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Ausstellung: Sehr viele kleine Tierchen

Über Mensch und Mikrobe: Auch lange nach der "Langen Nacht" ist in Berlin noch für zwei Wochen eine ungewöhnliche Wissenschaftsausstellung zu bestaunen.

Alles dreht sich hier um unsichtbare Kleinstlebewesen oder Nochnicht-einmal-Lebewesen, die die Ausstellungsbesucher zudem billionenfach in den Thaersaal der Humboldt-Universität hineintragen: Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten, mit denen der Mensch eine unaufkündbare Lebensgemeinschaft bildet. Im Guten wie im Schlechten.

Der Hype um die Mikroorganismen begann im 17. Jahrhundert, und ohne Mikroskop wäre er gar nicht möglich geworden. Unter ein solches legte der Holländer Antoni van Leeuwenhoek im Jahr 1683 ein wenig Belag, den er zuvor aus seinen Zahnzwischenräumen entfernt hatte. „Ich sah mit großem Erstaunen, dass es in der besagten Substanz sehr viele kleine Tierchen gab, die sich artig bewegten“, schrieb er später in einem berühmt gewordenen Bericht an die Königliche Akademie in London.

Ausschnitte aus dem Bericht sind in einem Audio-Feature an einer der zehn Themenstationen zu hören. In jedem menschlichen Mund lebten wahrscheinlich mehr von diesen „kleinen Tierchen“, als das Königreich Untertanen habe, so vermutete der Pionier der Mikroskopie. Seine Zeitgenossen reagierten ungläubig: Lebewesen, die der Mensch nicht mit bloßem Auge erkennen kann, wo gibt es denn so etwas?

Anlass der Ausstellung „Mensch Mikrobe – Das Erbe Robert Kochs und die moderne Infektionsforschung“, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Robert-Koch-Institut gemeinsam auf die Beine gestellt haben, ist der 100. Todestag von Robert Koch, dem Mitbegründer der modernen Bakteriologie, der die Labortechnik revolutionierte, schon mit 39 Jahren durch seine Entdeckung des Tuberkulosebazillus zu Weltruhm kam und im Jahr 1905 den Nobelpreis für Medizin erhielt.

Nicht erstaunlich also, wenn bei „Mensch Mikrobe“ viel über die Tuberkulose zu erfahren ist, die im 19. Jahrhundert als Krankheit edler, blasser Künstlernaturen galt. Aber auch über Pest, Cholera, Kindbettfieber und moderne Bedrohungen wie die Malaria kann man sich dort schlaumachen. Das Grippevirus stellt sich persönlich vor: „Ich wandle mich ständig und kehre jedes Jahr in veränderter Form zurück.“ Welche Konstellationen das Pandemierisiko erhöhen, kann man bei einem Planspiel am Computer lernen.

Mutige können auch die Schublade einer ganz speziellen Kommode aufziehen und aus nächster Nähe die Wachsnachbildung eines von der Pest befallenen Fußes und eines mit Pocken übersäten Gesichts betrachten. Das Gefühl der Dankbarkeit dafür, dass diese Krankheit seit Jahrzehnten dank konsequenter Impfprogramme als ausgerottet gelten kann, ist anschließend noch etwas größer. Trotzdem wird mancher sich die Augen reiben, wenn er liest, dass vom Reichstag im Jahr 1874 ein Gesetz erlassen wurde, das sich ganz unbefangen „Gesetz über den Impfzwang“ nennen konnte. Ohne Pockenimpfschein konnte keiner mehr eingeschult werden oder eine Ehe schließen, Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen wollten, mussten mit Geldbußen und Haftstrafen rechnen.

Wer so Lehrreiches über den „Vielvölkerstaat Mensch“ erfahren hat, reibt sich zum Abschluss willig die Hände mit Desinfektionsmittel ein. Zumal man danach im UV-Licht-Kasten überprüfen kann, wie gründlich die Reinigung tatsächlich war.

Die Ausstellung „Mensch Mikrobe“ ist noch bis zum 6. Juli im Historischen Thaersaal der Humboldt-Universität in der Invalidenstraße 42 (rechts neben dem Naturkundemuseum) zu sehen. Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr, Eintritt frei. Im Internet unter www.mensch-mikrobe.de

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