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Sich mehr merken: Bewegung hilft beim Lernen. Schon das Schreiben mit der Hand aktiviert wichtige Hirnareale.

© Privat

Neurodidaktik: Das Gehirn austricksen, um besser zu lernen

Internationale Tagung an der Freien Universität will Forschung am Schnittpunkt von Neurowissenschaften und Didaktik beleben.

Was steckt dahinter, wenn Schülerinnen und Schüler keine Lust haben, Hausaufgaben zu machen? Wollen sie den Lehrer ärgern? Sind sie faul? Schlecht erzogen? „Nein“, sagt Michaela Sambanis, Didaktikprofessorin am Institut für Englische Philologie der Freien Universität. „Es ist oft nicht die Schuld der Kinder. Dem Gehirn mangelt es einfach an Weitsicht.“ Normalerweise lernen wir über Emotionen und Relevanz – nach dem Schema: Wer einmal eine heiße Herdplatte angefasst und sich verbrannt hat, wird das danach nicht mehr tun. „Das Gehirn merkt sich neue, wichtige Informationen. Altbekanntes dagegen blenden wir aus“, erklärt Sambanis.

Deshalb falle es Menschen so schwer, Gelerntes zu wiederholen: Das Gehirn erkenne die Relevanz nicht. „Man kann sich aber überlisten“, sagt Sambanis. „Das Gehirn weiß zum Beispiel, dass es Bewegungen wiederholen muss, um sie zu lernen. So wie beim Fahrradfahren. Wenn wir also eine Vokabel mit einer Bewegung verbinden, merken wir uns das Wort besser.“ Wie man etwa das Gehirn beim Vokabellernen unterstützen kann, ist eines der Forschungsfelder der sogenannten Neurodidaktik. Sie ist die Wissenschaft von den Gehirnprozessen, die dem Lernen zugrundeliegen. Die Disziplin befindet sich an der Schnittstelle von Pädagogik, Psychologie und Neurowissenschaften.

Seit den 1980er Jahren gibt es Versuche, Befunde der Hirnforschung auf den Schulunterricht anzuwenden. Das sei aber meistens ein Transfer nur in eine Richtung gewesen, sagt Michaela Sambanis: von der Hirnforschung in die Didaktik. Erforderlich sei aber die Vermittlung in Form einer gleichberechtigten Diskussion zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen sowie zwischen Forschung und Praxis.

Eine Konferenz bringt Praktiker und Wissenschaftler zusammen

Michaela Sambanis startet nun einen Neuanfang in der Forschung. Hierfür knüpft die Didaktikerin, die seit 2011 an der Freien Universität lehrt, an ihre frühere Arbeit als wissenschaftliche Leiterin der größten Forschergruppe am TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen an der Universität Ulm an. Dort untersuche man seit vielen Jahren Gehirnprozesse beim Lernen und integriere die Ergebnisse in die Praxis.

Zusammen mit Professor Heiner Böttger von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt veranstaltet Michaela Sambanis eine Konferenz an der Freien Universität, bei der sich Praktiker und Wissenschaftler austauschen können: Unter dem Titel „Focus On Evidence 2017“ treffen sich Fremdsprachendidaktik und Neurowissenschaften.

„Focus on Evidence 2017 soll und wird weiterführen, was wir 2015 mit der ersten Veranstaltung in Eichstätt begonnen haben“, sagt Heiner Böttger. „Neurowissenschaftliche Beweise zu identifizieren für unser Lehren und Lernen.“

Petra Arndt ist Michaela Sambanis Nachfolgerin am TransferZentrum in Ulm. Sie wird bei der Tagung einen Vortrag zum Schreiben mit der Hand halten. In Zeiten der Digitalisierung stellt sich verstärkt die Frage, ob Kinder nicht zuerst das Tippen auf einer Tastatur lernen sollten und erst später das Schreiben mit der Hand. In Ländern wie der Schweiz, den Niederlanden und Schweden wird das bereits seit einiger Zeit so praktiziert.

Das Schreiben mit der Hand hilft, Wissen zu festigen

In Deutschland dagegen sehen das viele skeptisch – und werden dafür als technikfeindlich kritisiert. Das Schreiben mit der Hand trage aber erheblich dazu bei, Wissen zu festigen, sagt Petra Arndt. „Beim Tippen fühlt sich jeder Buchstabe ähnlich an, Wörter existieren nur abstrakt“, sagt sie. „Das Schreiben mit der Hand ist komplexer. Dabei werden zusätzliche Hirnareale benötigt – etwa der motorische Cortex. So werden die Lerninhalte mehrfach im Gehirn abgelegt und dadurch besser verankert. Man nennt das fluide Intelligenz.“

Ein weiterer Vortrag beschäftigt sich mit der „verkörperten Kognition“, der Fachbegriff auf Englisch lautet: Embodied Cognition. Er zeigt, wie die Verarbeitung von abstraktem Wissen mit unseren Sinnen und unseren Handlungen interagiert. Die Bedeutung eines Begriffes wird also damit verknüpft, was wir insbesondere während des Lernens sehen, hören, fühlen, schmecken, riechen – und wie wir handeln.

Die Tagung ist ausgebucht, wird aber über ein Webinar übertragen, sodass Menschen aus der ganzen Welt den Vorträgen gratis folgen können. Fragen aus dem Webinar werden in Echtzeit an die Referenten geschickt und nach den Vorträgen meist beantwortet. Wenn Sie die Veranstaltung im Internet mitverfolgen wollen, melden Sie sich bitte bis zum 4. Dezember für einen Zugangscode an unter: www.foe2017.de

Katharina Frey

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