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Physikvorlesung

© Keystone/Archiv

Berliner Unis: "Der Speck ist weg!"

Die Berliner Universitäten müssen 15.000 Studienplätze einsparen, sollten sie in den kommenden Jahren nicht erheblich mehr Geld vom Land bekommen - das behauptet zumindest deren Präsident.

„Bei uns gibt’s nichts zu holen! Der Speck ist längst weg!“ Das sagte Peter Lange, Kanzler der Freien Universität, am Montag vor Journalisten. Vertreter der vier Berliner Universitäten waren kurzfristig vor die Öffentlichkeit getreten, um auf die Lage ihrer Hochschulen aufmerksam zu machen. Die ist demnach noch dramatischer, als die Uni-Leitungen bislang dachten. Waren sie in den Sommermonaten noch davon ausgegangen, gemeinsam „nur“ etwa 120 Millionen Euro im Jahr zusätzlich zur Deckung ihrer steil steigenden Kosten zu benötigen, ist jetzt die Rede von 157,3 Millionen. Die FU rechnet demnach mit einem zusätzlichen Bedarf von 56 Millionen Euro jährlich, die TU mit knapp 54 Millionen, die HU mit gut 39 Millionen und die UdK mit gut acht Millionen Euro.

Wie hoch die Summe gemessen an den Maßstäben des Berliner Haushalts ist, zeigt der Vergleich mit der letzten Kürzungsrunde. Zwischen 2003 und 2009 wurde den Hochschulen eine Sparlast von 75 Millionen Euro auferlegt. Jede der drei großen Unis musste über 70 Professuren abbauen. Würde das Parlament den Forderungen der Unis nachkommen, müsste es also mehr als doppelt so viel Geld zusätzlich ausgeben, wie schon einmal unter Schmerzen eingespart wurde.

Was, wenn das Parlament im kommenden Jahr keine nennenswerten Aufwüchse beschließt? Dann wird es aus Sicht der Unis eine Sparrunde geben müssen, deren Wirkung alle bisherigen übersteigt – denn die Hochschulen haben in den vergangenen 15 Jahren bereits fast die Hälfte ihrer Professuren abgebaut, im Mittelbau fast vierzig Prozent, also keinen „Speck“ mehr. Bis zu 15000 Studienplätze müssten wegfallen, 3300 Studienanfänger weniger könnten aufgenommen werden, das entspricht 25 Prozent. Unter Berliner Abiturienten könnte zum Beispiel nicht mehr wie bisher jeder Vierte, sondern nur noch jeder Fünfte einen Studienplatz an der FU bekommen, rechnete FU-Präsident Dieter Lenzen vor.

Eigentlich hätten die Universitäten längst eine „Vollbremsung einleiten müssen“, wie Frank Eveslage, Vizepräsident der HU für Haushalt, sagte. Denn die Verhandlungen über die neuen Hochschulverträge für die Zeit nach 2009 sind, anders als von den Unis erwartet, noch immer nicht aufgenommen worden, sie treiben also ins Ungewisse. Am Freitag in der Sitzung des HU-Kuratoriums habe der Staatssekretär für Wissenschaft den Beginn der Verhandlungen im Dezember in Aussicht gestellt, sagte Eveslage. Dies sei „zu spät“. Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner teilte hingegen auf Anfrage mit, die Fachhochschulen hätten ihre Vorstellungen erst in der vergangenen Woche übermittelt. Land und Hochschulen würde „in den nächsten Wochen“ über die Berechnungen sprechen „und dann die konkreten Verhandlungen beginnen“. Damit liege man im Zeitplan.

Was würde eine finanzielle „Vollbremsung“ für die Unis bedeuten? Sie könnten zum Beispiel im kommenden Jahr keine einzige Stelle im Mittelbau mehr besetzen, sagte TU-Präsident Kurt Kutzler. Damit würde aber „ein wesentlicher Teil des Lehrkörpers wegbrechen“. Die Studiensituation würde sich erheblich verschlechtern, in manchen Bereichen könnten keine Studierenden aufgenommen werden. Die Folgen wären also schwerwiegend – die Sparsumme aber nur gering: Die FU rechnet bei einem Stellenstopp mit nur sechs Millionen pro Jahr. Kutzler wies darauf hin, dass die Unis noch einen großen Personalüberhang haben. Die TU gebe für 130 Personen jährlich etwa vier Millionen Euro aus.

Wie sicher ist, dass die Kosten der Universitäten so emporschnellen wie jetzt vorhergesagt? Die Unis unterscheiden bei ihrer Rechnung zwei große Pakete. Im ersten sind alle Posten zusammengefasst, die mit Sicherheit anfallen werden. Hier kommen für alle Unis jährlich 42,3 Millionen Euro zusammen: Der für die Unis günstige Anwendungstarifvertrag läuft Ende kommenden Jahres aus, die Pensionslasten wachsen, die Altersvorsorge für die Mitarbeiter wird teurer, die HU gleicht Osttarife an Weststandards an.

In dem größeren Paket sind steigende Kosten zusammengefasst, die nicht sicher, aber wahrscheinlich sind. Den größten Posten machen hier erwartbare Tarifsteigerungen und Besoldungserhöhungen aus: im Jahr 64,6 Millionen Euro.

Für steigende Preise planen die Universitäten zusätzlich 22,4 Millionen jährlich ein. Zwischen 2003 und 2007 seien die Stromtarife an der FU um 50 Prozent gestiegen – das lasse sich auch nicht durch Drücken des Verbrauchs kompensieren, sagte FU-Kanzler Lange. Die Unis erwarten, dass Energie um jährlich 22,5 Prozent teurer wird. Für die Bauunterhaltung müssten jährlich 15 Prozent mehr ausgegeben werden: Die Substanz der Bauten habe in den neunziger Jahren angesichts des Sparkurses „fahrlässig vernachlässigt“ werden müssen, sagte Lange.

Weitere rund 20 Millionen Euro fallen an, sollte das jüngste Urteil des Landesarbeitsgerichts Bestand haben. Dann dürften viele im BAT Beschäftigte nicht mehr nach ihrer Altersstufe bezahlt werden, sondern hätten Anspruch auf die Höchststufe. Der neue Gesundheitsfonds wird mit rund sieben Millionen eingeplant.

FU-Präsident Lenzen unterstrich, die Unis wollten mit ihrem Vorstoß den Wissenschaftssenator bei den Haushaltsverhandlungen unterstützen. Zu der Frage, ob die Unis ihre Zustimmung zur geplanten „Superstiftung“ an eine höhere Grundfinanzierung binden sollten, wollten sich die Präsidenten nicht äußern. HU-Präsident Christoph Markschies sagte aber, man sei einig darüber, dass die Grundfinanzierung und die Finanzierung von Exzellenz keine Alternativen seien.

Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner erklärte auf Anfrage: „Ich kann die Universitäten beruhigen.“ Er stehe selbstverständlich zu seiner Äußerung vom Juni. Damals hatte Zöllner anlässlich der Vereinbarung zur Gründung der „Superstiftung“ erklärt, dass die Berliner Hochschulen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auf eine wachsende finanzielle Ausstattung in den nächsten Jahren angewiesen sind. Das neue Institut soll bis zum Ende des Jahres gegründet werden.

Finanzsenator Thilo Sarrazin teilte auf Anfrage mit, die Universitäten müssten sich mit den neuen Hochschulverträgen „langfristig in die finanziellen Möglichkeiten Berlins einpassen“. Er sehe keinen Anlass, sich „auf interessegeleitete Diskussionen einzulassen“.

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