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DIE FOLGEN DER EXZELLENZINITIATIVE Wie es für Sieger und Verlierer weitergeht: Chancen für alle

„Treffpunkt Tagesspiegel“ im Hotel Intercontinental: Wie der Elitewettbewerb den Universitäten nützt – und was ihm fehlt

Die Eliteuniversitäten sind gekürt – doch der Exzellenzwettbewerb erhitzt weiter die Gemüter. Beim „Treffpunkt Tagesspiegel“ im Hotel Intercontinental wurde am Montag teils scharfe Kritik am Verfahren und den Auswirkungen des Wettbewerbs geübt. Der Bamberger Soziologe Richard Münch, Autor des Buches „Die akademische Elite“, sagte, die Exzellenzinitiative habe weitreichende Folgen über die Forschungspolitik hinaus. „Sie verschärft Bildungsungleichheit und das regionale Ungleichgewicht.“ Da die Ost-Länder bei den Eliteuniversitäten nicht berücksichtigt wurden, werde gar „Infrastruktur im Osten zerstört“, kritisierte Münch.

Vor mehr als 400 Gästen ging es in der von Wissenschaftssenator a. D. George Turner moderierten Diskussion „Exzellenzinitiative – Hochschulen nach der Entscheidung“ kontrovers zu. Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, wies Münchs Ansicht zurück: „Man muss sich von der Fiktion verabschieden, dass alle Hochschulen gleich sind.“ Da die Hochschulen seit Jahren unterfinanziert seien, bräuchten sie „den Mut, Schwerpunkte zu bilden, sich auszudifferenzieren und auch manche Bereiche abzugeben“.

Moderator Turner wollte wissen, ob die richtigen neun Hochschulen zu Eliteuniversitäten ernannt wurden. Karin Lochte, die Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats, sagte, es gebe sicherlich noch mehr sehr gute Universitäten in Deutschland: „Doch diese neun sind exzellent.“ Lochte verteidigte die Kriterien der dritten Förderlinie, nach der der Elitetitel vergeben wurde. Es sei dabei sowohl um den Status quo als auch um ein Zukunftskonzept gegangen. „Wir wollten genau wissen: Wie geht eine Universität mit ihren Schwächen um und wo will sie in fünf Jahren stehen?“ Das habe auch für die Humboldt-Universität gegolten, die im Wettbewerb um den Elitestatus leer ausgegangen ist. Die HU werde eine genaue Erläuterung erhalten, warum sie nicht ausgewählt wurde, so Lochte.

Wie geht es nun weiter für Sieger und Verlierer? Es dürfe nicht sein, dass Universitäten in einem einmaligen Wettbewerb für ewig hochgestuft würden, so Wintermantel. Der Berliner Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) sagte, „viele Unis und Vorhaben sind exzellent, wurden aber nicht gefördert“. Diese gelte es nun mit anderen Mitteln zu unterstützen. Dies beabsichtige er auch mit seiner geplanten „Superuni“. Die von ihm vorgeschlagene neue Tochtereinrichtung der Berliner Universitäten und der außeruniversitären Forschung solle „die positiven Effekte des Wettbewerbs finanziell und strukturell dauerhaft sichern“.

Zöllner betonte, der Wettbewerb dürfe „keine Fakten für Jahrzehnte“ schaffen. „Deshalb fließt das meiste Geld ja auch für die Exzellenzcluster“, so Zöllner, der an der Konstruktion des Elitewettbewerbs entscheidend beteiligt war. Der Senator sprach sich für die Fortsetzung des Wettbewerbs aus. Dabei sollten sich „die Sieger anstrengen müssen, um dabeizubleiben, und neue Unis die Chance haben, hineinzukommen“. Karin Lochte, die Vorsitzende der wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats, sagte, es gehe nun darum, die vielen guten Ideen, die nicht an den neun Spitzenunis entstanden sind, ebenfalls zu fördern. Und auch in den neuen Ländern gebe es ein „großes Potenzial“. Margret Wintermantel forderte neue Wettbewerbsregeln, durch die dann das ganze Hochschulsystem profitieren könne. In der Diskussion stehe man noch ganz am Anfang.

Richard Münch kritisierte, das Elitelabel werde ganzen Institutionen übergestülpt, „dabei gibt es überall exzellente Forscher“. Anja Kühne, verantwortliche Bildungsredakteurin des Tagesspiegels, sagte, angesichts des internationalen Wettbewerbs sei es wohl unumgänglich, Unis als Marken zu etablieren. Zöllner stimmte ihr zu, Studienanfänger und junge Wissenschaftler wünschten solche Marken, um sich zu orientieren. Auch für einzelne Forscher ergebe sich durch den Namen ihrer Uni mehr Aufmerksamkeit. George Turner gab zu bedenken, das Image amerikanischer Eliteunis habe sich über Jahrhunderte entwickelt, während man hierzulande nun bestimmten Hochschulen einfach ein Etikett aufklebe. Das wirke wie „eine Entscheidung mit dem Fallbeil“, so Turner.

Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass der Exzellenzwettbewerb eine neue Dynamik bei den Hochschulen und neue Aufmerksamkeit bewirkt habe. Karin Lochte betonte jedoch, die Exzellenzinitiative sei kein Allheilmittel: „Andere Problemfelder bleiben offen.“

Eines dieser Felder ist die universitäre Lehre. Auf dem Podium war man sich einig darüber, dass nach der Spitzenförderung nun auch die Lehre an den Hochschulen gefördert werden müsse. Dies dürfte jedoch nicht einfach werden. Zöllner berichtete, er habe sich bislang mit seiner Idee für einen Exzellenzwettbewerb in der Lehre bei den Kultusministern nicht durchsetzen können. Allerdings entstünden nach einer Schätzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch die Exzellenzinitiative 3000 bis 5000 zusätzliche wissenschaftliche Stellen. Die Unipräsidenten müssten dafür sorgen, dass die neuen Wissenschaftler auch lehren. „Dann hätte man endlich auch eine Spritze für die Lehre“, so Zöllner.

Fabian Reinbold

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