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Brustkrebs: In Wohlgefallen aufgelöst?

Eine Studie legt nahe, dass Brustkrebs öfter als gedacht von selbst wieder verschwindet. Die Autoren wollen jedoch keine Aussage zum Nuten der Studie machen.

Die Röntgen-Reihenuntersuchung der Brust, die inzwischen nach dem Vorbild anderer Länder auch in Deutschland allen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre angeboten wird, soll Leben retten. Das kann sie nur, wenn dank der Mammografien mehr Tumoren im frühen Stadium auffallen: kleine, noch nicht tastbare Krebsgeschwulste, deren Behandlung mehr Erfolgschancen hat, wenn sie früh entdeckt werden. Eine Untersuchung aus Norwegen legt nun jedoch die Vermutung nahe, dass einige dieser kleinen Tumoren gar nicht lebensbedrohlich sind - weil sie sich auch ohne Behandlung ganz von selbst zurückbilden würden.

Die Forscher um Per-Henrik Zahl vom Norwegischen Institut für Public Health machten sich für ihre Studie, die im Fachblatt "Archives of Internal Medicine" veröffentlicht wurde, den Umstand zunutze, dass in ihrem Land das Mammografie-Screening schon im Jahr 1996 eingeführt wurde und dass die Untersuchung von den Frauen ausgesprochen gut angenommen wird. Eine für den Vorher-Nachher-Vergleich ausgesprochen günstige Ausgangslage.

Abwarten könnte eine Behanldungsform werden

Zahl verglich die Ergebnisse von mehr als 100.000 Frauen der Altersgruppe zwischen 50 und 64 Jahren, die zwischen 1996 und 2001 an drei Runden des zweijährigen Screenings teilnahmen, mit denen gleich vieler und gleich alter Frauen im Zeitraum davor, als die Reihenuntersuchung noch nicht eingeführt war. Dass mit Screening mehr Krebsdiagnosen gestellt wurden als ohne, erstaunte sie nicht. Auch die Teilnehmerinnen der Kontrollgruppe wurden jedoch geröntgt, und zwar einmalig im Jahr 1997, als das Screening eingeführt wurde. Die Erwartung, bei dieser Gelegenheit all die Tumoren zu entdecken, die in der Screening-Gruppe schon in den früheren Untersuchungen entdeckt wurden, erfüllte sich jedoch nicht. Insgesamt wurden in der Gruppe der dreimal geröntgten Frauen 1909, in der Kontrollgruppe aber nur 1564 Krebsfälle entdeckt, also 22 Prozent weniger. Einige der bösartigen Veränderungen, die bei feinmaschigen Kontrollen auffallen, könnten ansonsten unbemerkt von selbst verschwinden, meinen die skandinavischen Wissenschaftler.

"Wenn diese Hypothese der spontanen Rückbildung sich bestätigt, müsste sie Anlass für eine Neubewertung in der Brustkrebsforschung und -behandlung sein", kommentieren der Gesundheitswissenschaftler Robert Kaplan von der School of Public Health in Los Angeles und der Gesundheitsökonom Franz Porzsolt von der Uni Ulm die Studie. Möglicherweise könne man in Zukunft bei einigen Frauen unter genauer Beobachtung sogar mit der Behandlung abwarten: "So haben wir bisher über Brustkrebs noch nicht nachgedacht."

Autoren machen keine Aussage zum Nutzen der Studie

Robert Smith, Direktor des Brustkrebs-Screening-Programms der Amerikanischen Krebsgesellschaft, warnte allerdings in der "New York Times" vor derartigen Schlussfolgerungen und warf den Autoren der Studie vor, den Sachverhalt unzulässig zu vereinfachen.

Dass Tumoren dank der Selbstheilungskräfte des Organismus prinzipiell verschwinden können, ist andererseits von den seltenen Neuroblastomen bei Kindern bekannt, kommt aber auch bei Schwarzem Hautkrebs oder Nierenzelltumoren vor. Die Brustkrebsspezialistin Anke Kleine-Tebbe von der Charité-Frauenklinik spricht denn auch von einer "interessanten Hypothese, die man unbedingt weiterverfolgen sollte".

Kleine-Tebbe gibt zu bedenken, dass die Unterschiede zwischen beiden Gruppen der norwegischen Studie zumindest teilweise auch andere Ursachen haben könnten. So war die Qualität der Röntgenuntersuchung im Jahr 1997 schlechter als in den späteren Screening-Runden, in denen sich zudem immer zwei Experten die Bilder anschauten.

Die Autoren der Studie betonen ausdrücklich, über den Nutzen der Reihenuntersuchung hätten sie keine Aussage machen wollen. Der lasse sich nur daran bemessen, ob dank der regelmäßigen Kontrollen weniger Frauen an Brustkrebs sterben. Man dürfe allerdings auch die Risiken der Reihenuntersuchungen nicht außer Acht lassen. Sollten dabei Tumoren entdeckt werden, die sich auch von allein zurückbilden würden, wären unnötige Behandlungen der Preis.

In Zukunft, so hofft Anke Kleine- Tebbe, könnten genetische Untersuchungen von Tumorzellen aus kleinen Gewebeproben helfen, diese Art von Risiko zu begrenzen. Am besten wäre es, wenn man dabei diejenigen Tumoren finden könnte, die sich auch ohne Behandlung in Luft auflösen.

Adelheid Müller-Lissner

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