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FU Berlin: Doktor Elite

Betreut und kontrolliert: Wie Graduiertenschulen Nachwuchsforscher zum Erfolg führen.

Sie wollen „keine Einzelkämpfer sein“, „nicht isoliert am Schreibtisch sitzen“ und dort „vor sich hin promovieren“, sagen Fabian Lindner (27) und Jasper Trautsch (26). Die beiden Doktoranden gehören zum ersten Jahrgang, der ab diesem Herbst in Berlin an der Graduate School of North American Studies promoviert. Bundesweit entstehen derzeit mit jedem Semester mehrere solcher Graduiertenschulen. Sie sollen die deutsche Doktorandenausbildung reformieren. Das Ziel: strukturierte und eng betreute Promotion statt einsamer Forschung.

Die Schule für Nordamerikastudien wurde am Montag an der Freien Universität eröffnet. Für Lindner und Trautsch beginnt nun ein umfangreiches Programm, das sie in drei Jahren zum Doktortitel führen soll. Sie recherchieren ihre Themen, entwerfen erste Kapitel, stellen sie in Colloquien zur Diskussion – wie bei jeder betreuten Promotion. Gleichzeitig aber besuchen sie Seminare über Forschungsmethoden oder Wissenschaftstheorie, Rhetorik- und Schreibkurse, Colloquien und Vorträge. In den ersten drei Semestern gebe es „ein Pflichtprogramm für die Doktoranden“, sagt Ulla Haselstein, Direktorin der Schule. Die Teilnehmer müssten nicht nur drei Lehrveranstaltungen pro Semester besuchen, sondern auch eine Konferenz organisieren und ein Seminar geben.

Damit sammeln die Doktoranden „Credit Points“. Nach dem Abschluss erhalten sie ihre Promotionsurkunde sowie ein Zertifikat, das Kurse und erworbene Punkte aufführt. Das sei „ein Bonus gegenüber dem herkömmlichen Doktorgrad“, glaubt Haselstein. Die Absolventen könnten „genau nachweisen, welche Qualifikationen sie in drei Jahren erworben haben“.

Ein Kerncurriculum und Leistungspunkte gibt es auch im Berliner Promotionsprogramm „Mind and Brain“ an der Humboldt-Universität – und an der Graduiertenschule „Islamisch geprägte Gesellschaften“, die 2008 an der FU startet. Man müsse die „richtige Balance“ finden, sagt Gudrun Krämer, Islamwissenschaftlerin und Sprecherin des Projekts: „Wir wollen ein Gerüst bieten, aber die Doktoranden nicht einschnüren.“

Doch nicht alle Graduiertenschulen setzen auf Pflichtkurse. 39 Schulen – darunter sieben in Berlin – werden durch die Exzellenzinitiative in den nächsten Jahren gefördert. „Etwa ein Viertel arbeitet mit Kontrollen und Credit Points“, sagt Anselm Fremmer, der für die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Förderlinie Graduiertenschulen betreut. Im Wettbewerb hätten auch zwei andere Typen erfolgreich abgeschnitten: Ein Teil der Programme sei „kaum verschult“, so Fremmer. Das Credo der Organisatoren: Die Nachwuchswissenschaftler seien „auch ohne Kontrollen hochmotiviert“. Andere Graduiertenschulen vereinbarten mit ihren Doktoranden einen „persönlichen Qualifikationsplan“, für den es jedoch weder Leistungsscheine noch Punkte gebe.

Ein Ziel haben alle Graduiertenschulen gemeinsam: Sie wollen den internationalen Forschernachwuchs anziehen. Von den wenigen Plätzen – viele Schulen nehmen nur ein Dutzend Doktoranden pro Jahr auf – sollen 50 Prozent an Ausländer gehen. Um junge Forscher zu gewinnen, bieten die Schulen den vollen Service. Sie kümmern sich um Visa und Kinderbetreuung, helfen bei der Wohnungssuche oder bieten Kontakte zu Unternehmen an. Das sei „internationaler Standard“, heißt es an der Berlin Mathematical School. Das Programm nimmt sogar Bachelor-Absolventen in eine „Phase I“ auf, die zum Master und dann zur Promotion führt. Vor allem in den USA und England entscheiden die besten Studenten schon nach dem ersten Abschluss, wo sie ihre Laufbahn bis zum Doktortitel fortsetzen.

