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Die HU-Studierenden werfen dem Präsidenten fragwürdiges Demokratieverständnis vor.

© Doris Spiekrmann-Klaas

Eine Antwort auf HU-Präsidenten Olbertz: "Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse"

Nach seinem kurzzeitigen Rücktritt muss Präsident Jan-Hendrik Olbertz prüfen, ob er zur demokratischen Arbeitsweise der HU-Gremien passt: Das schreiben die Studierendenvertreter der Uni in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel.

Am Montag hat Jan-Hendrik Olbertz, der Präsident der Humboldt-Universität (HU), im Tagesspiegel erklärt, warum er in der vergangenen Woche zwischenzeitlich zurückgetreten ist. Heute antworten die Gruppe der Studierenden im Akademischen Senat der HU sowie das Referat für Hochschulpolitik im „Referent_innenRat“ (dem Asta der HU).

Seit Anfang dieses Jahres diskutiert die HU über die von der Universitätsleitung geforderte Fakultätsreform. Vor dem Hintergrund einer angespannten Haushaltslage plant das Präsidium die kostspielige Zusammenlegung einiger Fakultäten und die Einschränkung von Mitbestimmungsrechten. Als studentische Vertreter_innen in den Gremien der HU haben wir aus unserer ablehnenden Haltung gegenüber diesem Reformprojekt von Beginn an keinen Hehl gemacht. Auch die Statusgruppe der Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen positionierte sich geschlossen gegen das Vorhaben und legte sogar ein aufschiebendes Gruppenveto ein.

Ein Gruppenveto der Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen hat es an der HU seit mindestens zehn Jahren nicht gegeben. Dass dieses nun eingelegt wurde, verdeutlicht in welchem Maß diese Fakultätsreform die Universität spaltet. Unipräsident Jan-Hendrik Olbertz wusste sich in den letzten Monaten nicht mehr anders zu helfen, als mit mehr oder weniger offenen Rücktrittsdrohungen jede Diskussion über die fragwürdigen Grundannahmen der Reform zu unterbinden. In der letzten Sitzung des Akademischen Senats machte er dann seine Drohungen war und erklärte seinen Rücktritt – um nach 30 Minuten vom Rücktritt zurückzutreten.

Anlass war unsere Erklärung eines Statusgruppenvetos zur Fakultätsreform. Nach einer halben Stunde, in der wir uns mit Vertreter_innen aller Statusgruppen beraten haben, entschlossen wir uns dazu – trotz nach wie vor ablehnender Haltung –, im Interesse der Universität unser Veto aufzuheben, woraufhin Olbertz seinen Rücktritt zurücknahm.

Bereits seine Rücktrittsrede, in der er zur Generalabrechnung gegen die HU ausholte, hätte den Schluss nahelegen müssen, dass der Präsident sich auch nach rund drei Jahren Amtszeit nicht als Teil der Universität begreift. Indem er sich ausgerechnet nach den Ereignissen der letzten Woche im Interview mit dem Tagesspiegel auf Kosten der gesamten Universität profiliert, stellt er nachdrücklich unter Beweis, dass er nicht dazu bereit ist, die Interessen der HU über seine eigenen Interessen zu stellen.

Dass uns die Schuld für die vermeintliche Handlungsunfähigkeit des Präsidenten in die Schuhe geschoben wird, nachdem wir uns ein dreiviertel Jahr lang darum bemüht haben, Brücken zu bauen und dem Präsidium Angebote zu machen, ist allein schon eine Unverschämtheit. Diese Angebote zur gemeinsamen Erarbeitung einer Vorlage wurden allesamt ausgeschlagen. Stattdessen setzte Olbertz auf im Geheimen tagende Arbeitsgruppen, die keine Protokolle anlegen sollten, da dies „den Arbeitsfluss stören würde“.

Seine ebenfalls dem Interview entstammende Aussage, wir stünden einander nicht feindselig gegenüber, wird sich daran messen lassen müssen, ob es das Präsidium in Zukunft unterlässt, studentischen Projekten, insbesondere dem geplanten Hedwig-Dohm-Haus, Hindernisse in den Weg zu legen. Wir brauchen diesbezüglich keine weiteren Lippenbekenntnisse, sondern ein Präsidium, das seine Arbeit macht und studentische Politik unterstützt.

Weiterhin äußerte Olbertz im Tagesspiegel, er habe es „würdelos“ gefunden, „die Studierenden von Sitzung zu Sitzung langsam in die Knie zu zwingen“. Fakt ist: Der auf Betreiben von Olbertz zustande gekommene Beschluss des Akademischen Senats gründet auf einer Mischung aus Nicht-Beteiligung, Intransparenz, Einschüchterung und dem gezielten Einsatz finanzieller Mittel. Ein Präsident, der die Universität nicht mehr mit Argumenten, sondern nur noch mit Rücktrittsdrohungen beeindrucken kann, sollte „würde“ künftig nur noch als Konjunktiv verwenden. Wir ziehen es vor, im demokratischen Prozess nach den geltenden Regeln überstimmt zu werden, anstatt durch Taktiererei und preisverdächtige schauspielerische Leistungen an der Wahrnehmung unserer Rechte gehindert zu werden.

Dass Herr Olbertz darüber hinaus erwägt, vermeintliche „Spiellust mit formalen Regeln“ zu unterbinden, zeugt von einem fragwürdigen Demokratieverständnis. Wir erwarten von einem Präsidenten der HU ein klares und umfassendes Bekenntnis zu Mitbestimmungsrechten. Die drei großen Statusgruppen, die regelmäßig mit der Gremienmehrheit der Profs konfrontiert sind, müssen auf ihre formalen Rechte vertrauen können.

Wie ein absolutistischer König ohne Land versteht Olbertz Partizipation als Anhörung der Sorgen seiner Untertanen – um dann in der einsamen Vollkommenheit des Gottesgnadentums die für das Gesamte aus seiner Sicht beste Entscheidung zu treffen. Im Interesse der Zukunft der Humboldt-Universität sollte jede und jeder in sich gehen und für sich selbst prüfen, ob sie oder er zur vergleichsweise demokratischen und nicht zuletzt in Folge der Wendeerfahrungen von 1989 eher konsensorientierten Arbeitsweise der Gremien der HU passt – oder nicht.

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