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BWL-Studierende an der Uni Halle.

© Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/ZB

Wirtschaftswissenschaften: BWL als Problembär

Ist die BWL wirklich zu theoretisch? In Berlin wird debattiert, welche Zukunft das Fach in Deutschland hat - und welche BWL gebraucht wird.

„Zu theoretisch“ sei das Studium, lautet der Vorwurf an das Massenfach Betriebswirtschaftslehre. Mit unnötigem Fachwissen geimpft und mit „veraltetem Denken“ geprägt seien seine Absolventen. Stimmt das? Entlassen Hochschulen wirklich Jahr für Jahr vornehmlich akademische Kaufleute mit Krämerseelen in den Markt, die den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht voranbringen können?

Propagiert wird die Kritik aktuell vor allem von Axel Gloger. Der Wirtschaftsjournalist studierte selbst einmal Betriebswirtschaftslehre und brachte im vergangenen Jahr ein Buch mit dem schmissigen Titel „Betriebswirtschaftsleere – Wem nützt BWL noch?“ heraus. Mit dem Buch tourt Gloger als selbst erklärter „Provokateur“ durch Deutschland, so kam er am Dienstagabend auch an die private Berliner Wirtschaftshochschule ESMT (European School of Management and Technology). „Ich hoffe, Sie haben die schlechten Erfahrungen nicht auch an der ESMT gemacht“, sagte Hochschul-Präsident Jörg Rogoll zur Begrüßung Glogers.

Knapp 1700 Studiengänge in Deutschland

Knapp 1700 Studiengänge listet der Hochschulkompass der Rektorenkonferenz zum Schlagwort „Betriebswirtschaft“, das sind fast zehn Prozent aller Studiengänge in Deutschland. Mehr als 230 000 Studierende sind aktuell in Betriebswirtschaft eingeschrieben, fast doppelt so viele wie im zweitgrößten Fach, dem Maschinenbau. Die BWL ist der Publikumsmagnet im deutschen Fächerhimmel. Doch gibt der Erfolg dem Fach auch inhaltlich recht?

„Welche BWL braucht Deutschland?“, wollte die ESMT von Axel Gloger und den eingeladenen Diskutanten wissen, Vertretern aus der Wirtschaft, wie der Unternehmensgründer Hans Wall, aber auch Professoren wie Helge Löbler von der Universität Leipzig. Löbler, der in Sachsen mit einem Projekt zum Entrepreneurship für Studierende Furore macht, bemühte sich um definitorische Trennschärfe und Relativierung: „BWL ist die Wissenschaft von der Betriebswirtschaft – nicht vom Betrieb.“ Glogers publizistischer Frontalangriff auf die BWL habe „etwas Postfaktisches“. Doch auch wenn der Autor darin bloß „seine eigene Lebensgeschichte“ aufarbeite, bleibe es Aufgabe der Hochschulen, „gute Lernarrangements“ zu bieten. Betriebswirtschaftslehre müsse sich „dem Menschen widmen, Menschen aufblühen lassen“, erklärte Löbler und appellierte an seine Kollegen: „Wir dürfen Studierende nicht unterrichten, sondern aufrichten.“

"Kennen Sie die Betreuungsrelationen in der BWL?"

Was damit gemeint ist, ist in Handbüchern für Hochschullehrer beschrieben und seit der Bolognareform vor mehr als 20 Jahren das Didaktik-Mantra. Weg vom Frontalunterricht, hin zu einer praxisnahen, problem- und kompetenzorientierten Lehre. Professoren werden dabei zum Lernberater. Sie coachen Studierende bei ihrem selbstverantwortlichen Erkenntnisgewinn. Kurz gefasst geht es also um nichts weniger als eine Emanzipation.

Die muss allerdings von Studierenden wie den Lehrenden gewollt sein. Und sie braucht ein adäquates Lernumfeld: „Kennen Sie die Betreuungsrelationen in der BWL?“, fragte denn auch Michael Kleinaltenkamp. Der Professor forscht und lehrt im Marketing-Department an der FU Berlin und reichte die Frontalkritik an der BWL prompt an Politik und Gesellschaft weiter. Sie statte das Fach „schlecht aus“.

Die Lehre muss optimiert werden

Gleichwohl steht auch für Kleinaltenkamp außer Frage, dass die BWL ihre Lehre optimieren muss. Dabei, sekundierte Löbler, dürfe es aber keine einheitlichen Vorschriften geben. „Lassen Sie uns die BWL vielfältig gestalten“, rief er zum Start eines Erneuerungsprozesses auf, der in der Volkswirtschaft bereits seit Jahren läuft. Unter dem von den Volkswirten gewählten Dachbegriff „Plurale Ökonomie“ ließe sich tatsächlich auch die Reformdebatte der BWL fassen. Den Impuls dazu gibt es. Und anschlussfähig ist er auch, wie Buchautor Gloger meint: „Zur Unzufriedenheit mit der BWL weiß jeder etwas zu sagen.“

Die Frage ist nur, was eigentlich? In dem in dieser Woche veröffentlichten CHE-Hochschulranking zum Fach BWL jedenfalls erreichten auch staatliche Universitäten Spitzenwerte: Ganz vorn bei Berufsbezug und Praxisnähe landeten neben der TU München die Unis in Münster, Göttingen, Hamburg, Bayreuth und Frankfurt/Oder.

Anmerkung der Red.: In einer ersten Version hieß es, die ESMT habe sich im CHE-Ranking nicht ranken lassen. Richtig ist, dass die ESMT nicht aufgeführt wurde, weil sie die im Ranking bewerteten Bachelor-Studiengänge gar nicht anbietet, sondern nur Master-Studiengänge. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Christine Prußky

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