht, zu wichtig ist der Kampf gegen die verhängnisvolle Infektion.

Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Kooperationsprojekts, an dem Wissenschaftler aus Kenia, Uganda, Tansania, Sudan, Südsudan, Tunesien und Ägypten beteiligt sind, hoffen sie und ihre Kollegen nun, bisherige Wissenslücken zu schließen und neue Behandlungsmethoden und effektivere und sicherere Impfstoffe entwickeln zu können. Ein erstes Treffen fand Ende vergangenen Jahres in Berlin statt – an dem Ort, an dem die Forschung über Theileriosen bereits Tradition hat: Der Forscher und Nobelpreisträger Robert Koch, der später auch das Institut für Infektionskrankheiten in Berlin leitete, entdeckte und beschrieb schon im 19. Jahrhundert auf seinen Forschungsreisen nach Afrika die Parasiten im Blut, die damals „Koch’sche Kugeln“ getauft wurden. Und vor 40 Jahren klärten Wissenschaftler des Instituts für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der Freien Universität Berlin den Entwicklungszyklus der Theilerien in den Zecken auf. Vielleicht gibt es ja in ein paar Jahren wieder eine Erfolgsmeldung aus Berlin.

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