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Die Forscherin schätzt die dynamische Wissenschaftsgemeinde Berlins.

© Matthias Heyde

Exzellenzcluster „Math+“: Die Form bestimmt die Funktion

Die Australierin Myfanwy Evans erforscht die Geometrie von Objekten bis in den Nanobereich.

Es gibt viele Arten, die Welt zu betrachten: Myfanwy Evans nimmt vor allem die unterschiedlichen Formen und Strukturen eines Gegenstandes wahr. Das liegt nicht zuletzt an ihrem wissenschaftlichen Hintergrund. Die geborene Australierin hat an der Australian National University in Canberra Mathematik studiert und dort auch in „Interdisciplinary Science“ promoviert. Seitdem beschäftigt sich die 34-Jährige mit der Geometrie und der Topologie von Materialien. „Ich bin ein extrem visuell geprägter Mensch und schon immer stark an Formen und Strukturen der Natur interessiert“, sagt Evans.

2011 kam sie mit einem Humboldt Research Fellowship an die Universität Erlangen Nürnberg. 2015 startete sie ihre eigene Emmy Noether-Nachwuchsgruppe an der Technischen Universität Berlin. „Ich wollte in einer Großstadt mit einer lebhaften und dynamischen wissenschaftlichen Gemeinde leben – das bietet Berlin wie keine andere Stadt in Deutschland. An der Technischen Universität arbeite ich mit herausragenden Kolleginnen und Kollegen zusammen. Ich genieße den intensiven Austausch, zum Beispiel bei den regelmäßigen Mittagessen aller weiblichen Lehrkräfte und Studentinnen der Berlin Mathematical School.“

Mit ihrer Promotion in „Interdisciplinary Science“ – einer Kombination von Mathematik, Physik, Biologie und Technik – ist sie aber nicht nur für die Forschung im Exzellenzcluster „Math+“ prädestiniert, sondern auch für einen weiteren neuen Berliner Cluster namens Matters of Activity. „Meine Herangehensweise an wissenschaftliche Themen ist grundsätzlich eine interdisziplinäre: Ich schaue mir die Fragen an und überlege, welche Werkzeuge mir zur Verfügung stehen, um das Problem zu lösen. Das können Verfahren aus der Geometrie, aber auch aus der Biophysik, der Informatik oder der Technik sein.“

In ihrem aktuellen Projekt untersucht Evans Metallschäume

Im Kern ihres wissenschaftlichen Interesses liegen die Geometrie, also die verschiedenen Formen, die die Natur hervorbringt, und deren Topologie, die untersucht, wie diese Formen untereinander verbunden sind. „Diese beiden mathematischen Teilgebiete sind in der Regel sehr theoretisch und abstrakt. Mein Ansatz ist es, geometrische Formen und Muster, die von der Natur inspiriert sind, zu analysieren, zu verstehen und davon für verschiedene Anwendungen zu lernen.“ Fragen wie „Welche Formen sind in der Mikrostruktur des Materials verborgen?“ oder „Wie kann man diese Formen mathematisch korrekt beschreiben?“, treiben die Postdoktorandin in ihrem Forschungsalltag um.

„Die makroskopischen physikalischen Eigenschaften von Materialien, seien es Schaumstoffe, Polymerschmelze, Stahl oder Keramik, werden weitgehend durch ihre innere Mikrostruktur bestimmt. Mich interessiert, welche Auswirkungen diese Formen und die spezifische Topologie auf das Material, seine Funktion oder die Stabilität haben“, erklärt die Mathematikerin, die für ihre Forschung 2017 den Berliner Nachwuchswissenschaftspreis des Regierenden Bürgermeisters verliehen bekam.

In ihrem aktuellen Projekt innerhalb des Mathematik-Clusters „Math+“, das sie gemeinsam mit ihren Kollegen Francisco Garcia-Moreno, Frank Lutz und John Sullivan bearbeitet, geht es ausnahmsweise nicht um natürliche Materialien, sondern um sogenannte metallische Schäume. „Bestimmte Metalle werden geschmolzen und aufgeschäumt wie Badeschaum. Dadurch erhält man ein besonders leichtes, elastisches und stabiles Material, wie es zum Beispiel für den Bau von Elektroautos gebraucht wird“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Das Verständnis der Mikrostruktur dieser Materialien, insbesondere ihrer geometrischen und topologischen Merkmale, ist kompliziert. „Wir wollen aktuelle Methoden der zufälligen und computergestützten Geometrie und Topologie nutzen, um weitere Einblicke in diese Materialien zu erhalten, und die daraus resultierenden kreativen mathematischen Ideen nutzen.“

Zuerst müssen entsprechende Analysetechniken entwickelt und an den unterschiedlichsten Materialien getestet werden. Ziel ist es, die Mikrostrukturen im Bereich von wenigen Nanometer großen Objekten korrekt mit geometrischen und topologischen Verfahren zu beschreiben und herauszufinden, welche geometrischen Formen welche Bedeutung für das Material haben. Anschließend sollen diese Erkenntnisse auf die Metallschäume angewendet werden: „Wenn wir über die korrekt beschriebene Geometrie einer Substanz etwas über ihre Eigenschaften lernen, können wir im Rückschluss auch erarbeiten, welche Verfahrenstechniken sich eignen, um gezielt diese Geometrie herzustellen“, erläutert die australische Mathematikerin.

Katharina Jung

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