zum Hauptinhalt

Fossilfund: Todeszone konservierte das Leben der Jurazeit

In einem fränkischen Steinbruch wurden zahlreiche neue Tierarten entdeckt. Nun werden sie erstmals ausgestellt.

Der Plattenkalk von Solnhofen in Bayern ist weltberühmt: Wegen der hochwertigen Werksteine und Lithografieplatten, die seit dem 15. Jahrhundert in großem Stil abgebaut werden, aber noch mehr wegen „Archaeopteryx“. 1861 wurde hier zwischen den rund 150 Millionen Jahre alten Kalkplatten aus der Jurazeit das erste Skelett des Urvogels gefunden.

Vor sieben Jahren entdeckten Paläontologen über 100 Kilometer weiter nördlich eine weitere Fossillagerstätte, die möglicherweise noch mehr Sensationen bereithält. In dem Steinbruch im oberfränkischen Wattendorf wird Kalk gewonnen, der dem Solnhofener Gestein sehr ähnlich ist und ebenfalls vor rund 150 Millionen Jahren in einer warmen Meereslagune entstand. Der Fossilgehalt dürfte jedoch weitaus größer sein: Während in den Solnhofener Schichten im Laufe der Jahrhunderte rund 550 Tier- und Pflanzenarten gefunden wurden, haben die Paläontologen in der neuen Fundstätte in nur fünf Grabungskampagnen mehr als 100 Arten geborgen. Im Naturkundemuseum Bamberg werden sie nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

„Wir haben völlig neue Arten und sogar Gattungen entdeckt“, berichtet der Museumsleiter Matthias Mäuser. Zur Ausbeute gehören neben Lebensspuren und versteinertem Kot zahlreiche wirbellose Tiere, Hunderte von Fischen, zwei Brückenechsen, zwei Schildkröten, Krokodilreste, vier vollständige Engelhaie und sechs Quastenflosser. Darunter ist auch ein Exemplar der Gattung „Libys“, das mit mehr als einem Meter Länge der größte Quastenflosser sein dürfte, der je in einem Plattenkalk des Jura gefunden wurde.

Das Besondere an den Wattendorfer Schichten ist, dass sie schätzungsweise 50 000 bis 500 000 Jahre älter sind als die von Solnhofen. Die Forscher blicken also in die evolutionäre Kinderstube von „Archaeopteryx“. Noch wurde in Wattendorf kein Vorfahr des Urvogels entdeckt, der bei seinem Flug in die Lagune stürzte und unterging. Möglich wäre es schon, denn die Fossilien sind sehr gut erhalten.

Grund dafür ist das subtropische Flachmeer, in dem sich der Kalk vor Jahrmillionen ablagerte. Während die oberen Schichten mit Temperaturen um 26 Grad Celsius reichhaltiges Leben ermöglichten, begann in 20 bis 50 Metern Tiefe die Todeszone. Das Bodenwasser der Lagunen war salzhaltig und weitgehend sauerstofffrei. Wer so tief sank, hatte nur noch wenige Sekunden zu leben. Da Riffe den Zustrom von frischem Meerwasser blockierten, blieben die Senken für längere Zeit lebensfeindlich. Kein Aasfresser zerfledderte die Kadaver, keine Strömung veränderte ihre Lage.

Die Tiere wurden so behutsam eingebettet, dass selbst nach Jahrmillionen noch die mineralisierten Reste von Weichteilen, sogar Hautabdrücke und Mageninhalt erkennbar sind. Das macht den Plattenkalk zu einem einzigartigen Archiv der Evolution. Mathias Orgeldinger

Mathias Orgeldinger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false