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FREIE Sicht: Ein Warentest für Weiterbildung

Es gibt Erfreuliches zu berichten, wenn man den international vergleichenden Blick auf die Weiterbildung richtet. So zeigen die diesjährigen EU-Statistiken, dass Deutschland mit einer Bildungsbeteiligungsrate von etwa 45 Prozent immerhin auf dem fünften Platz landet.

Es gibt Erfreuliches zu berichten, wenn man den international vergleichenden Blick auf die Weiterbildung richtet. So zeigen die diesjährigen EU-Statistiken, dass Deutschland mit einer Bildungsbeteiligungsrate von etwa 45 Prozent immerhin auf dem fünften Platz landet. Auch ist die Verteilung auf die Geschlechter mit nur vier Prozent Differenz zugunsten der Männer ausgeglichen. Die Beteiligung von Menschen über 55 mit fast 30 Prozent nimmt den dritten Platz in Europa ein.

Interessant auch der Prozentsatz weiterbildungsabstinenter Erwerbsloser: Mit zwar immerhin 70 Prozent steht Deutschland sehr gut dar, denn in den meisten anderen EU-Ländern ist die Weiterbildungsverweigerung Erwerbsloser noch weitaus höher. Schaut man nach den Stunden, die deutsche Weiterbildungsbeflissene lernen, so stehen sie mit 900 weit an der Spitze. Erst mit 600 Stunden gefolgt von Belgien.

Und wer bezahlt die Weiterbildung? In Deutschland nur zu rund 60 Prozent die Unternehmen, und damit 10 Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Peinlich, wenn doch gerade von dort gern auf die notwendige Erhaltung von Beschäftigungsfähigkeit gepocht wird. Und noch etwas zum Schämen: In Deutschland werden die Frauen durch Familienpflichten am stärksten im Vergleich zu allen EU-Ländern an der Weiterbildung gehindert.

Fazit: Deutschland steht vergleichsweise manierlich da – mit Auffälligkeiten bei der Spendabilität der Arbeitgeber und der hinderlichen Wirkung traditioneller Geschlechterrollenmuster.

Keine Nachricht, weil gute Nachricht? Warum aus der guten nicht eine Zukunftsnachricht machen, etwa so: Deutschland hat die Voraussetzung dafür, mit den Skandinaviern an die Spitze der Weiterbildungsnationen zu treten. Nicht aus sportlichem Ehrgeiz, sondern weil hier erkannt wird, dass die Zukunft des Einzelnen wie der ganzen Gesellschaft daran hängt, sich auf dem Stand der Dinge zu halten. Das gilt nicht nur für berufliche Weiterbildung sondern für die gesamte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Wie wäre es, wenn die neue Bundesregierung auch dieses Thema aufgreift, sich ein quantitatives Ziel für die Weiterbildungsbeteiligung setzt und vor allem ein qualitatives: Nur eine Art Tüv oder Warentest kann die Bürger davor schützen, unseriösen Anbietern zum Opfer zu fallen, die den Erwerb von Megakompetenzen in kürzester Zeit ohne Anstrengung versprechen. Aber das gibt es nicht: Bildung ohne Anstrengung, besonders nicht im Erwachsenenalter.

Der Autor ist Erziehungswissenschaftler und schreibt jeden dritten Montag über aktuelle Themen und Debatten.

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