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Wissen: Der Riese erwacht

Die TU Berlin intensiviert ihre Wissenschaftskooperationen mit China

Als wir Anfang der 80er Jahre Kontakt mit den wichtigsten Universitäten in China aufnahmen, betraten wir politisches Neuland in dem vom Nachbeben der Kulturrevolution erschütterten Land. Zwanzig Jahre später ist der Wirtschaftsriese erwacht.

Die Universitäten in den Metropolen sind gut ausgebaut, viele Professoren haben ihre Qualifikation an renommierten Institutionen im Ausland erworben. Internationale Kooperationen und Wettbewerb sind Alltag. Allerdings wird ein ökonomisches und soziales Spannungsfeld zwischen rasant wachsender Wirtschaft und einer ärmlichen ländlichen Struktur noch lange bestehen bleiben. Ein Mittel zur eigenen Entwicklung sieht China im Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems. Die Investitionen in die Köpfe sind gewaltig: 200 Millionen Schüler sowie 20 Millionen Studierende erhalten derzeit eine Ausbildung. Vorrangiges Ziel der Regierung ist es, die Qualität von Wissenschaft und Forschung zu optimieren, um die Wirtschaft zu stärken. Für die Universitäten sieht das Bildungsministerium dabei zwei Fragen als zentral an: Wie können sie zu den Spitzenuniversitäten in der Welt aufschließen und wie kann der Technologietransfer entwickelt werden?

Zu diesen Themen trafen sich kürzlich in Peking die Präsidenten der 70 wichtigsten Hochschulen Chinas mit Vertretern ausgewählter führender Universitäten wie Stanford, Yale, Oxford oder Cambridge. Als einziger Vertreter aus Deutschland nahm der Präsident der TU Berlin teil. Das Interesse an unseren langjährigen Erfahrungen im Technologietransfer ist sehr groß. Außerdem spielen unsere Kontakte zu zahlreichen deutschen Wirtschaftsunternehmen eine wichtige Rolle.

Mit Blick in die Zukunft wollen wir aufgrund der sich wandelnden politischen und ökonomischen Situation in China unsere Kooperationsformen modifizieren. Bisher drängen Tausende von High- School-Absolventen – vergleichbar unseren Abiturienten – an deutsche Universitäten. Es scheint jedoch beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des chinesischen Bildungswesens nicht mehr sinnvoll, dass Chinesen ihren ersten berufsqualifizierenden Abschluss in Deutschland absolvieren.

Wir müssen weg vom „Konzept Masse“ hin zu einer Kooperation, die sich auf anspruchsvolle Forschungsprojekte und die Qualifikation junger Menschen im postgradualen Bereich konzentriert. Vor allem sollen Studierende mit einem Bachelor-Grad aus China zu uns kommen, die sich durch die Integration in die hiesige wissenschaftliche Arbeit weiterqualifizieren. In der Forschung setzen wir auf Spitzenprojekte.

Im Bereich Technologietransfer gehört die Zukunft der „Viereckskooperation“: Die hiesige Wissenschaft und Wirtschaft kooperiert mit der Wissenschaft und Wirtschaft des anderen Landes. Die Hochschulen dienen hierbei als Türöffner. Unsere Absolventennetzwerke, die wir mit den TU-Alumni in Deutschland und China aufgebaut haben, tragen jetzt schon dazu bei. Bevorzugte Plätze in China sind Peking als politisches Zentrum und die große Wirtschaftsmetropole Shanghai. In beiden Städten gibt es ausgezeichnete Universitäten, mit denen wir seit mehr als zwanzig Jahren kooperieren.

Neben unseren traditionell guten Beziehungen in Peking werden wir auch unser Engagement in Shanghai verstärken. Die dortige Tongji-Universität ist die am stärksten auf Deutschland ausgerichtete Hochschule Chinas. Viele Kooperationen bestehen zwischen Tongji und uns. Die Professoren in Tongji sprechen oft Deutsch und es gibt gemeinsame Studiengänge mit deutschen Partnern. Tongji nimmt in den Bereichen Verkehr, Architektur und Bauen unbestritten den ersten Platz in China ein. Das sind beste Voraussetzungen, unter denen mein Amtskollege von Tongji und ich beschlossen haben, wechselseitige Verbindungsstellen zu schaffen und die Zusammenarbeit insbesondere in der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Spitzenforschung noch weiter zu intensivieren.

Der Autor ist Präsident der TU Berlin.

Kurt Kutzler

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