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Mädchen mit gebrochenem Bein

© picture alliance/ Cultura

Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie: Der Knochen wächst und so heilt der Bruch

Kinder stürzen oft beim Toben und brechen sich dabei die Knochen. Trotzdem müssen sie nach einem Unfall viel seltener als Erwachsene unters Messer.

Stürze im Alter – davor haben alle Angst. Am häufigsten brechen jedoch die Knochen von Kindern und Jugendlichen. Jeder Vierte hat sich mindestens einmal Bein, Schienbein, Arm oder Schlüsselbein gebrochen, ehe er oder sie volljährig wird. Die gute Nachricht, die nun beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin zu hören war: Die Sache wächst sich meist aus. Kinderknochen sind zwar weniger stabil als die Erwachsener, dafür aber deutlich elastischer. In vielen Fällen hilft ein „Gips“.

Dass sie noch wachsen, schützt Kinder und Jugendliche oft vor dauerhaften Folgen ihres Ungestüms: „Durch das gerichtete, begradigende Wachstum des Knochens können Fehlstellungen in gewissen Grenzen toleriert werden“, sagt der Unfallchirurg Dirk Sommerfeldt vom Altonaer Kinderkrankenhaus in Hamburg. Das gilt vor allem, wenn der Knochen in unmittelbarer Nähe einer noch nicht geschlossenen Wachstumsfuge gebrochen und nicht allzu sehr abgeknickt ist. Ruhigstellen und auf den „Umbau“ des Knochens vertrauen, das reicht oft völlig aus.

Versucht ein Kind sich bei einem Sturz im letzten Moment abzustützen, bricht oft der innere der beiden Unterarmknochen, die Speiche, in der Nähe des Handgelenks. Handelt es sich dann um eine „Grünholzfraktur“, bei der der junge Knochen von Teilen der äußeren Knochenhaut zusammengehalten wird wie ein biegsamer grüner Ast, oder um eine „Wulstfraktur“, bei der Knochen nur etwas gestaucht ist, dann sieht es meist gut aus. Auch bei einem Bruch an einer noch aktiven Wachstumsfuge kommen die Ärzte meist ohne Chirurgie aus. Doch für Grenzfälle fehlen ihnen Studien. Sollen sie operieren, weil das möglicherweise bessere Langzeitergebnisse bringt, oder nicht, weil das die schonendere Behandlung ist? Bauchgefühl reicht für diese Entscheidung nicht, meint Sommerfeldt.

Auch angeborene Fehlstellungen können oft ohne Operation korrigiert werden

Zusammen mit dem Kinderchirurgen Lucas Wessel von der Uniklinik in Mannheim will er für wissenschaftliche Evidenz sorgen. Die Mediziner wollen zwei gleichermaßen vertretbare Behandlungsmethoden vergleichen: operatives Stabilisieren mit elastischen Nägeln oder mit Drähten oder eine konservative Behandlung und Vertrauen auf die natürliche Korrekturfähigkeit des Knochens. Mindestens 763 fünf- bis elfjährige Kinder in 40 Zentren in Deutschland, der Schweiz und Österreich sollen in die Studie eingeschlossen werden. Am Ende zählen für die Forscher nicht nur die Röntgenbilder, sondern auch Beweglichkeit, Schmerzfreiheit, optische Unauffälligkeit und die Zufriedenheit der jungen Patienten.

Auch Kinder, die mit einem orthopädischen Problem auf die Welt kommen, müssen nicht immer operiert werden. Lange Zeit waren zum Beispiel angeborene Fehlstellungen des Fußes die Domäne aufwendigerer chirurgischer Eingriffe. „Wir sind inzwischen weitgehend in der Lage, einen Klumpfuß ohne Operation zu behandeln“, sagt Rüdiger Krauspe, Direktor der Orthopädischen Klinik des Uniklinikums Düsseldorf. Die Kinder müssen allerdings zunächst Gipsverbände und anschließend jahrelang jede Nacht eine spezielle Schiene tragen. Dafür sind keine oder kaum Krankenhausaufenthalte nötig. Allenfalls die Achillessehne wird mit einem Eingriff verlängert.

Mindestens so eindrücklich: Die frühe Entdeckung – und meist ambulante Behandlung – von Fehlbildungen des Hüftgelenks. Ob ein Baby eine Fehlstellung zwischen Hüftkopf und Hüftpfanne hat, wird heute in der vierten bis sechsten Lebenswoche beim Ultraschall festgestellt. Die Reihenuntersuchung wurde im Jahr 1996 eingeführt, die ersten Kinder, die davon profitierten, sind heute Teenager. Meist genügte es, die Hüften eine Weile gezielt zu spreizen, durch breites Wickeln oder durch eine spezielle Vorrichtung. „Die Behandlung ist heute zu einem Zeitpunkt beendet, zu dem sie in den 70er Jahren begonnen wurde“, sagt Krauspe. Die Kleinkinder können dann laufen und springen wie ihre Altersgenossen. Und riskieren wie sie den einen oder anderen Sturz.

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