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Düstere Aussicht. Aborigines sterben im Mittel 11,5 Jahre früher als der Durchschnitt der australischen Bevölkerung. Foto: AFP

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Wissen: Beratung auf Augenhöhe

Um die Gesundheit der Ureinwohner Australiens und der USA steht es schlecht. Speziell geschulte Laien aus den Gemeinschaften sollen helfen

Australien ist eines der wohlhabenden Länder dieser Erde, mit gutem Gesundheits- und Bildungssystem. Doch eine kleine Gruppe von 2,5 Prozent seiner Bürger profitiert von beidem nicht in vollem Umfang. Es sind die Nachkommen der Ureinwohner, die das Land seit mehr als 40 000 Jahren bewohnen. Um sie, aber auch um Nachkommen der Indianer in den USA, ging es bei einem Symposium auf dem Weltgesundheitsgipfel, der vergangene Woche in Berlin stattfand. Jedes achte Kind von australischen Aborigines besuche niemals eine Schule, rund 40 Prozent der Erwachsenen seien dauerhaft arbeitslos und ganz auf staatliche Fürsorge angewiesen, wurde dort berichtet.

Was die Gesundheit betrifft, sticht in der amtlichen Statistik Australiens vor allem die um 11,5 Jahre niedrigere Lebenserwartung der rund 560 000 Nachkommen von Ureinwohnern im Vergleich zum Durchschnitt der Gesamtbevölkerung hervor. „Ihr Gesundheitsstatus ist eigentlich eine Verletzung der Menschenrechte“, sagte Marlene Drysdale von der Monash Universität Melbourne. Die Gesundheitsforscherin, die selbst aus einer „eingeborenen“ Familie kommt, arbeitet dort auf dem Gebiet „Indigenous Health“.

Deutlich mehr Aborigines sterben in jüngeren Jahren an Herzinfarkten und Schlaganfällen, auch die Lungenkrebsrate ist unter ihnen deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung, berichtete Drysdale. Vor allem aber ist der Diabetes vom Typ 2 unter ihnen fast doppelt so häufig. Dafür gibt es genetische Gründe, die aber nur im Zusammenspiel mit einem ungesunden Lebensstil wirksam werden. Dass Übergewicht, Rauchen und exzessiver Alkoholkonsum die Hauptursachen der auffallend hohen Diabetes- und Infarktraten sind, ist unstrittig. Bleibt die Frage, warum diese Elemente des „westlichen“ Lebensstils so übersteigert übernommen wurden. „Sind wirklich alle Aborigines ‚bad, mad and sad’, wie bei uns einige konservative Politiker glauben?“, fragte der ebenfalls aus einer indigenen Familie stammende und an der Monash Universität tätige Gesundheitsforscher Gregory Phillips provozierend.

Er sieht die Ursachen für das viele Trinken, den Missbrauch anderer Substanzen und die um sich greifende Glücksspielsucht in der Macht- und Einflusslosigkeit der traditionell sehr mit ihrem Land verbundenen Aborigines, denen große Teile davon in der Vergangenheit gewaltsam genommen wurden. Ein wunder Punkt für die gesamte Nation. Heute leben zwei Drittel der Aborigines in Städten. Phillips kritisiert, dass die Politik ihnen eher Zwang und Bestrafung statt eines leichten Zugangs zu Therapien biete.

Diesen Weg möchten Wissenschaftler der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health der indianischen Bevölkerung in den USA durch „Paraprofessionelle“ ebnen: indigene Laienhelfer aus der jeweiligen Community, die das Vertrauen ihrer Mitglieder haben und eigens für ihre unterstützende Rolle ausgebildet werden. Sie sollen junge Mütter über gesunde Ernährung informieren, aber auch in den Familien über die Gefahren von Alkohol und Anzeichen von Depressionen aufklären. Unter der indianischen Bevölkerung gibt es, wie Projektmitarbeiterin Allison Barlow berichtete, sieben Mal mehr Todesfälle, die mit Alkohol im Zusammenhang stehen und zwei- bis dreimal so viele Unfälle und Selbsttötungen wie im Durchschnitt der US-Bevölkerung. „Erste Analysen haben gezeigt, dass der Einsatz der Laienhelfer machbar und kosteneffektiv ist“, sagte Barlow.

Ihre Kollegen von der Monash Universität bemühen sich zusätzlich seit Jahren, mit speziellen Programmen, zu denen auch Stipendien gehören, Mitglieder der Ureinwohner-Familien für ein Studium in Medizin, Pflege oder Gesundheitswissenschaften zu gewinnen, wo sie bisher extrem unterrepräsentiert sind. Phillips kämpft zudem dafür, dass die gesundheitliche Situation der Aborigines für alle Medizin- und Pflegestudenten zum Pflichtthema wird. Adelheid Müller-Lissner

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