Die Mathematik-Doktoranden stammen zur Hälfe aus dem Ausland. Andere Graduate Schools erreichen ihre Zielmarken noch nicht. Für das Nordamerikanistik-Programm sei die Hälfte der 120 Bewerbungen von internationalen Absolventen gekommen, sagt Ulla Haselstein. Doch hätten diese „häufig nicht unsere Exzellenzkritierien erfüllt“: mindestens ein „guter“ Studienabschluss, ein fertiges Konzept für die Doktorarbeit, Empfehlungsschreiben angesehener Wissenschaftler, „ausgezeichnetes“ Englisch.

Nun beginnen zehn deutsche und ein dänisch-amerikanischer Doktorand an der Schule. Problematisch sei zudem, ein weltweites Auswahlverfahren zu organisieren. Nicht für alle Bewerber können die Graduiertenschulen die Anreise finanzieren. Vorstellungsgespräche oder Kurzvorträge finden daher oft als Telefon- oder Videokonferenzen statt. „So persönlich wie möglich“ wolle man „die Kandidaten unter die Lupe nehmen“, sagt Peter-André Alt, Koordinator der literaturwissenschaftlichen Friedrich-Schlegel- School an der FU. Die Auswahl müsse sicherstellen, dass „die Kandidaten den Spirit der Schule teilen“. Er gehe davon aus, dass „künftig aus den Graduate Schools der akademische Nachwuchs“ komme – auch weil sonstige Qualifikationswege, wie Stellen im Mittelbau, „an vielen Unis um 70 Prozent gekürzt“ worden seien.

Geldsorgen dürften die meisten Doktoranden nicht haben: Mit der Aufnahme in die Graduiertenschule erhalten sie ein Stipendium. Nur wenige Schulen nehmen auch Bewerber auf, die keine „hauseigene“ Förderung bekommen. Der gute Ruf der Schulen ermögliche diesen Doktoranden dann, ein anderes Stipendium einzuwerben oder eine Assistenzstelle anzutreten, sagen die Organisatoren. „Mit einem Job außerhalb der Uni wäre Forschung auf hohem Niveau nicht leistbar“, sagt Mareike Massow, die seit 2006 an der Berlin Mathematical School promoviert. Das Programm sei „sehr intensiv“.

Die 26-jährige Stipendiatin wählt jedes Semester in Absprache mit ihren Mentoren eine anspruchsvolle Vorlesung in Mathematik aus, die sie neben der Forschungsarbeit besucht. Mehrere Pflichtseminare pro Semester würden die „Forschung zu sehr einschränken“, sagt Massow. Nach drei Jahren eine Dissertation vorzulegen, wäre so kaum möglich.

Doktoranden der Graduate Schools müssen jedes Jahr einen Bericht über den Fortgang ihrer Promotion vorlegen, den eine Kommission der Schule prüft. Nur wer Fortschritte präsentieren kann, erhält weiterhin das Stipendium. Die finanzielle Förderung könne „nur in Ausnahmefällen“ verlängert werden, sagt FU-Professorin Ulla Haselstein. Die Betreuung der Arbeit sei jedoch darüber hinaus möglich. Ihr Doktorand Jasper Trautsch, der eine Dissertation über die frühe amerikanische Geschichte plant, ist zuversichtlich: Er vertraue auf den „engen Kontakt zu den Betreuern“, sagt Trautsch. Er sei „gezwungen, nichts auf die lange Bank zu schieben“. Ähnlich argumentiert der FU-Literaturwissenschaftler Peter-André Alt: Komme eine Dissertation „in kritisches Fahrwasser“, müssten „Mentoren sofort helfen“. Als die Exzellenzkommission im Sommer 2007 die FU besuchte, sei von einem Gutachter ein interessanter Vorschlag gekommen, erzählt Alt: Falls ein Doktorand doch länger als drei Jahre brauche, müsse sein Betreuer an der Graduate School das Stipendium weiter zahlen.

Tina Rohowski

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