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 Eine Studentin sitzt auf ihrem Bett in ihrer Wohnung  und legt den Kopf auf ihre Knie. Hinter ihr steht ein aufgeklappter Laptop.

© Jens Kalaene/dpa

Dark Weeks-Festival des Studierendenwerks Berlin: Workshops gegen Einsamkeit und Frust im digitalen Wintersemester

Einsam und unausgeglichen: Auch unter Studierenden verschlimmert die Pandemie depressive Verstimmungen. Ein digitales Festival soll helfen.

Die Tage werden kürzer und dunkler – und die Corona-Regeln strenger. Um die Stimmung der Berliner Studierenden aufzuhellen, lädt das Studierendenwerk vom 25. November bis zum 16. Dezember zu einem digitalen „Dark Weeks-Festival" mit Digtal Detox-Workshops und Friendship Speed-Dating ein.

Über die Hintergründe und das Programm berichtet Irina Theisen, Leiterin der psychologischen Beratungsstelle des Studierendenwerks, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Alle Informationen zu den Veranstaltungen sowie die Links zur Online-Registrierung gibt es hier.

Frau Theisen, Umfragen unter Studierenden zeigen, dass jeder sechste unter psychischen Beeinträchtigungen leidet. Können Sie dies aus Ihrer Praxis als Psychologin beim Berliner Studierendenwerk bestätigen?
Ja, auf jeden Fall. Schon vor Corona waren depressive Verstimmungen der Hauptgrund, warum Studierende zu uns in die Beratungsstelle kommen. Die Verschärfung in der Coronakrise hat verschiedene Gründe. Zum einen wird das Online-Semester von vielen – ich würde sagen von der Mehrheit – als sehr belastend empfunden, weil sich Studium und Privates völlig vermischen.

Die Studierenden fühlen sich eingesperrt und sitzen den ganzen Tag nur am Laptop. Jegliche normalisierenden Aspekte, die sonst da sind – die Fahrt zum Campus, die Pausengespräche unter Studierenden – fallen weg. Viele fühlen sich dadurch einsam.

Gibt es besonders belastete Gruppen?
Gerade internationalen Studierenden, die noch nicht viel Zeit hatten, sich in Berlin einzuleben, fällt es extrem schwer, sich zu vernetzen. Doch betroffen sind alle. Denn viele Aktivitäten, mit denen man ein stressiges Studium ausgleichen kann, wie ins Kino gehen, sich mit vielen Freunden treffen oder in Clubs feiern gehen, sind nicht mehr möglich. Das führt zu einer zusätzlichen Belastung. All diese Faktoren bewirken depressive Verstimmungen.

Wie entwickelt sich die Situation bislang im Wintersemester?
In den Wintermonaten, ab Oktober, steigern sich negative Stimmungslagen noch einmal. Der Start des Wintersemesters wird grundsätzlich als sehr stressig empfunden. Hinzu kommt, dass sich mit Beginn der dunklen Jahreszeit, durch weniger Licht, auch physiologische Abläufe verändern. Die Wahrscheinlichkeit für Traurigkeit oder Gereiztheit steigt dementsprechend.

Dann kommt noch die Weihnachtszeit hinzu, die für viele ambivalent ist. Wenn alle Kommilitonen weg sind und man selbst nicht nach Hause kann oder weil man Angst vor Konflikten oder Erwartungen in der Familie hat. Da kommt vieles zusammen.

Ein Porträtbild von Irina Theisen.
Irina Theisen ist Bereichsleiterin der psychologisch-psychotherapeutischen Beratungsstelle im Studierendenwerk Berlin.

© Promo

Wie können Sie mit den Angeboten des „Dark Weeks“-Festivals gegensteuern?
Wir hatten schon letztes Jahr eine ähnliche Veranstaltung, „Dark Night – die große Gala der Novemberdepression“, die sehr gut lief. Pandemiebedingt haben wir uns jetzt für eine digitale Version entschieden. Wir haben überlegt: Was tut den Leuten in der dunklen Jahreszeit gut?

Daraus sind Bewegungs-Workshops entstanden – Yoga, autogenes Durchschütteln und Gymnastik-Übungen am PC. Zum Kontakteknüpfen bieten wir das virtuelle Friendship Speed-Dating an, wo Leute im sicheren digitalen Raum zusammenkommen können.

Ist die digitale Vernetzung denn psychologisch mit dem Treffen im „echten“ Leben vergleichbar?
Auch für Studierende, die digital affiner sind als so manche Ältere, ist der Live-Kontakt nicht vollständig zu ersetzen. Es ist nicht das Gleiche, aber besser als nichts! Und das eine schließt das andere nicht aus. Man kann ja beim Friendship Speed-Dating Leute digital kennenlernen und sich dann mit denjenigen, die man sympathisch findet, auch im echten Leben treffen. Auch ohne die Kontaktbeschränkungen zu verletzen.

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Was steht noch auf dem Programm?
Das Festival geht über drei Wochen. Es gibt Videos die online sind, zum immer wieder angucken und auch Live-Workshops, zu denen man sich anmelden muss. Da gibt es Workshops zum kreativen Schreiben, einen Dankbarkeits-Workshop und einen Digital Detox-Workshop. Zu den Dingen, die einfach Balsam für die Seele sind, gehören ein Embrace Yourself-Workshop und ein digitales gemeinsames Singen.

„Embrace Yourself“ klingt spannend, was ist das genau?
Da geht es um Selbstwert-Aktivierung. Das kann helfen, Depressionen entgegenzuwirken. Zum einen wird die „Stolz auf etwas“-Strategie angewendet, wo man persönliche Erfolge reflektiert, um die positiven Emotionen noch einmal hervorzuholen. Dann gibt es noch die „Einfach so wertvoll“-Strategie, die Teilnehmenden helfen soll, sich von den ständigen Anforderungen der Leistungsgesellschaft zu entkoppeln. Insgesamt soll der Workshop den Studierenden eine ausgeglichene Lebensführung nahebringen.

Clara Meyer-Horn

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