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Saatkammer

© Global Crop Diversity Trust

Saattresor auf Spitzbergen: "Eine Neuauflage der Arche Noah"

Auf der Polarinsel Spitzbergen unweit des Nordpols eröffnet Norwegen einen tiefgekühlten Tresor für die Kulturpflanzen der Menschheit. Drei Hallen im ewigen Frost sollen das genetische Erbe der Pflanzensamen vor Naturkatastrophen schützen - und sogar vor einem Atomkrieg.

In 130 Meter Höhe hat Norwegens Regierung drei Hallen in einen Berg bohren lassen, um eine gigantische Sammlung von Pflanzensamen aus aller Welt einzulagern. Der Vorrat soll sicherstellen, dass auch nach riesigen oder sogar globalen Naturkatastrophen neue Samen bereitliegen, um wieder mit dem Anbau von Lebensmitteln beginnen zu können. Auch deutsche Forscher haben schon Samenproben nach Spitzbergen geschickt.

Zur feierlichen Eröffnung wollten unter anderem EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg sowie die kenianische Friedensnobelpreisträgerin und Umweltschützerin Wangari Maathai kommen. Die erste Lieferung traf aus Afrika ein. Das in Nigeria ansässige Internationale Institut für Tropen-Landwirtschaft sandte 20 Kisten mit 7000 Samenproben aus 36 afrikanischen Ländern. Norwegens Landwirtschaftsminister Terje Riis-Johansen konnte die Eröffnung kaum erwarten: "Das wird wie eine moderne Neuauflage der Arche Noah."

Samen bleiben tausend Jahre frisch

Vor allem in tropischen Ländern könnten die Samen im Katastrophenfall allzu leicht zerstört werden - wenn die Kühlschränke ausfallen, keimen oder vergammeln die Samen schnell. Anders sieht es auf Spitzbergen aus, nur 800 Kilometer vom Nordpol entfernt. Die Durchschnittstemperatur liegt hier bei minus drei bis vier Grad. Die drei je sechs Meter hohen Lagerhallen in einem Berg nahe des kleinen Flugplatzes von Longyearbyen aber werden permanent auf 18 Grad minus gekühlt. Das ist die ideale Temperatur, um das eingelagerte Samengut für gut tausend Jahre frisch zu halten.

Die globale Samenkammer soll aber noch ganz andere Bedingungen erfüllen: Sie ist so hoch über dem Meeresspiegel angelegt, dass die Hallen auch bei Erfüllung der pessimistischsten Vorhersagen über die Klimaveränderungen trocken bleiben sollen. Auch ein Atomkrieg dürfte ihnen nach Meinung der Konstrukteure nichts anhaben. Und sogar für das Aushebeln etwaiger direkter Raketenangriffe haben die Konstrukteure sich etwas ausgedacht. Die Gänge sind versetzt, damit ein direkter Treffer möglichst nicht in die Lagerräume vordringt.

Anlage ist erdbebensicher

Der Bau ist in gewissem Umfang auch erdbebensicher, wie ein Beben auf Spitzbergen fünf Tage vor der Eröffnung zeigte. "Das Beben kam sehr überraschend. Aber es hat als eigentlich nicht erwünschter Test gezeigt, dass unsere Anlage solche Belastungen aushält", sagte Projektchef und Genforscher Ola Westengen.

4,5 Millionen Samenproben können hier eingelagert werden. "Das wird der wichtigste Kühlschrank der Welt", schrieb die Zeitung "Nationen". Westengen weist die Vorstellung zurück, dass hier vor allem für eine apokalyptische Super-Katastrophe vorgesorgt werden soll: "Es ist ganz natürlich, dass man einige Samentypen auf diese Art bewahrt und erhält." So gebe es heute nur 20 Prozent jener Maisarten, die um 1930 in Mexiko angebaut wurden.

70.000 Reisproben von den Philippinen

Fehlendes Geld und fehlende Übersicht für den Erhalt der genetischen Vielfalt seien viel gefährlicher für das Aussterben von Nutzpflanzen als Horror-Szenarien. Allein auf den Philippinen gebe es mehr als 70.000 verschiedene Reis-Proben, die in den vergangenen Jahren gesammelt worden seien und nun ins ferne Spitzbergen geschickt werden.

Aus Deutschland hat das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben (IPK/Sachsen-Anhalt) bereits 2589 Samenmuster nach Spitzbergen geschickt. Darunter sind Samen von Bohnen, Kichererbsen, Hafer, Gerste und Weizen. Im April sollen weitere 7500 Muster folgen. Ein Ersatz für die eigene Genbank sei die Bank in Norwegen nicht, betonte das IPK. Die Muster auf Spitzbergen seien eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme.

50 Millionen Kronen (6,3 Millionen Euro) hat die Regierung in Oslo für den Bau des globalen Samenlagers bereitgestellt. Die Kosten für den laufenden Unterhalt teilen sich die Skandinavier mit den Vereinten Nationen. Wer zur feierlichen Eröffnung nach Spitzbergen reisen will, muss sich warm anziehen: Knapp 20 Grad minus sind angesagt. "Eine perfekte Temperatur für unsere Zwecke", sagt der Genetiker Westengen.

Thomas Borchert[dpa]

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