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Wahrzeichen. Die 1945 zerstörte Oberbaumbrücke ist eine Station auf der über dreistündigen Dampferfahrt „(Nicht)-Orte: Spuren der NS-Zeit“.

© Kitty Kleist-Heinrich

Dampferfahrt zur NS-Geschichte: Spurensuche auf den Gewässern Berlins

HU-Studierende bieten in Berlin eine Dampferfahrt zu Orten der NS-Geschichte an. Die dreieinhalbstündige Fahrt führt an einem Dutzend Stationen vorbei.

Im Frühjahr 1945 verläuft die Front mitten in Berlin. Um den Vormarsch der sowjetischen Truppen zu verzögern, wird am 23. April die Oberbaumbrücke gesprengt. Der mittlere Gewölbebogen des monumentalen Backsteinbauwerks, das die Spree zwischen Kreuzberg und Friedrichshain überspannt, stürzt ein, die beiden Türme verlieren ihre Dächer. Die Zerstörung ist ein Beispiel für die Folgen des von Adolf Hitler erlassenen „Befehls betreffend Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet“ vom 19. März 1945. Verkehrs-, Industrie- und Versorgungsanlagen sollen zerstört werden, damit die Alliierten diese nicht mehr nutzen können.

Die Oberbaumbrücke ist eine von mehreren Dutzend Stationen einer Dampferfahrt auf den Spuren der Berliner NS-Geschichte. Geschichtsstudierende der Humboldt-Universität, ihr Dozent Felix Axster und die Berliner Geschichtswerkstatt haben die Tour gemeinsam erarbeitet. Die Geschichtswerkstatt bietet schon seit 1984 historische Schiffsrundfahrten auf Spree und Landwehrkanal an, etwa zur Literaturgeschichte oder zur Teilung der Stadt. Im Themenjahr 2013 „Zerstörte Vielfalt“ steuert das studentische Projekt zur NS-Geschichte nun neue Ziele an.

Die rund dreieinhalbstündige Dampferfahrt führt etwa an der Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg vorbei. Das historische Hauptgebäude wurde in der Pogromnacht 1938 schwer beschädigt und zwanzig Jahre später endgültig abgerissen. Heute betet die Gemeinde in der früheren Jugendsynagoge am Fraenkelufer. Eine andere Station ist der Ostbahnhof, von dem aus im Zweiten Weltkrieg Truppentransporte abfuhren. Doch auch zu „Nicht-Orten“ lotsen die Studierenden ihre Gäste, etwa zu einstigen Baracken, in denen Zwangsarbeiter lebten. An der Lohmühlenstraße in Alt-Treptow, wo Unterkünfte von Arbeitssklaven der Waffenfabriken standen, befindet sich heute ein Spielplatz.

Für jede Station haben die Studierenden Informationen zusammengestellt, die sie auf den Schiffstouren selber vortragen. Am Lustgarten vor dem Dom geht es um die „Herbert-Baum-Gruppe“, die am 18. Mai 1942 einen Brandanschlag auf eine Nazi-Ausstellung mit dem Titel „Das Sowjet-Paradies“ verübte, eine antisowjetische Propaganda-Schau. Die Mitglieder der Widerstandsgruppe um Herbert Baum wurden später verhaftet und getötet. „Indem wir diese Orte und Nicht-Orte thematisieren, wollen wir sie und die mit ihnen verbundenen Geschichten dem Vergessen entreißen und in das Gedächtnis der Stadt einschreiben“, sagt Dozent Felix Axster.

- Die Schiffsfahrt „(Nicht)-Orte: Spuren der NS-Zeit“ wird noch am Sonntag, 16. Juni, und am Sonntag, 14. Juli, angeboten. Fahrkarten für 18 Euro (Erwachsene; Kinder bis 14 Jahren fahren frei) gibt es auf dem Schiff im Historischen Hafen (am Märkischen Museum) und bei der Berliner Geschichtswerkstatt. Mehr Infos hier.

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